Warum für 2023 mehr Insolvenzen erwartet werden

Die Anzahl der Unternehmensinsolvenzen hat im vierten Quartal 2022 zum zweiten Mal in Folge zugelegt. Gegenüber dem dritten Quartal erhöhten sich die Fallzahlen um vier auf 39, nachdem sie bereits im dritten Quartal 2022 um fast 74 Prozent von 19 auf 35 geklettert war. Zu diesem Ergebnis kommt die Unternehmensberatung Falkensteg in ihrem industrieübergreifenden Insolvenzreport.

Trotz des Anstiegs bewegen sich die Zahlen auf dem niedrigen Niveau von 2019. In 2023 werden die Insolvenzen weiter ansteigen – auch geprägt von der Zinswende und den damit einhergehenden steigenden Finanzierungskosten“, prognostiziert Studienautor und Falkensteg-Partner Jonas Eckhardt.

In der Branchenauswertung des vierten Quartals bleiben die Autozulieferer mit zehn Verfahren weiterhin an der Spitze. Im Vorquartal waren es sechs. In der Rangliste folgen die Einzelhändler (8), Elektrotechniker (6) sowie die Hersteller von Maschinen (5), Nahrungsmitteln (5) und Metallwaren (5).

Auf das Gesamtjahr gesehen führen die Branchenrangliste die Maschinenbauer und Metallwarenhersteller mit 31 Fällen vor den Zulieferern (23), den Nahrungsmittelherstellern (11), den Einzelhändlern (11) und den Kunststofffirmen (8) an. Die Reihenfolge hat sich gegenüber dem Vorjahr kaum geändert. Lediglich der Handel und die Kunststofffirmen haben die Plätze getauscht. Der Umsatz der insolventen Unternehmen betrug insgesamt 10,8 Milliarden Euro – ein deutliches Plus von 4,2 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr.

Dagegen fielen die Verfahrensausgänge im vierten Quartal 2022 auf 15. Das ist der niedrigste Dreimonatsstand seit fünf Jahren. Die Auswirkungen der Polykrisen und vor allem die verteuerten Finanzierungen wirken als Bremsklotz für eine erfolgreiche Umsetzung einer Sanierung oder eines Verkaufs innerhalb eines Insolvenzverfahrens, heißt es in der Analyse.

Eine deutliche Zunahme registriert Falkensteg im vierten Quartal bei den Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 100 Millionen Euro. 22 Anträge registrierten die Amtsgerichte im gesamten Jahr in der höchsten Umsatzklasse – neun Anträge davon entfielen auf den Zeitraum zwischen Oktober und Dezember. Darunter befanden sich der Handelskonzern Galeria Kaufhof Karstadt und der Automobilzulieferer Borgers, die auch die Jahresstatistik anführen.

Mehr als die Hälfte (56 Prozent) der Unternehmen nutzten die Eigenverwaltung als Sanierungsinstrument. Dieser Trend hält laut Studie seit Mitte des Jahres an. Im Vorquartal lag die Quote sogar bei 63 Prozent. Nur für 15 Insolvenzen gab es eine erfolgreiche Fortführung. Im Vorquartal waren es zu diesem Zeitpunkt 19.

Im Gesamtjahr 2022 wurden nur 28 Unternehmen (22 Prozent), die einen Insolvenzantrag stellten, bisher auch erfolgreich fortgeführt. Im Vergleich zu den Winterzahlen der Vorjahre ein Minus von fast elf Prozent.

2022 wurden unabhängig vom Antragsjahr insgesamt 67 Großinsolvenzen beendet. 41 Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 20 Millionen Euro wurden verkauft und zwölf Firmen über einen Insolvenzplan saniert. Für 14 Unternehmen, deren Geschäftsbetrieb eingestellt wurde, dürfte es das endgültige Aus sein, vermutet Falkensteg.

Wie schon bei den Anträgen liegen auch bei den Verfahrensausgängen die Unternehmen aus der Automobilbranche mit 17 Fällen an der Spitzen. Danach folgen der Maschinenbau und Metallhersteller (16) sowie die Immobilienwirtschaft (9). Bevorzugtes Lösungsziel in der Insolvenz ist die übertragende Sanierung mit zwölf, neun beziehungsweise fünf Unternehmensverkäufen in den jeweiligen Branchen. Der Insolvenzplan wurde jeweils nur einmal umgesetzt. Auffällig hoch ist laut Falkensteg dagegen die Zahl der Betriebsschließungen: Vier Zulieferer, sechs Maschinenbauer und drei Immobilienunternehmen mussten ihre Tore schließen.

„Der Zinsanstieg verteuert die Finanzierung von Unternehmenskäufen erheblich. Für Risikokapitalgeber oder strategische Investoren rechnet sich ein Distressed M&A-Deal deshalb kaum mehr. Wir beobachten zudem, dass viele Käufer sehr früh aus den Verhandlungen aussteigen, weil die Umsatzprognosen immer wieder nach unten korrigiert werden mussten“, erklärt Eckhardt.

Die Widrigkeiten, denen die Unternehmen durch die Polykrisen ausgesetzt sind, würden zudem die Akzeptanz der Gläubiger für einen Insolvenzplan immer mehr schwinden lassen. Seit März 2022 wurde keine Planinsolvenz mehr umgesetzt, die nicht gleichzeitig einen Verkauf vorsah. Bei der Finanzierung von Sanierungen oder Asset Deals müssen die Insolvenzverwalter künftig verstärkt kreative Lösungen finden und harte Sanierungseinschnitte proaktiv umsetzen, ansonsten werden die gescheiterten Insolvenzverfahren deutlich zunehmen, so der M&A-Experte.

Dazu aus dem Datencenter:

Zulieferer-Insolvenzen im ersten Halbjahr 2022