Herr Brecht, in wenigen Tagen startet die IAA für Nutzfahrzeuge mit vielen Neuheiten. Ist Daimler Truck noch innovativ genug?
Auf jeden Fall. Ich finde sogar mehr denn je, das wird die IAA Nutzfahrzeuge auch beweisen. Wir bei Daimler Truck setzen im Gegensatz zu manchem anderen Nutzfahrzeughersteller auf eine duale Antriebsstrategie, um den Personen- und Güterverkehr klimaneutral zu machen: Wir entwickeln Lkw und Busse mit Batterieantrieb und haben mit dem Mercedes-Benz eActros, dem eCitaro und dem Fuso eCanter bereits solche Fahrzeuge in Serie. In den USA erfolgt in diesem Jahr noch der Serienanlauf des Freightliner eCascadia. Mit dem Mercedes-Benz eEconic verfügen wir über das erste elektrisch betriebene Müllfahrzeug, was insbesondere in stark belasteten Metropolen gefragt sein sollte. Darüber hinaus setzen wir auf den Brennstoffzellenantrieb bei besonders langen und unplanbareren Strecken. Von den so genannten GenH2-Lkw haben wir bereits Prototypen im Praxistest. Und nicht zu vergessen: In bestimmten Ländern und Regionen wird der Dieselmotor noch länger eingesetzt werden. Deshalb entwickeln wir unseren schweren Dieselmotor mit erheblichen Investitionen weiter. Auch das ist Hightech.
Wann und wo wird sich der batterieelektrische Antrieb durchsetzen?
Das Messe-Highlight von Daimler Truck wird bekanntermaßen der eActros LongHaul sein, ein batterieelektrischer Fernverkehrs-Lkw mit einer Reichweite von etwa 500 Kilometern mit einer Batterieladung. Das Fahrzeug soll 2024 serienreif sein. Dazu gibt schon den auf Verteilerverkehr ausgelegten eActros mit einer Reichweite von bis zu 400 Kilometern sowie den eEconic für den innerstädtischen Kommunaleinsatz. Damit sind die Anwendungsfälle praktisch schon beschrieben. Klar ist, dass Batterie-Lkw auf jeden Fall immer dann geeignet sind, wenn sie auf planbaren Routen operieren. Damit diese Lkw zur Massenanwendung werden können, muss allerdings die geeignete Ladeinfrastruktur zur Verfügung stehen. Und nicht zu vergessen: Der Betreiber braucht finanzielle Anreize, damit sich der Kauf lohnt – zum Beispiel über eine CO2-gestaffelte Maut oder Steuererleichterungen.
Warum ist es richtig, bei den alternativen Antrieben auch auf Wasserstoff zu setzen?
Wir bei Daimler Truck und auch ich persönlich sind davon überzeugt. Vor allem wenn es im Fernverkehr über besonders große Distanzen geht und in Regionen, die keine flächendeckende Ladeinfrastruktur aufweisen können, wird der Brennstoffzellen-Lkw seine Stärken haben. Jenseits des Fahrzeugs und des Einsatzgebiets sprechen aber weitere Kriterien für den Wasserstoff: Wie Sie wahrscheinlich wissen, verfolgt Mercedes-Benz Trucks das Ziel, bis 2030 mit lokal CO2-neutralen Neufahrzeugen einen Anteil in Europa von mehr als 50 Prozent zu erreichen. Andere Nutzfahrzeughersteller haben logischerweise ähnliche Ziele. Hochgerechnet auf die gesamte Nutzfahrzeugbranche ist es nach heutigem Stand kaum vorstellbar, dass wenn alle Fahrzeuge rein batterieelektrisch sind ausreichende Mengen an grünem Strom und die entsprechenden Ladekapazitäten bereitstehen. Es braucht also einen alternativen Energieträger – und am besten geeignet ist Wasserstoff. Zumal wir für die Dekarbonisierung der Industrie ohnehin eine gigantische Wasserstoffwirtschaft aufbauen müssen.