Corona-Krise beschleunigt Strukturwandel

Wie erwartet hat in den 2020er-Jahresabschlüssen der Automobilzulieferer die Corona-Pandemie tiefe Spuren hinterlassen. Ähnlich wie die Gesamtbranche mussten auch die von der IKB Deutsche Industriebank untersuchten Unternehmen hohe Umsatzverluste (minus zwölf Prozent) hinnehmen. Doch die Studien-Autoren sehen positive Signale. Die Angaben für die ersten neun Monate von 2021 deuten ein kräftiges Umsatzplus an. Anhand der Margen sowie Inflationsentwicklung ist dies laut IKB "nicht überraschend". Für das Jahresergebnis 2021 sei allerdings die nachlassende wirtschaftliche Erholung im Schlussquartal 2021 zu beachten.

In der IKB-Auswertung von Abschlüssen deutscher mittelständischer Automobilzulieferer wurden 67 Unternehmen unter die Lupe genommen. Die Jahresumsätze der einzelnen Firmen liegen zwischen 30 Millionen Euro und mehreren Milliarden. Für 37 Firmen konnte die IKB auch auf Zwischenergebnisse bis September 2021 zurückgreifen. Damit seien auch erste Aussagen möglich, ob sich die Automobilzulieferer vom tiefen Einbruch 2020 trotz sich aufbauender Lieferengpässe erholen konnten, heißt es in der Studie.

Die untersuchten Zulieferer mussten 2020 einen deutlichen Einbruch ihrer Ertragskennziffern verkraften. Das Ergebnis vor Steuern (EBT) sank von 3,0 Prozent im Jahr 2019 auf nur noch ein Prozent. Die kleinen Unternehmen gerieten im Durchschnitt sogar leicht in die Verlustzone. Die mittleren und insbesondere die großen Unternehmen zeigten sich vor allem aufgrund ihrer besseren Ausgangssituation aus dem Jahr 2019 in der Corona-Krise widerstandsfähiger. Sie realisierten höhere Rendite, mussten aber auch erhebliche Einbußen hinnehmen.

Vor dem Hintergrund anhaltender Unsicherheit ist es für die IKB nicht überraschend, dass die Unternehmen trotz niedriger Zinsen und zusätzlicher Abschreibungsmöglichkeiten bei Investitionen sehr zurückhaltend blieben. Ausnahme waren mittelgroße Zulieferer – hier gab es ein leichtes Plus, und mehr als die Hälfte dieser Unternehmen wiesen eine höhere Investitionsquote aus.

Insgesamt hat sich die Verschuldung der Zulieferer im Jahr 2020 weiter verschlechtert. In dem Maße wie eine überzogene Vorsorge für Liquidität eine Rolle im Verschuldungsanstieg von 2020 gespielt hat, "mag sich dies bereits im Jahr 2021 wieder etwas gelegt haben", heißt es bei der IKB.

Für 37 Unternehmen lagen der IKB Zahlen bis September 2021 vor. In Übereinstimmung mit den Branchendaten habe sich dabei gezeigt, dass die Zulieferer in den ersten neun Monaten kräftige Umsatzzuwächse von rund 20 Prozent erwirtschaften konnten. Angesichts des deutlichen Anstiegs der Inflation und vor allem der Erzeugerpreise sei diese Umsatzausweitung allerdings nicht überraschend. Bei den Fahrzeugherstellern ergab sich aufgrund der Produktionsproblematik rund um Lieferengpässe zudem kaum Raum für die in der Automobilindustrie gängigen Rabatte. Und auch die Ertragslage hat sich im Vergleich zum Vorjahr deutlich verbessert.

Trotz anhaltender Lieferengpass-Thematik ist die Automobilindustrie im Jahr 2021 wieder in die Gewinnzone gerutscht und hat somit bestätigt, dass für die Zulieferer der Tiefpunkt der Pandemie im Jahr 2020 lag, bilanziert die IKB. Zumal sich bei ersten Informationen von einigen Zulieferern zeige, dass das vierte Quartal 2021 besser als ursprünglich erwartet gelaufen ist. Das aktuelle Umfeld – geprägt durch hohe Inflation, Lieferengpässe, aber auch eine robuste Nachfrage – scheint nach Einschätzung der Autoren für die Automobilindustrie vorteilhafter zu sein als ein Umfeld mit sinkenden Rohstoffpreisen und schwacher Nachfrage. Allerdings profitieren die Automobilhersteller hier stärker als die Zulieferer, insbesondere Anbieter im Premium-Segment.

Kleine Zulieferer bleiben besonders anfällig für konjunkturelle Entwicklungen. Doch auch sie konnten nach einem Verlust im Jahr 2020 wieder in die Gewinnzone gelangen. Größere und global agierende Zulieferer profitierten von der relativ stabilen globalen Nachfrageentwicklung.

Der durch die Klimapolitik notwendige technologische Wandel bringt für die Unternehmen mehrere Herausforderungen: So werde der Abschreibungsbedarf am Standort Deutschland auch in den nächsten Jahren hoch sein und Vermögensbewertungen beziehungsweise Bilanzen belasten. Auch eine ansteigende Investitionsquote hält die IKB für nötig.

Dies könnte zu mehr Investitionen oder Standortverlagerung führen. Gerade mit anstehenden zahlreichen Modellwechseln und neuen Technologien bestehe die Gefahr der Produktionsverlagerung. Das bedeute für kleinere Zulieferer zusätzliche Herausforderungen, sofern sie nicht aufgrund ihrer Marktstellung für die Automobilhersteller unverzichtbare technologische Alleinstellungsmerkmale aufweisen.

Die Investitionsquote ist im Jahr 2020 gerade bei kleineren Unternehmen deutlich gesunken, so die IKB-Analyse. Zusammen mit den strukturellen Trends verbunden mit dem Klimawandel belaste dies ihr zukünftiges Wachstumspotenzial. Denn für überzeugende Zukunftsperspektiven brauche es im aktuellen Umfeld genau das Gegenteil: eine steigende Investitionsquote. Die Schere zwischen Wachstum von kleinen und großen Zulieferern könnte sich in den kommenden Jahren deshalb weiter öffnen. So könne sich die Corona-Krise als Katalysator für den Strukturwandel und die Konsolidierung in der Zulieferindustrie herausstellen, da sich die Pandemie gerade auf die Investitionsaktivitäten kleinerer Zulieferer negativ ausgewirkt habe.

In anziehenden Unternehmensinsolvenzen sehen die Autoren generell eher einen "Nachzügler eines konjunkturellen Einbruchs". Auf Grundlage der Daten für 2021 kommt die IKB zu dem Schluss, dass 2020 nicht nur der Tiefpunkt war, sondern dass sich im Folgejahr eine deutliche Erholung abzeichnet. Dies reduziere das Ausfallrisiko und stärke die Einschätzung von nur moderat ansteigenden Ausfällen. Dies werde durch die Erwartung einer anziehenden Konjunktur im Jahr 2022 bestätigt.

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