Offensive Produktionsmaschine

Mit dem taiwanischen Unternehmen Foxconn rückt immer häufiger ein Unternehmen in das Blickfeld der Automobilindustrie, das sich zuvor als Auftragsfertiger für die Smartphone-Branche einen Namen gemacht hat. So soll Foxconn mit Volkswagen wegen eines Werks für die neue Marke Scout sprechen und würde damit zum Wettbewerber für den Auftragsfertiger Magna Steyr werden, wie die Automobilwoche berichtete. Peter Fintl, Vice-President Technology & Innovation bei Capgemini, ist jedenfalls davon überzeugt, dass Foxconn zu einem Wettbewerber für klassische Auftragsfertiger wie die Grazer oder das finnische Unternehmen Valmet wird.

„Foxconn geht davon aus, dass sie Fahrzeuge – nicht nur solche auf ihrer eigenen neuen Plattform – effizienter fertigen können als etablierte Spieler mit ihren derzeitigen Konstruktionen. Aus meiner Sicht ist dies für eine ‚Produktionsmaschine‘ wie Foxconn durchaus machbar. Magna und Foxconn könnten sich um den Auftrag ein hartes Bieterrennen liefern. Es ist kein Geheimnis in der Branche, dass Magna für ein Werk in Nordamerika einen Lead-Kunden sucht“, sagt Fintl.

Und Magna hat seine Stärken. Das Unternehmen sei viel mehr als nur ein Auftragsfertiger. „Magna ist nicht nur Komponentenfertiger, sondern auch ein fähiger Entwicklungspartner“, erklärt Fintl. Der Konzern könne komplette Fahrzeuge entwickeln und werde in der Branche als sogenannter Tier 0,5 gesehen.

Für den Capgemini-Manager werden durch die E-Mobilität die Karten sprichwörtlich „neu gemischt.“ Diese Technologie erfordere neue Fertigkeiten aus anderen Industrien wie der Elektronik- oder Softwarebranche, um E-Autos auf die Straße zu bringen. Und sie habe eine Reihe von neuen Spielern auf den Plan gebracht, in diesen Markt einzutreten. „Einige davon wollen aber nicht nur ein neues Auto bauen. Sondern sie wollen eine flexible Plattform beziehungsweise Baukastenlösungen entwickeln, um andere Marktteilnehmer damit zu versorgen. Sie denken damit nicht nur an Fahrzeug-, sondern auch Produktionstechnologie. Diese Thematik geht Foxconn in dieser Breite einzigartig an.“

Foxconn sei als führender Fertigungspartner im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie ein finanzstarkes Schwergewicht der Branche. „Der Konzern ist aber auf der Suche nach neuen Wachstumsmärkten in anderen Industrien außerhalb seines Kernbereichs.“ Dabei habe Foxconn die Mobilitätsindustrie und alles, was um das klassische Fahrzeugsystem herum angesiedelt ist, als einen extrem vielversprechenden Markt identifiziert, so Fintl.

Beim taiwanesischen Riesen sei man davon überzeugt, dass es beim softwaredefinierten elektrischen Fahrzeug noch eine Lücke für ein Unternehmen gibt, welches eine umfassende Basisplattform anbietet, bestehend aus: Hardware, also Chassis, Antriebsstrang, Body und der gesamten Elektronik sowie einem dazugehörigen Software-Ökosystem. Hier engagiere sich der Konzern in der taiwanesisch geprägten Mobility-in-Harmony-Initiative. Auf dieser MIH-Plattform könnten zukünftige Kunden ihre Fahrzeuge rasch realisieren beziehungsweise die Entwicklung gleich bei Foxconns Sparte Foxtron Vehicle Technologies in Auftrag geben. Zudem sehe sich Foxconn als zukünftiger lokaler Fertigungspartner mit Werken in allen relevanten Märkten.

Wie ernst es das Unternehmen mit seinen Automobilambitionen nimmt, machte der Konzern kürzlich deutlich. Im Oktober 2022 hat Foxconn auf seinem Hon Hai Tech Day zwei neue E-Autos vorgestellt, einen Pickup sowie einen Cross-Over Hatchback. Damit hat der Konzern neben SUV, Limousine und Stadtbus nun insgesamt fünf Modelle unter der Marke Foxtron präsentiert, die auf der offenen MIH-Plattform des Unternehmens basieren. Daran sind vor allem taiwanesische Zulieferer, aber auch deutsche Unternehmen wie der Entwicklungsdienstleister FEV beteiligt.

Foxconn plant, innerhalb weniger Jahre 35 Milliarden Dollar Umsatz mit seinen Automobilaktivitäten zu erzielen. Zur Einordnung: Zuletzt hatte der Konzern rund 215 Milliarden Dollar Umsatz erzielt. Um seine Automobilambitionen zu forcieren, hat das Unternehmen damit begonnen, bei Zulieferern einzusteigen. Dazu gehört beispielsweise der chinesische Hersteller von Elektromotoren Hengdrive sowie ein Investment in den taiwanesischen Halbleiterhersteller Taisic Materials, einem Experten für Siliziumcarbid-Substrate. In Ohio hat Foxconn 2021 zudem das Werk von Lordstown Motors, einer ehemaligen GM-Fabrik, übernommen. Im Jahr 2023 plant Foxconn dort das Modell Pear für den E-Fahrzeughersteller Fisker zu fertigen.

„Das enorme Fertigungs-Know-how sowie die herausragende Elektronikkompetenz des Konzerns können auch für erfahrene und bewährte Automotive-Auftragsfertiger eine Herausforderung darstellen“, analysiert Fintl. Generell gelte: Wenn ein Unternehmen in eine neue Branche eintritt und „den Markt aufrollen will“, muss es etwas signifikant anders machen. Bei Foxconn seien das beispielsweise Technologie-Bausteine wie die offene Fahrzeugplattform und das Software-Know-how. Oder perspektivisch die weltweiten Fertigungskapazitäten. „Das ist eine äußerst spannende Entwicklung für die Branche.“

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