Es ist eine im Handel durchaus beliebte Vermutung: Der Agenturvertrieb, auf den viele Autohersteller ihre Vertriebsnetze derzeit umstellen, ist vor allem deshalb beliebt, weil die Hersteller darin eine Möglichkeit sehen, Vertriebskosten zu senken. In einer aktuellen Studie beziffert die Strategieberatung Strategy&, die zur Unternehmensberatung PwC gehört, das Einsparpotential für OEM nun auf bis zu zehn Prozent der Vertriebskosten.
Schwere Kost für Händler
Die Unternehmensberatung Strategy& hat in einer Studie die Einsparpotentiale im Agenturvertrieb sowie die Verdienstpotentiale für Hersteller und Handel beziffert. Vor allem mit den Vorschlägen zur Provision und den Prognosen zur Entwicklung des Händlernetzes dürften viele Händler nicht glücklich sein.
Allerdings handelt es sich dabei laut Studie um einen Höchstwert, der vom konkreten Agenturmodell und der damit verbundenen Risikobereitschaft des Herstellers abhängt, zukünftig Vertriebsaufgaben selbst zu übernehmen. Bedeutet: Die zehn Prozent lassen sich am ehesten mit der Einführung eines echten Agenturmodells erreichen, wie es etwa Mercedes-Benz in Deutschland für 2023 plant.
Dieses ist nach Ansicht der Studienautoren aber beileibe nicht immer die beste Lösung: "Das echte Agenturmodell ist nicht für alle Märkte geeignet", sagt Marcus Hoffmann, Partner bei Strategy&. Die jeweilige Lösung müsse zu Markt und Marke passen, ergänzt Andreas Gissler, ebenfalls Partner bei Strategy&. "Der Wechsel in die echte Agentur fällt Luxus- und Premiummarken leichter als Volumenmarken, da einerseits das Risiko, Verkaufsvolumina zu verlieren, und andererseits die Notwendigkeit, die Händler bzw. Agenten risikofrei zu stellen, für Premiummarken deutlich überschaubarer ist als für Volumenmarken", so Gissler.
Das Risko Verkaufsvolumina zu verlieren rührt vor allem daher, dass Push-Mechanismen wie etwa Tageszulassungen und Verkaufshilfen verloren gehen, mit denen viele Volumenmarken ihre Zulassungszahlen nach oben treiben. Ein erheblicher Teil der Kosteneinsparungen rührt nach Ansicht der Studienautoren aber gerade daher, dass die bisherige Rabatt-Praxis eingedämmt wird. Für das unechte Agenturmodell beziffert die Studie das Rabatt-Senkungspotential auf 0,25 bis 0,50 für das echte Agenturmodell auf 1,25 bis 2,5 Prozent.
Mit dem Wechsel in die Agentur sei zudem ein merklicher Anstieg der Umsatzrendite möglich. Allerdings profitieren hierbei vor allem die Hersteller mit einem Plus von 0,5 Prozent im unechten und 3,0 Prozent im echten Agenturmodell. Die Händler können laut Studie höchstens mit plus 0,1 bis 0,3 Prozent im unechten und plus 0,5 bis 1,0 Prozent im echten Agenturmodell rechnen.
Als Agenturprovision für die Händler hält Strategy& dabei 3,5 bis 5,5 Prozent im unechten und 5,5 bis 7,5 Prozent im echten Agenturmodell für angemessen und auch ausreichend, um am Ende mehr zu verdienen als bisher. "Ein Agentursystem führt im Idealfall dazu, dass der Händler am Ende mehr verdient als zuvor", sagt Hoffmann. Mit ihren Provisionsvorschlägen dürften die Autoren im Handel auf erheblichen Widerspruch stoßen. Dort befürchtet so mancher, dass etwa die geplanten 6,5 Prozent Provision bei Mercedes Händler zum Aufgeben zwingen könnten.
Auch die vier Prozent fixe Provision im Agenturmodell von VW gelten im Handel allgemein als zu wenig. Dort ist allerdings ein duales System aus Händlervertrag plus Agenturvertrag für die E-Modelle im Einsatz. Von derartigen Konstruktionen raten die Studienautoren explizit ab: "Bei dualen Modellen aus Händlervertrag in Kombination mit einem Agenturvertrag lassen sich kaum Synergien heben", sagt Gissler. Zudem hätten Händler keinen Anreiz ein Agenturfahrzeug zu verkaufen, wenn nebenan ein Modell im Händlersystem stehe, das in der eigenen Bilanz auftaucht.
Mit dem Wechsel zum Agentursystem prognostizieren die Autoren zudem noch einmal eine deutliche Konsolidierung der Händlernetze. Grund sei ein auf 25 bis 30 Prozent ansteigender Anteil an Online-Verkäufen im Neuwagenbereich. "Das ist ein einfacher Dreisatz: Mehr Online-Handel bedeutet weniger Fahrzeuge im klassischen Vertriebskanal. Das wiederum bedeutet, dass es weniger Betriebe geben muss, wenn alle Händler weiterhin gleich viel Geld verdienen sollen", sagt Hoffmann. Eine "Optimierung" des physischen Vertriebsnetzes von fünf bis sechs Prozent pro Jahr sei unabdingbar, um auch künftig profitable Handelspartner zu haben. Keine guten Aussichten für Händler.
Aus dem Datencenter: