"Nicht lange an alten Zöpfen hängen"

Als Produktionsvorstand von BMW treibt Milan Nedeljković den Umbau sämtlicher Werke zu iFactories voran. Das Stammwerk in München spielt für ihn dabei eine besondere Rolle.

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Herr Nedeljković, aus dem Vierzylinder blicken Sie direkt aufs Werk München. Schauen Sie dann raus und sagen: Alles meins! Oder gehen Sie auch runter und reden mit den Mitarbeitern?

(lacht) Ich bin regelmäßig im Werk München, wie auch in allen anderen. Ich besuche die Werke interessanterweise sehr gleichberechtigt. München deutlich häufiger, weil es einfach näher ist, aber drei-, viermal im Jahr versuche ich, in jedem Werk präsent zu sein. Und ich nehme mir dann auch die Zeit, mit Mitarbeitern ins Gespräch zu kommen. Ich finde es immer hochinteressant, zu erfahren, was die Menschen dort bewegt.

Was ist in München anders als anderswo?

Das Werk München hat eine eigene Heritage. Mit seiner urbanen Struktur mitten in der Stadt hat es eine ganz andere Gestaltung als jedes andere Werk. Es ist kompakter, historisch gewachsen und hat eine ganz andere Intensität, als man sie an anderen Standorten erlebt. Das Werk ist in seiner Struktur schon einzigartig, hat aber auch eine enorme Strahlkraft für uns. Nicht umsonst nennen wir es ja unser Stammwerk.

München soll jetzt zur iFactory werden für die Neue Klasse. Was planen Sie?

Die BMW iFactory steht für das strategische Zielbild, an dem entlang sich alle Werke entwickeln werden. Damit setzen wir neue Maßstäbe bei Flexibilität, Effizienz, Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Ziel ist, in jedem Werk die Effizienz um 25 Prozent zu steigern, den CO2-Ausstoß um 80 Prozent zu reduzieren und jedes Werk zur voll digitalen Fabrik zu machen. Das ist ein Transformationsschub, den wir erleben und dem wir mit der iFactory Leben einhauchen. Ein echtes Aufbruch-Thema. Denn Automobilbau der Zukunft erfordert ein neues, ganzheitliches Denken.

Zuerst umgesetzt wird das in Debrecen. Wieso beginnen Sie mit so einem wichtigen Projekt nicht im Stammwerk?

Das hat auch immer etwas mit Modellzyklen zu tun, und da bietet sich München genau zu dem Zeitpunkt an, wo wir es machen. Und es geht ja auch gar nicht darum, ein einzelnes Vorzeigewerk zu bauen. Die BMW iFactory ist ein Konzept, das wir künftig in allen unseren Werken umsetzen werden. Im 100 Jahre alten Stammwerk München genauso wie im zukünftigen Werk im ungarischen Debrecen. Alle Werke der BMW Group werden zu iFactories.

Mit der iFactory setzen Sie darauf, alle Antriebe auf einer Linie zu produzieren. Andere Hersteller gehen genau den entgegengesetzten Weg, sie trennen die Fertigung.

Ja, wir machen es anders. Weil wir es können. Das ist ja erst einmal eine Kompetenzfrage. Schafft man es überhaupt, unterschiedliche Fahrzeuge wirtschaftlich auf ein Band zu bekommen? Das ist nichts, was man auf einen Schlag umstellen kann, diese Fähigkeit haben wir uns über Jahre erarbeitet. Das bringt aus unserer Sicht enorme Vorteile in Bezug auf die Flexibilität, je nach Nachfrage schnell reagieren zu können – gerade jetzt, wo die Nachfrage nach vollelektrischen Fahrzeugen deutlich steigt, was uns sehr freut.

In Europa ist die Zeit des Verbrenners aber wohl endlich. Lohnt es sich noch, jetzt alle Werke auf eine Mix-Produktion umzubauen?

Das ist ja nichts, was schlagartig passieren wird. Das wird ein fließender Übergang, und es ist schwer vorherzusagen, wie schnell er gehen wird. Die BMW-Elektromodelle sind sehr gefragt. Daher ziehen wir jetzt die Produktion nach. Aber wir setzen weiter auf die Flexibilität, beides bedienen zu können. Solange es auch nur einen Kunden gibt, der einen Verbrenner kaufen will, werden wir ihn auch bedienen. Was der Kunde wünscht, das werden wir auch liefern.

Die Verbrenner bauen Sie dann weiter auf der bisherigen Plattform? Ist das nicht eine Abkehr von Ihrer Strategie?

Nein. Wir werden weiter unterschiedliche Antriebsarten in gleichen Fahrzeug-Kategorien anbieten und unsere im Wettbewerbsvergleich einzigartige Flexibilität und Integrationsfähigkeit voll ausspielen. Heißt: Wir sind in der Lage, die neue Architektur in unsere bestehenden Werke zu integrieren und somit sämtliche Architekturen auf einer Linie zu fertigen. Der nächste Schritt erfolgt mit unserem neuen Werk in Debrecen. Dort werden wir ab 2025 ausschließlich vollelektrische Fahrzeuge produzieren.

Auch in München?

Für das Werk München gehen wir auf eine reine Neue-Klasse-Struktur. Mit einer gewissen Übergangszeit. Aber wir werden hier sehr schnell auf die neue Struktur gehen.

Hat das Werk als Produktionsstandort denn eine Zukunft?

Ja, natürlich. Das ist ja gerade das Spannende, dass wir mit der Neuen Klasse neben dem neuesten Werk Debrecen dann auch das Stammwerk München als Startwerk nutzen. Das zeigt schon, welche Ausrichtung der Standort hat. Das geht in die Zukunft.

Verbrennungsmotoren aus München gibt es bald aber nicht mehr. Ist das ein Signal, dass die Zeit des Verbrenners zu Ende geht?

Das ist vor allem ein Signal für die Transformationskraft von BMW, trotz der historischen Bedeutung des Motorenbaus hier in München. Durch die Verlagerung nach Steyr und Hams Hall entsteht die Fläche, die wir für die Elektromobilität brauchen. Und dieses next big thing ist immer spannend. Da hängt man nicht lange an alten Zöpfen.

Aber die Idee, den Vierzylinder dann in eine Elektro-Spule umzubauen, haben Sie noch nicht?

Einfach einen Kupferdraht drumwickeln? (lacht) Nein, das haben wir nicht vor.

Aus dem Datencenter:

Wer liefert was für den BMW Siebener (2022)?