BMW-Chef Oliver Zipse warnt vor Deindustrialisierung

Aus seinem Büro im 101 Meter hohen Vierzylinder-Hochhaus in München kann BMW-Chef Oliver Zipse zufrieden auf das Stammwerk des Premium-Herstellers unter sich blicken. BMW legte solide Halbjahreszahlen vor und hob entsprechend seine Jahresprognose an. Doch für die gesamte deutsche Wirtschaft fällt die Bestandsaufnahme des BMW-CEOs weit weniger positiv aus.

In einer Gesprächsrunde mit Journalisten anlässlich der Halbjahreszahlen warnte Oliver Zipse vor einer Deindustrialisierung im Land: "Die Deindustrialisierung Deutschlands nimmt schleichend Fahrt auf. Nicht so sehr in den Dax-Konzernen, aber im Mittelstand, von dem wir ja auch ein Stück weit abhängig sind." Speziell die Situation der Zulieferer umtreibt Zipse: "Immer mehr Zulieferer spielen mit dem Gedanken, Deutschland den Rücken zu kehren, weil im Ausland das Wachstum stattfindet."

Der neue BMW-CFO Walter Mertl sieht die hohen Energiepreise dafür mitverantwortlich: "Wir werden in der kompletten Lieferkette Schwierigkeiten haben, wenn die Energiepreise weiter steigen. Dieses Thema sehen wir in China und den USA so nicht."

Die Auslieferungen vollelektrischer Fahrzeuge stiegen bei BMW im ersten Halbjahr 2023 gegenüber dem ersten Halbjahr des vergangenen Jahres um 133 Prozent an. Auch der Auftragsbestand für Stromer sei weiter sehr hoch, sagte Finanzchef Mertl. Eine entstehende Elektro-Skepsis auf den europäischen Märkten, die sich teilweise bereits in Zulassungszahlen zeigt und auch auf die geringere Förderung der BEV-Modelle zurückgeht, sieht Konzernchef Oliver Zipse aber nicht.

Auf Nachfrage der Automobilwoche erklärte er: "Märkte sind nie euphorisch, sondern rational. Momentan sehen wir den Anteil an Elektrofahrzeugen stark wachsen. Damit läuft es so, wie es auch laufen muss. Wir waren nie euphorisch, sondern haben Investitionen danach ausgelöst, wie es die Nachfrage erfordert." 

Als zentralen Punkt für mögliche Kaufhemmnisse von Kunden bei BEV-Fahrzeugen nannte Zipse gegenüber der Automobilwoche weiterhin eine mangelnde Verfügbarkeit von Ladesäulen: "Das größte Hindernis ist die Infrastruktur." Oliver Zipse führte zu den Vertriebszahlen von BMW weiter aus: "Wir erzählen seit Jahren, dass eine flexible Plattform das Gebot der Stunde ist. Es geht ja erst los jetzt für uns. Unsere Verbrenner-Verkäufe bleiben konstant, das Wachstum sehen wir im BEV-Bereich. Unsere Strategie geht damit genau so auf, wie wir uns das vorgestellt haben."

Aus dem Datencenter:

Marktanteile nach Antriebsarten in Westeuropa im zweiten Quartal 2023