Herr Gietl, welche Bedeutung haben klassische Automessen wie IAA, Genf oder Detroit aus Sicht eines Markenexperten noch für Automarken?
Sie werden weiter wichtig bleiben, aber in einer neuen Rolle, so wie sich die Rolle des Automobils verändern wird. Reale Markenkontaktpunkte mit realen Produkten werden auch in Zukunft eine Rolle spielen, vielleicht sogar mehr denn je. Aber es wird noch weniger reichen, Menschen auf Messestände zu locken, um sich in nicht fahrende Produkte zu setzen und den neuen Geruch der Automobile zu erleben.
Sehen Sie nach wie vor gute Gründe für eine kostspielige Präsenz dort?
Ja. In unserer gesättigten, wettbewerbsintensiven Welt wird es immer wichtiger, differenzierte Angebote erleben zu können. Menschen kaufen längst nicht mehr das was, sondern das wie und warum. Es geht also darum, Menschen einen Blick hinter die Kulissen zu geben und sie erleben zu lassen, aus welchem Grund welche Produkte und Services wie entwickelt wurden, welche Menschen dahinter stehen und welch unglaubliche Innovationen für Entertainment, Bequemlichkeit und Spaß sorgen. Das lässt sich auf einem Messe-Event hervorragend spielen.
Das klassische Messeformat hat also noch Zukunft?
Ob es eine klassische Messe bleibt, bleibt abzuwarten. Wichtig ist, dass es der IAA nicht geht wie der Cebit. Aufgrund schwindender Besucher und Aussteller hat sich diese Messe seit dem Peak Anfang des Jahrtausends jährlich neu erfunden, statt sich eine zukunftsfähige Positionierung zu geben und diese über die Jahre konsequent zu leben.
Welche besseren Alternativen haben Autobauer heute, um auf ihre Marke aufmerksam zu machen?
Es geht nicht um besser oder schlechter, es geht um passende Alternativen. Je nach Situation, je nach Ziel und je nach Thema Fokus zu verlieren. Es wird Autobauer geben, zu deren Marke und zu deren Zielen es gegebenenfalls. nicht mehr passt, eine Messe zu bespielen. Egal ob Erlebnisse bei Probefahrten, in zukunftsfähigen Autohäusern, in Outlets in der Innenstadt oder wo auch immer: die Alternativen sind breit, aber die Passung zur Marke, zum Publikum und zu den jeweiligen Zielen muss stimmen.
Was sollten Automesse-Veranstalter ändern, damit die Rahmenbedingungen für die Aussteller noch stimmen?
Automesse-Veranstalter müssen die Messe als Gesamterlebnis betrachten. Von der Ankunft bis zur Abreise. Die gesamte Reise der Kunden entlang der Messe muss stimmen. Und ich muss Mobilität und die dazugehörigen Produkte integriert erleben können.
Die Messe ist längst keine Schau mehr, sondern es geht darum, Innovationen erlebbar zu machen. Hier sind die Vorbilder der Digital- und Entertainment Events sicher guteBeispiele. Und sie müssen sich mit den Knappheiten der Millenials auseinandersetzen. Was wollen die Kunden von heute wirklich erleben. Warum sind sie, wie sie sind.
Eine Automesse ist heute kein losgelöster, einzelner Event mehr. Er kann zum Treffpunkt der Mobilitätscommunity werden, die durch alle Mobilitätsangebote, vom Roller über das Fahrzeug, den UBER-Flugtransport bis zur Bahn bespielt werden. Sie müssen die Community und die Angebote vernetzen, sie müssen Besucher Chancen geben, sich selbst zu inszenieren und sie müssen optimistische Zukunftsbilder über dieMobilität von morgen liefern. Dann werden auch junge Zielgruppen zu solchen Events pilgern. Ob solche Events noch echte Pilgerstätten für Automaniacs bleiben, bleibt abzuwarten.
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