"Europa hat Zukunft als digitaler Brückenbauer"

Mitten in der Corona-Pandemie hat im vergangenen November Marianne Janik eine Schaltstelle in der digitalen Wirtschaft Deutschlands besetzt: Sie ist Vorsitzende der Geschäftsführung von Microsoft Deutschland und damit Chefin von gut 3000 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen.

Die Automobilbranche kennt Janik gut - denn ihren Berufsstart hatte die gelernte Juristin bei Daimler-Benz im Bereich Public Affairs.

Bei einer Gesprächsrunde der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung Düsseldorf (WPV) erläuterte Janik jetzt, warum die weltweite Pandemie ein Treiber für mehr digitale Prozesse ist und warum Unternehmen aller Branchen sich diesem Trend kaum verschließen können.

"Was wir derzeit erleben, ist im Grunde der Durchbruch der vierten industriellen Revolution, die gekennzeichnet ist durch digitales Know How, globale Vernetzung und eine remote-everthing-Entwicklung" sagte Janik.

"In allen Kundengesprächen der letzten Zeit habe ich gehört, dass die Unternehmen deutlich schneller ihre Digitalisierungsprozesse vorantreiben wollen, deutlich schneller zu Ergebnissen kommen wollen und dass sie dabei den Datenaustausch für sehr wichtig halten. Es entstehen neue digitale Ökosysteme."

Diese blieben anders als bisher keine weitgehend isolierten Inseln, sondern würden sich immer tiefer vernetzen. "Wer diese Datenflüsse zu nutzen versteht und daraus Geschäftsmodelle ableitet, wird in der vierten Industriellen Revolution Erfolg haben", ist Janik überzeugt.

In Deutschland sei diese Erkenntnis durchaus vorhanden, doch hapere es an der Umsetzung in konkrete Projekte. "Wir haben in Deutschland kein Erkenntnisdefizit. Aber wir haben ermittelt, dass bislang in Deutschland rund 90 Prozent aller Daten ungenutzt bleiben."

Die Microsoft-Chefin weiß um die jurisitischen und gesellschaftlichen Diskussionen, die gerade in Deutschland jeder Datennutzung entgegenstehen. Doch sie hat dazu eine klare Haltung: "In Deutschland wird vielfach Datensparsamkeit oder gar Datenenthaltsamkeit propagiert. Dabei wird oft nicht berücksichtigt, welch hohes Innnovationspotenzial in der Nutzung von Daten steckt."

Viele Unternehmen und nicht zuletzt auch die staatlichen Verwaltungen müssten deutlich offener gegenüber der Nutzung längst vorhandener Daten werden, rät Janik. "Die Digitalisierung ist sicher kein Allheilmittel. Aber sie ermöglicht eine Vielzahl neuer Geschäftsmodelle, effizienter Prozesse und smarter Lösungen in nahezu allen Bereichen."

"Deutschland hat ganz sicher einen Nachholbedarf bei der Digitalisierung. Dänemark zum Beispiel hat schon vor 15 Jahren eine staatliche Digitalstrategie entwickelt." Auch in Frankreich sei die Gesellschaft generell offener gegenüber technologisichen Neuerungen. "In Deutschland herrschen zudem häufig noch Vorbehalte, wenn es um Entwicklungen geht, die nicht in Deutschland ihren Beginn haben. Ich nenne das das Not-invented-here-Syndrom."

Was sie aber positiv stimme sei die Bereitschaft in Deutschland, jetzt massiv aufzuholen. Europa sieht Janik dabei in einer günstigen Position, um diesen Prozess der Digitalisierung maßgeblich mitzugestalten. "Europa hat eine lange Tradition als Brückenbauer. Und die EU ist auch ein starker Datenraum. Dies zusammengenommen könnte ein Erfolgsmodell werden."

Diese Offenheit gegenüber der Nutzung von Daten könne aber kein Freibrief sein für die Aufgabe von Privatheit und die persönliche Hoheit über private Daten, betonte Janik. "Das ist ein zentrales Thema. Es sollte einen weltweiten Standard geben für ein 'privacy shield.'" Wenn dies nicht besteht, wird sich eine Grauzone bilden, die weiter wächst."

In diesem Zusammenhang seien die Gespräche zwischen den USA und der EU über digitale Rechte sehr wichtig. Eine Einigung zeichnete sich dabei zuletzt aber nicht ab.

Microsoft selber gehe mit Anfragen von Regierungen in Bezug auf Daten von Unternehmen und Privatpersonen sehr restriktiv um, betonte Janik. "Wir haben uns verpflichtet, solche Anfragen in der Regel anzufechten."

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