Frauen? Non Merci!

Ein höchst einflussreicher Industrieclub in Frankreich steckt im 19. Jahrhundert fest und weigert sich beharrlich, Frauen als Mitglieder aufzunehmen. Jetzt hat der vor 126 Jahren gegründete Automobile Club de France (ACF) erneut bestätigt, keine Frauen als ordentliche Mitglieder zulassen zu wollen.

Seit der Gründung im Jahr 1895 hat der Verein, der in Frankreich einfach nur "L'Auto" genannt wird, praktisch sämtliche (männlichen) Vorstandsvorsitzende der großen französischen Automobilmarken und der großen Automobilzulieferer als Mitglieder aufgenommen. Aktuelle Mitglieder sind unter anderem Renault-Chairman Jean-Dominique Senard, Stellantis-CEO Carlos Tavares und Valeo-Vorstandschef Jacques Aschenbroich.

Doch als vor einem guten Jahr nach dem unrühmlichen Abgang von Renault-CEO Carlos Ghosn die damalige Renault-Finanzchefin Clotilde Delbos interimsweise an die Spitze des Konzerns rückte, wurde sie nicht in den ACF eingeladen.

Unter den derzeit 2185 Mitgliedern begann zwar eine Diskussion, doch die wurde schnell wieder abgebrochen, als Delbos mit den Antritt von Luca de Meo von ihrem Posten ganz oben zurücktrat. Inzwischen ist sie bei Renault Chefin der neuen Mobilitätssparte Mobilize.

ACF-Präsident Louis Desanges verteidigt den beharrlichen Ausschluss von Frauen, seien sie auch noch so hochrangig und wichtig in der Automobilbranche. "Wir hätten ihr vielleicht einen Ausweis geben können mit den selben Rechten wie die Ehefrauen von (männlichen) Mitgliedern", sagte Desanges jetzt in einem Interview mit einer französischen Zeitung. "Aber sogar das wäre für uns eine Premiere gewesen."

Desanges will an den Strukturen des Vereins nichts ändern. "So lange ich Präsident bin, wird sich das nicht ändern," stellt er fest. "Ich denke, rund drei Viertel unserer Mitglieder wollen keine Veränderung. Und ich bin zu demokratisch eingestellt, um etwas aufzuerlegen, was sie nicht wollen. Wir haben andere Möglichkeiten, um Frauen in Paris zu treffen."

Der Auto-Verein wurde von einem Adeligen gegründet, dem belgischen BaronÉtienne Gustave Frédéric van Zuylen van Nyevelt van de Haar. Um Mitglied zu werden, muss ein Kandidat eine aufwändige Prozedur durchlaufen, die den Prozessen in Geheimlogen ähnelt.

Der Kandidat muss von zwei Paten vorgeschlagen werden, weitere sieben "Unter-Paten" müssen die Kandidatur befürworten. Dann kommt es zu einem Gespräch vor einer Kommission von zwölf Mitgliedern - und zwar im Hause des Kandidaten. Bei der Abstimmung über die Zulassung oder Ablehnung zählt eine ablehnende Stimme so viel wie drei zustimmende Voten. Das letzte Wort hat der Präsident.

Berühmt und auch ein wenig berüchtigt ist der Club unter anderem wegen seines unterirdischen Hallenbades. Er besitzt eine Bibliothek mit 50.000 Bänden und auch einen exklusiven Vier-Sterne-Campingplatz in der Nähe von Saint Tropez.

Wer nun glaubt, der Club sei nur ein Verein schrulliger alter Männer, ansonsten aber harmlos, der täuscht sich. Das Durchschnittsalter der Mitglieder ist 55. Heftige Kritik am Ausschluss weiblicher Mitglieder übt Elisabeth Young, der Mitgründerin des 2008 aufgestellten Automobilvereins "WAVE" (Women and Vehicles in Europa). Young ist bei der Dekra Group Vice President Global Accounts und hat seit Jahrzehnten Führungspositionen in der Autobranche.

"Ein solcher Club, der im 19. Jahrundert feststeckt und Frauen fernhält, trägt dazu bei, dass die Automobilindustrie sich von all den Bemühungen wieder entfernt, sich für Frauen zu öffnen," beklagt Young. "Es ist ein sehr schädliches Symbol, das das Image der Automobilindustrie mitprägt, nämlich ein Hort der männlichen Dominanz zu sein."

Der ACF sei keineswegs nur ein Club für Automobilenthusiasten, so Young. "Er veranstaltet zahlreiche automobile Events und Konferenzen. Er ist ein einflussreiches Werkzeug."

Auch in anderen europäischen Ländern standen vor gut 100 Jahren häufig Adelige an der Spitze der ersten Automobilclubs. Sie konnten sich die damals fast unerschwinglichen Fahrzeuge leisten und legten Wert auf beste Referenzen der Mitglieder. Doch anders als der französische "L' Auto" hat sich etwa der britische "Royal Automobile Club" in London schon 1999 für weibliche Mitglieder geöffnet.

Lesen Sie auch:

Top-50-Frauen in der Autobranche in Deutschland

Women in Motion mit Top-Beteiligung