Porsche-Chef Oliver Blume (51) hat mit dem elektrischen Taycan derzeit einen Lauf. Doch der Unfall in Berlin mit einem schwarzen Macan und vier Toten vor einigen Tagen hat die Debatte um die Autoindustrie und ihren Beitrag zum Klimaschutz weiter angeheizt.
Im Interview mit der Automobilwoche spricht Blume über Verantwortung gegenüber der Gesellschaft, die Partnerschaft mit dem kroatischen Elektropionier Mate Rimac und warum Porsche ein Ergebnisprogramm braucht.
Herr Blume, wie beurteilen Sie die Proteste gegen die Autoindustrie?
Das ist eine sehr deutsche Diskussion, die es anderswo so nicht gibt. Ich halte es trotzdem für richtig, sich damit auseinanderzusetzen. Bei Porsche haben wir einen guten Weg eingeschlagen, mit dem wir unserer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft gerecht werden können. Wir fahren eine konsequente Nachhaltigkeitsstrategie. Damit kann ich mich voll identifizieren und meine Mitarbeiter auch.
Sägen wir in Deutschland gerade an dem Ast, auf dem wir sitzen?
Die Autoindustrie hat insbesondere in Deutschland eine große Bedeutung für unser Wohlstandsniveau. In der Diskussion sollte berücksichtigt werden, wie viele Menschen hier gute und sichere Arbeitsplätze haben, und wie viel Steuergeld der Staat aus dieser Industrie einnimmt und dann an anderer Stelle einsetzen kann.
Ist der Dialog mit der Politik aus Ihrer Sicht ausreichend?
Generell frage ich in der Regel zuerst, welche Initiative ich ergreifen kann, bevor ich um Unterstützung bitte. Das ist mir auch wichtig im Gespräch mit den Kritikern der Autoindustrie. Dem stelle ich mich gerne. In Baden-Württemberg pflegen wir eine hervorragende Zusammenarbeit mit der Regierung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Zum Beispiel setzen wir uns im Strategiedialog an einen Tisch, um konkrete Themen umzusetzen. Das ist oft kontrovers, aber immer ergebnisorientiert.
Werden Sie ihre Strategie angesichts der aktuellen Diskussion nachschärfen?
Wir haben mit dem Taycan einen Meilenstein gesetzt, mit dem wir technologisch in der Spitze sind. Der Taycan ist der Anfang einer Entwicklung in der Autoindustrie. Porsche ist ein kleiner Hersteller, aber ich sehe uns in einer Vorbildfunktion. Unser Produkt strahlt ab - auch auf das Volumensegment, wo die Elektromobilität schwieriger umzusetzen ist. Der Verbrennungsmotor hat 100 Jahre Entwicklungszeit gebraucht, um dort zu sein, wo er heute steht. Die Elektromobilität dagegen ist nur wenige Jahre alt. Daran lässt sich das Potenzial erkennen.
Die Plattform für den Taycan gibt ja einiges her, was kommt da an Varianten noch?
Der Taycan war ein Einzelprojekt. Nur so konnten wir das Fahrzeug in weniger als 48 Monaten von der Designstudie in die Serie zu bringen. Auf der Taycan-Plattform wird auch der Audi e-tron gefertigt und in Zukunft der Taycan Cross Turismo. Über weitere Möglichkeiten haben wir noch nicht entschieden. Es wird eine nächste Evolutionsstufe geben. Auf der PPE-Plattform, die wir gemeinsam mit Audi entwickeln, sind viele Fahrzeuge denkbar.
Was versprechen Sie sich von der Partnerschaft mit dem kroatischen Elektropionier Rimac für Porsche?
Rimac ist stark im Prototypenbau. Es ist ein kleineres Unternehmen, das schnell, kreativ und innovativ ist. Davon können wir profitieren. Das andere ist, wie Gründer Mate Rimac denkt und agiert. Er stellt den Mitarbeiter in den Mittelpunkt, achtet stark auf Diversität seiner Belegschaft, und führt das Team mit einer unglaublichen Power. Bei einer Partnerschaft kommt es für mich auch darauf an, dass sich beide Seiten stetig herausfordern.
Es geht als nicht nur um Technologie, sondern auch Führung?
Wir sind mit 34.000 Mitarbeitern mittlerweile ein Großunternehmen. Da ist es die Kunst, die Vorteile eines solch agilen Unternehmens wie Rimac zu übertragen, und kleine, schnelle Einheiten zu schaffen. Mate Rimac verschiebt täglich Grenzen und fragt auch bei uns kritisch nach, ob wir richtig unterwegs sind. Das gilt bei technologischen Themen, beispielsweise bei der Reichweite unserer Plug-in-Hybride, bei denen wir vielleicht noch besser sein können. Da kann der eine vom anderen profitieren.
Sind Sie der einzige, der derzeit ein E-Auto profitabel auf den Markt bringt?
Bisher sind nur unsere Spitzenversionen im Angebot. Wir haben den Taycan aber mit einem Durchschnittspreis der verschiedenen Varianten kalkuliert. Generell kostet ein vollelektrisches Fahrzeug rund 10.000 Euro mehr in der Produktion als ein herkömmlicher Verbrenner. Wir sind trotzdem auf einem guten Weg, daraus ein positives Geschäftsmodell zu machen.
Sie haben ein Ergebnisprogramm aufgelegt. Wo stehen Sie derzeit?
Um unser Renditeziel auch weiterhin zu erreichen, müssen wir uns in Form halten. Deshalb verbinden wir mit unserer Strategie 2025 ein Ergebnisprogramm. Dabei geht es nicht nur um Sparmaßnahmen. Ziel ist es auch, neue Ertragsquellen zu erschließen. Wir haben bislang rund 2.000 Ideen gesammelt. Über ein Drittel davon ist bereits zur Umsetzung freigegeben.
Können Sie Beispiele nennen?
Dazu gehört beispielsweise die virtuelle Produktentwicklung, mit der wir die Anzahl von Prototypen reduzieren. Wir haben Entfeinerungen vorgenommen und lackieren keine Schrauben mehr, die man ohnehin nicht sieht. Das wird der Kunde am Fahrzeug überhaupt nicht spüren, aber in der Summe bringt es eine Verbesserung der Kosten. Zudem versuchen wir im Vertrieb und in der Entwicklung Schnittstellen zu reduzieren. Daneben kommen neue Ergebnisquellen im digitalen Bereich hinzu.
Bis 2025 wollen Sie zwei Milliarden pro Jahr holen. Bleibt es dabei, wenn die Konjunktur weiter schwächelt?
Wir beobachten die konjunkturelle Lage genau, sehen aber keine Notwenigkeit, unser Ergebnisprogramm anzupassen. Porsche ist nach mehreren Rekordjahren exzellent aufgestellt. Wir haben in diesem Jahr so viele neue Produkte gebracht wie noch nie in der Geschichte von Porsche – von Porsche 911 Speedster über den Cayenne Coupé bis zum Taycan.
Lässt sich messen, wie viele gänzlich neue Kunden sie gewinnen?
Beim Taycan sind bei den 30.000 Reservierungen tatsächlich Kunden im zweistelligen Prozent-Bereich, die vorher noch nie einen Porsche gefahren sind. Nach der Weltpremiere haben wir in den letzten Tagen noch einmal sehr viel Bewegung gesehen und sind positiv überrascht über die Resonanz. Das werden wir in den kommenden Wochen auswerten. Trotz der hohen Nachfrage legen wir großen Wert auf Exklusivität in der Produktion. Die fahren wir nun sukzessive hoch. Wenn Kunden einmal später bedient werden, kümmern wir uns um sie – etwa mit einem Plug-in-Hybrid-Fahrzeug als Überbrückung.
Kommt jetzt die große Verschnaufpause bei Porsche?
Wir machen das wie auf der Rennstrecke. Da muss man auch dosieren, wo man Vollgas gibt und etwas behutsamer fährt. Wir bleiben auf dem Gas, haben viele Ideen und einen vollgesteckten Produktkalender für die nächsten zehn Jahre. Dabei nehmen wir auch Wünsche von Kunden auf, gerade wenn es um den 911 geht. Auf der anderen Seite tut auch eine Phase von einigen Monaten gut, in der man Prozesse schärft und dann zum nächsten Sprung ansetzt.
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