Der Zulieferer ElringKlinger muss sich in diesem Jahr mit einer mickrigen Marge von zwei bis drei Prozent zufriedengeben. Konzernchef Stefan Wolf spricht im Interview über die Lage bei den Zulieferern angesichts der Kostenexplosionen bei Energie und Material, über die Stärke Chinas bei der E-Mobilität und das Potenzial der Brennstoffzelle.
Herr Wolf, wie schneidet ElringKlinger in diesem Jahr ab?
Wir rechnen operativ mit zwei bis drei Prozent Rendite in diesem Jahr. Das ist in einer solch schwierigen Situation ein durchaus passables Ergebnis. Viele andere werden tatsächlich in die roten Zahlen rutschen.
Was sind die Hauptgründe dafür?
Der Hauptgrund sind die hohen Rohstoff-, Energie- und Logistikkosten. Hinsichtlich der Energiekosten bekommen viele Verbraucher die Nebenkostenabrechnung nur einmal im Jahr und werden im nächsten Frühjahr ein böses Erwachen erleben. Wir zahlen monatlich und sehen den Anstieg zeitnah. Die Kosten sind extrem nach oben gegangen.
Können Sie Beispiele nennen?
Es ist ja nicht nur die Energie. Die Kosten für Kunststoffgranulat etwa haben sich drastisch erhöht, Stahl war in der Spitze dreimal so teuer wie zuvor. Aluminium bleibt auf hohem Niveau. Und alle anderen, die uns zuliefern, versuchen die höheren Kosten auch weiterzugeben.
Wie wollen sie das kompensieren?
Wir versuchen, von den Herstellern Kompensation für die Kostensteigerungen zu bekommen. Das Verständnis ist da. Aber es gelingt natürlich nicht zu 100 Prozent, weil da alle auf der Matte stehen. Ich habe in den letzten 25 Jahren, in denen ich in dieser Industrie bin, noch nie solche massiven Kostensteigerungen erlebt.
Wird das existenzbedrohend?
Im ersten Halbjahr 2023 werden wir viele Insolvenzen sehen, weil die Unternehmen ihre Stromrechnungen nicht mehr bezahlen können. Erste Beispiele haben wir ja schon. Und es werden weitere dazukommen.
Wir Verbraucher müssen kräftig sparen, machen Sie das auch?
Wer als Verbraucher bisher im Feinkostladen gekauft hat, kann jetzt zum Discounter gehen. Bei einem Unternehmen ist das nicht so einfach. Bei metallischen Dichtungen etwa handelt es sich um einen spezifizierten, vom Kunden freigegebenen Edelstahl. Wenn ich das ändern will, muss ich neues Material suchen und freigeben lassen. Das dauert – und der Hersteller will die Kostensenkung im Zweifel auch haben. Es führt also nicht zu dem Ergebnis, das wir haben wollen.
Wird das Konsequenzen für die Beschäftigung haben bei ElringKlinger?
Wir haben derzeit keine Pläne für einen Stellenabbau. Wir planen, die Produktion in Langenzenn zu schließen, weil wir hier eine Konsolidierung vornehmen mussten. Die Märkte haben sich verstärkt durch die Corona-Pandemie deutlich verändert. Die Fertigung wird in die Schweiz und nach Ungarn verlagert. Es ist in den 25 Jahren, in denen ich im Konzern bin, das erste Mal. Ich bedaure dies sehr, aber wir müssen uns hier neu aufstellen. Die Entwicklungsbereiche bleiben aber standortnah erhalten.
Sie haben mal eine zweistellige Zielrendite ausgegeben, das ist heute weit entfernt, oder?
Die Situation war so ja nicht absehbar. Die Jahre 2020 und 2021 waren von der Corona-Pandemie geprägt, mit allen Auswirkungen beim Umsatz. Das hat uns mit Wucht getroffen. Für 2022 haben wir mit einer Aufwärtsbewegung gerechnet, aber dann kam der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, der die gesamte Weltwirtschaft und alle Lieferketten noch einmal durcheinander gebracht hat. In der Rückschau war dieser Schlag mit der folgenden Energie-Krise deutlich schlimmer als die Pandemie.
Das alles trifft auch noch auf sinkende Produktionszahlen.
Wir sind in diesem Jahr in Deutschland bei einer Produktion von voraussichtlich nur noch 3,3 Millionen Fahrzeugen, es waren mal fast sechs Millionen. Die Stückzahlen fehlen in ganz Europa und damit die Skaleneffekte. Da stimmen die Kalkulationen der Zulieferer nicht mehr. Das kommt noch hinzu. Es ist also eine Vielzahl an komplexen Problemen, mit denen wir umgehen müssen.
Viele E-Autos werden in China hergestellt. Wie wirkt sich das aus?
Für uns als global aufgestellter Zulieferer ist das überschaubar, weil wir vier Werke in China haben und dies durch Geschäft mit den dortigen Herstellern ausgleichen können. Aber klar ist, dass viele batterieelektrische Fahrzeuge in Zukunft von China nach Europa exportiert werden. Das hat auch damit zu tun, dass China bei der Technologie mit an der Spitze ist.
Das heißt, die Strategie Chinas ist voll aufgegangen?
Genau. Sie sind viele Jahre auf allen möglichen Fachkongressen förmlich in die Motoren hineingekrochen, um beim Verbrenner wettbewerbsfähig zu werden. Als die Elektromobilität aufkam, sind sie umgeschwenkt und heute sehr gut und innovativ dort unterwegs. Ich bin sicher, dass die chinesischen Hersteller auch in Europa Fuß fassen werden. Deshalb ist es gut, dass wir dort schon seit vielen Jahren präsent sind.
Müsste Europa beim Import größere Hürden aufbauen, wie es etwa Stellantis-Chef Carlos Tavares fordert?
Ich kann nicht für Stellantis sprechen, aber China lässt ja Importe durchaus zu. Die ganzen Oberklasse-Fahrzeuge etwa von Mercedes oder auch Porsche werden ja hier in Deutschland gebaut und dort verkauft. Ich bin grundsätzlich für einen freien Welthandel und gegen Protektionismus. Die chinesischen Autos, die nach Europa kommen, sind ja meist im unteren und mittleren Segment angesiedelt. Aber wenn sie gut sind, werden sie hier auch eine Rolle spielen.
Aber setzen diese Hersteller nicht verstärkt auf chinesische Zulieferer?
Das ist so. Aber genau deswegen ist es wichtig, dass wir uns als deutsches Unternehmen auf technisch herausragende Produkte und Innovationen konzentrieren, die es eben nur bei uns zu kaufen gibt. Das war streng genommen schon immer so. Kritisch sehe ich eher den zu schnellen Ausstieg aus dem Verbrenner in Europa.
Inwiefern?
Das war eine tragende Industrie und Säule für Millionen von Arbeitsplätzen. Das geben wir ohne Not gerade auf. Denn Länder wie China oder die USA, die im Verhältnis deutlich mehr CO2 ausstoßen, behalten die Technologie deutlich länger. Auch in Indien gibt es keine konkreten Ausstiegsszenarien. Dagegen werden wir mit dem Ausstieg 2035 unsere Industrie hart treffen. Und die Verbrenner werden dann in China, USA oder Südamerika gebaut.
Was sagen Sie zum Entwurf für die Euro-7-Schadstoff-Norm?
Das muss man sich jetzt im Detail anschauen. Klar ist: Wir brauchen das Geld aus den Verbrenner-Fahrzeugen, um die Innovationen für neue Antriebstechnologien wie Batterie oder Brennstoffzelle zu finanzieren. Es würde also kein Sinn machen, hier nochmals unverhältnismäßig viel Geld investieren zu müssen, um die Motoren über die Euro 7-Hürde zu bekommen.
Sie haben sich früh auf Batterie und Brennstoffzelle eingestellt. Aber verdient man damit auch Geld?
Wir haben hier jeweils eine führende Technologie, aber die Stückzahlen sind noch zu klein, um damit Geld zu verdienen. Das wird aber kommen, da bin ich überzeugt. Sowohl bei den Systemen als auch den einzelnen Komponenten. Wir starten zum Beispiel nächstes Jahr mit den Zellkontaktiersystemen für die Fabrik eines globalen Batterieherstellers in Thüringen. Manchmal können auch kleinere Projekte wie das Batteriesystem für den Super-Sportwagen von Anton Piech lukrativ sein. Bis 2030 wird unser Umsatz hier deutlich steigen.
Hat die Brennstoffzelle das größere Potenzial?
Auch hier haben wir ein klares Ziel beim Umsatz von 700 Millionen bis einer Milliarde Euro im Jahr 2030. Das halte ich auch für realistisch. Wir machen Stacks und wir machen anspruchsvolle Komponenten wie Bipolarplatten. Da wird es einen riesigen Anwendungsbereich geben von Nutzfahrzeugen über Bahn und Schiffe bis hin zu Flugzeugen, wo wir ja mit Airbus zusammenarbeiten. Mittelfristig gehe ich davon aus, dass wir die Brennstoffzelle auch in großen SUVs sehen werden. Aber wir werden auch mit Verbrenner-Motoren noch gute Geschäfte machen bis ins Jahr 2050 und daher diese Technologie weiter entwickeln.
So lange?
Ich glaube, dass wir ab 2024 wieder ein Wachstum sehen, auch bei den Verbrennungsmotoren. Und ich bin überzeugt, dass es in Europa vor dem Verbot in den Jahren 2032, 33, 34 eine absolute Sonderkonjunktur für Diesel und Benziner geben wird. Viele Menschen werden sich dann noch einmal ein Auto kaufen und dieses sechs bis acht Jahre fahren. Ob damit das CO2-Problem gelöst wird, wage ich zu bezweifeln, weil die Zahl der Verbrenner nochmals deutlich zunehmen könnte. Und es gibt ja noch andere Regionen wie Lateinamerika oder Indien.
Zu einem anderen Thema. Ihnen wurde vorgeworfen, eine Haushaltshilfe schwarz zu beschäftigen. Was sagen Sie dazu?
Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich mich zu den persönlichen Dingen aus dem Medienbericht nicht äußern werde.
Und der raue Umgang mit Mitarbeitern bei der Werkschließung in Langenzenn?
Da wurde mir vorgeworfen, zwei Jahre lang nicht in der Produktion gewesen zu sein und mit den Leuten gesprochen zu haben. Das war ich auch hier in Dettingen nicht, und zwar wegen Corona. Selbst die Arbeitsagentur hat den in Langenzenn beschlossenen Sozialplan übrigens als „großzügig“ bezeichnet. Es geht auch hier um persönliche Befindlichkeiten. Ärgerlich ist nur, wenn bei Google ElringKlinger nun im Zusammenhang mit Lohndumping auftaucht. Denn das ginge bei uns gar nicht. Wir sind ja im Metall-Tarif.
Hat die Geschichte persönlich Spuren hinterlassen?
Dass Leute ihrem Arbeitgeber gegenüber so auftreten, die ja noch hier beschäftigt sind, hat mich schon getroffen. Es ist der Sache auch nicht dienlich. Wir haben uns die Entscheidung mit Langenzenn sicher nicht einfach gemacht. Aber manchmal hat man im Sinne des ganzen Unternehmens keine andere Wahl.
Aus dem Datencenter: