"Das wird für Ford nicht gut ausgehen"

Der oberste Ford-Chef und langjährige Europachef Jim Farley wird Mitte September für mehrere Tage nach Europa reisen und sich ein Bild von der Lage in mehreren Werken machen. Genau zu diesem Zeitpunkt wird er lautstarken Protest bei der Ford-Belegschaft in Saarlouis zu hören bekommen.

Am 14. September wollen der Betriebsrat und die IG Metall bei einem Aktionstag in Saarlouis eine Zukunftsperspektive für das Werk fordern, bevor es womöglich zu spät ist. Denn nach bisherigem Stand wird im Sommer 2025 der letzte Focus in Saarlouis vom Band laufen - und einen Plan, was dann kommt, gibt es nicht.

Viele in der Belegschaft befürchten bereits den "worst case" und rechnen mit einer kompletten Werksschließung. Das will Betriebsratschef Markus Thal natürlich verhindern. Er ist empört über die Hinhaltetaktik des Unternehmens.

"Wir haben wirklich alle Forderungen des Unternehmens erfüllt - auch wenn es weh getan hat", schildert er im Gespräch mit der Automobilwoche den Stand der Verhandlungen über die Zukunft des Werkes. "Wir haben eine Schicht abgebaut, wir haben der Streichung des C-Max zugestimmt, wir haben mehr als 2000 Mitarbeiter gehen lassen. Und bekommen haben wir dafür bislang gar nichts."

Ende 2018, vor dem Beginn der großen Disruption bei Ford, waren im Werk Saarlouis noch gut 7100 Mitarbeiter beschäftigt. Aktuell zählt die Belegschaft noch gut 5000 Köpfe. Im Verlauf des Jahres wird weiter Personal abgebaut: Rund 600 Leute müssen gehen, 300 davon wurden bislang von der Payroll gestrichen.

"Ich sehen nun wirklich den Punkt gekommen, an dem die Ford-Geschäftsführung in der Pflicht ist", sagt Thal. "Unsere Leute sind in Vorleistung getreten und wollen jetzt endlich wissen, wie es ab 2025 weitergeht. Wir brauchen eine Zukunftsperspektive - und zwar nicht erst im nächsten Jahr, sondern jetzt."

Tatsächlich wird die Situation mit jedem Quartal schwieriger für die Belegschaft. Aktuell liegt die Tagesbaurate für den Focus in Saarlouis noch bei etwa 1000 Einheiten - wenn nicht wegen Chipmangels gerade wieder Kurzarbeit angesagt ist. Doch Thal weiß: "Dieses Volumen wird immer kleiner, das ist der normale Lebenszyklus bei jedem Modell."

In einer "Arbeitsgruppe Zukunft" spreche der Betriebsrat seit langem mit der Geschäftsleitung über die künftige Entwicklung, so Thal. "Da wurde bislang aber praktisch nur über den Abbau von Personal geredet. Das werden wir nun nicht mehr hinnehmen, wir wollen auch Perspektiven für die Zukunft."

Die Belegschaft habe bislang immer verhandelt, doch das werde wohl nicht mehr ausreichen, befürchtet Thal. "Wir werden das Werk nicht kampflos aufgeben. Glaubt nicht, dass eine Werksschließung für Ford gut ausgehen würde!", droht er.

Ganz so bedrohlich ist der Protest freilich vorerst noch nicht: Am 14. September wollen die Fordianer am Nachmittag nach Schichtende auf dem Großen Markt in Saarlouis eine Zukunft für Ford in Saarlouis einfordern.

"Wir brauchen eine sichere Zukunft für die Belegschaft, den Industriepark und für diese Region", sagt Helmut Riehm, Vorsitzender der IG Metall-Vertrauensleute bei Ford Saarlouis. "Das geht nur mit einer Zusage des Ford-Management zum Standort Saarlouis mit neuen Technologien."

Doch was könnte in Saarlouis ab 2025 gebaut werden? Den Arbeitnehmervertretern ist klar, dass ihre Zukunft elektrisch ist. Der Autobauer hat sich das Ziel gegeben, ab 2030 in Europa nur noch rein batterie-elektrische Autos zu verkaufen.

Doch wer das E-Auto für Ford in Deutschland auf Basis des Modularen Elektrobaukastens von VW bauen wird, steht schon fest: das Werk in Köln. Der US-Autohersteller investiert dafür in den kommenden zweieinhalb Jahren eine Milliarde Dollar. Schon Anfang 2023 soll dort die Produktion des ersten rein europäischen Elektromodells von Ford beginnen. Elektrische Komponenten liefert dann der Zulieferer Marelli direkt aus der unmittelbaren Nachbarschaft in Köln-Niehl.

Ford in Saarlouis bräuchte also ein zweites Elektromodell - doch das ist keineswegs in Sicht. Auch eine Degradierung zum Komponentenwerk wäre für Saarlouis keine sichere Bank - und ohnehin wäre diese Kapazität nur dann nötig, wenn Ford mehr als ein E-Modell in Deutschland bauen würde.

Betriebsratschef Thal setzt daher auf die politische Power aus dem Saarland. Mit hochkarätigen Politikern wie Annegret Kramp-Karrenbauer (aus Völklingen), Heiko Maas (aus Saarlouis) und Peter Altmaier (lebt in Saarlouis) ist das kleine Bundesland bestens in der Bundespolitik verankert. Doch ob das wirklich hilft? "Irgendeiner davon wird in der Bundespolitik übrig bleiben und uns unterstützen", hofft Thal.

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