Streetscooter Reloaded: 20.000 im Blick

Wieder einmal hat Günther Schuh die Autobranche überrascht: Der Mitbegründer des Aachener Elektrotransporter-Herstellers Streetscooter hat das Entwicklungsgeschäft des insolvent gegangenen Betreiberunternehmens Nob zum Jahresbeginn übernommen und will Streetscooter zu neuem Glanz führen. Ein Nachfolgemodell für den betagten Ursprungs-Streetscooter ist weit fortgeschritten. Zudem will Schuh mit einem neuen Modell in ganz andere Größenordnungen bei der Produktion vorstoßen.

Die notwendige finanzielle Sicherheit hat sich Schuh nach eigenen Angaben durch einen Vertrag mit der Deutschen Post/DHL gesichert. "Wir haben mit der DHL Group vereinbart, bis zum 30. Juni diesen Jahres 700 Einheiten des aktuellen Streetscooter zu fertigen und auszuliefern", sagt Schuh im Gespräch mit der Automobilwoche. Hinzu komme eine mögliche zusätzliche Bestellung von 60 Fahrzeugen. "Im zweiten Halbjahr wollen wir die selbe Anzahl produzieren, sodass wir im Gesamtjahr auf rund 1500 Fahrzeuge kommen werden, die unser Auftragsfertiger Neapco in Düren herstellt."

2025 sollen dann rund 2000 Streetscooter-Einheiten gebaut werden, bevor dieses Modell im Jahr 2026 auslaufen wird und durch ein neues Modell ersetzt wird. Der vorläufige Name des Nachfolgers lautet "Neo", denn die DHL habe leider beim Verkauf der Assets an seine e.Volution GmbH nicht die Namensrechte an Streetscooter mitverkauft, räumt Schuh ein. "Für unsere Zielgruppen ist das aber nicht entscheidend", fügt er hinzu. Bislang wurden 95 Prozent aller 22.000 hergestellten Streetscooter an die DHL-Group ausgeliefert, einige Einheiten gingen auch an Kommunalverwaltungen, beispielsweise an die Stadt Bonn.

Der neue E-Transporter mit dem Arbeitstitel "Neo" werde bis Ende 2025 fertig homologisiert sein, hofft Schuh. Mit der Auslieferung will der Hochschul-Professor und Experte für Produktionstechnik dann 2026 starten, im ersten Jahr soll Neapco in Düren rund 4000 Einheiten produzieren. Überschäumende Produktionsziele verfolgt Schuh damit aber nicht: 2027 seien 5000 Einheiten angepeilt, 2028 5500 bis 6000 Einheiten. "Wir werden mit den Füßen auf dem Boden bleiben", versichert Schuh. Auch eine Expansion nach Nordamerika oder Asien stehe nicht auf der Agenda. Solche hoch fliegenden Pläne hatte Streetscooter noch kurz nach dem Start der Produktion im Jahr 2010 gehabt.

Eine neue Ära für das dahinter stehende Unternehmen e-Volution soll dann ein ganz anderes Modell einläuten. Der "Space" ist ein elektrisch angetriebenes SUV mit einem Range Extender. Die Energie für den Reichweiten-Verlängerer soll zunächst ein Gas-Verbrenner liefern, später einmal eine Brennstoffzelle. Den "Space" will Schuh auch "im Raum Aachen-Düren" fertigen; wo und wie genau, stehe aber noch nicht fest. "Wir planen derzeit mit rund 20.000 Einheiten pro Jahr, mehr aber nicht."

Er wolle und könne mit e-Volution nicht mit den Großserienherstellern konkurrieren, betont Schuh. "Ich trete nicht gegen die Großen an, sondern gewissermaßen als Pfadfinder. Die Automobilindustrie erklärt immer wieder, sie sei so innovativ, aber tatsächlich wagt sie sehr selten einen Bruch mit dem Bewährten. Das gilt besonders für die Produktionstechnik. Ich bewundere in dieser Hinsicht Elon Musk, der grundsätzlich alles in Frage stellt."

Schuh verfolgt ein anderes Anliegen, das die etablierte Autobranche aber letztlich noch mehr herausfordern könnte als Produktionsrekorde: "Mein Ziel ist es nach wie vor, das nachhaltigste Auto der Welt zu bauen - und zwar nicht nur, weil unsere Fahrzeuge elektrisch angetrieben werden, sondern auch, weil sie extrem langlebig und immer wieder erneuerbar sein werden. Mein Traum ist es, ein Autoleben mindestens zu verdreifachen - vielleicht sogar zu vervierfachen auf rund 50 Jahre."

Aus dem Datencenter:

Entwicklung der reinen Elektroautos in Deutschland bis Dezember 2023