Jeder kennt Bilder von Crashtests: Das Auto rast in eine Wand und eine angeschnallte Puppe fliegt dabei gegen die Windschutzscheibe. Seit den 70er Jahren gibt es diese Simulationen von Unfällen. Die Puppe, die dabei eingesetzt wird, hat hingegen immer die gleichen Maße: Sie wiegt 78 Kilogramm und misst 1,75 Meter. Die Maße eines durchschnittlichen Mannes.
Doch was ist mit Frauen? Fehlanzeige. Bislang gab es keine Frauen, geschweige denn Jugendliche, die hier in ihrer Größe und Gewicht berücksichtigt wurden. Lediglich eine verkleinerte Puppe dieses männlichen "Norm-Dummys" wurde für Frauen eingesetzt: 48 Kilogramm bei 1,49 Metern Körpergröße. Diese Puppe repräsentiert jedoch nur fünf Prozent der Frauen hinterm Steuer und ähnelt eher einer Zwölfjährigen.
Doch damit soll jetzt Schluss sein.
Die schwedische Ingenieurin Astrid Linder und ihr Team haben einen weiblichen Dummy designt, der den Durchschnitt der Frauen repräsentieren soll. Mit einer Körpergröße von 1,62 Metern und einem Gewicht von 62 Kilogramm steht diese Puppe eher für die weibliche Bevölkerung. Dies sei bitter nötig, da Frauen auch die Hälfte aller Autofahrten machen und bei vergleichbaren Unfällen anfälliger seien für Verletzungen, sagte Linder in einem TED-Talk. Linder ist Direktorin für Verkehrssicherheit am schwedischen nationalen Straßen- und Verkehrsforschungsinstitut und leitet die Forschungen an einem weiblichen Dummy in Linköping.
Hier im Labor simuliert das Team von Linder mehrmals täglich Verkehrsunfälle und seine Folgen. Die Sensoren und Wandler im Dummy liefern möglicherweise lebensrettende Daten und messen die genauen physikalischen Kräfte, die bei einem Unfall auf jedes Körperteil ausgeübt werden. Das Team zeichnet dabei Daten auf, darunter Aufprallgeschwindigkeit, Quetschkraft, Biegung, Drehmoment des Körpers und Bremsraten. Außerdem schauen sie, was mit der Biomechanik des Dummys bei Heckkollisionen mit geringem Aufprall passiert.
Wenn eine Frau in einen Autounfall verwickelt ist, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie bei einem Heckaufprall ein Schleudertrauma erleidet, bis zu dreimal höher als bei einem Mann, besagen Daten der US-Regierung. Obwohl ein Schleudertrauma normalerweise nicht tödlich ist, kann es zu körperlichen Behinderungen führen, von denen einige dauerhaft sein können.
Genau diese Statistiken sind es, die Linder antreiben. „Wir wissen aus Verletzungsstatistiken, dass Frauen einem höheren Risiko ausgesetzt sind, wenn wir uns Auswirkungen mit geringem Schweregrad ansehen“, sagt sie dem britischen Nachrichtensender BBC. „Um die Sitze im Auto so zu designen, dass sie den besten Schutz für Männer und Frauen, also für beide Teile der Bevölkerung bieten, müssen wir auf jeden Fall den Teil mit dem höchsten Risiko vertreten lassen“, sagte sie dem Sender weiter.
Linder glaubt, dass ihre Forschung dazu beitragen kann, wie Autos in Zukunft spezifiziert werden, und sie betont die wichtigsten Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Frauen sind im Durchschnitt kleiner und leichter als Männer und haben unterschiedliche Muskelstärken. Aus diesem Grund reagieren sie bei einem Autounfall körperlich anders.
„Wir haben Unterschiede in der Form des Oberkörpers und des Schwerpunkts sowie in der Kontur unserer Hüften und unseres Beckens“, erklärte sie.
Aber bevor Linders weiblicher Dummy bei Crashtests angewendet werden kann, muss er erst von Behörden zertifiziert werden. Denn derzeit gibt es keine gesetzliche Vorschrift, dass Autosicherheitstests für Heckkollisionen an irgendetwas anderem als dem durchschnittlichen Mann durchgeführt werden müssen. Es dauert also noch, bis Frauen und ihre Anatomie bei Crashtests berücksichtigt werden.
Schwedin designt ersten weiblichen Dummy
Gleichberechtigung beim Crashtest
In Schweden wurde jetzt der erste Crashtest-Dummy mit weiblicher Anatomie designt. Er soll dafür sorgen, dass weniger Frauen bei Autounfällen verletzt werden. Bislang wurden bei Crashtests lediglich Dummys eingesetzt, die Männern ähneln.