"Das können kleine Betriebe kaum noch schaffen"

Die Konsolidierung im Autohandel gewinnt weiter an Schwung – vor allem bei Händlern des VW-Konzerns. Nachdem sich bereits im Juli vier mittelgroße VW-Partner im Rhein-Main-Gebiet zu einem neuen Branchenriesen zusammengeschlossen haben, ist kürzlich in Südniedersachsen der nächste neue Top-100 Händler entstanden: Die Automobilgruppe Harz-Leine, gebildet aus den Autohäusern Riebold-Rösner-Raith sowie Wentorf & Schenkhut.

Deren Zusammenschluss lag auf der Hand: Beide Händler sind in etwa gleich groß und seit Jahrzehnten miteinander vertraut. Zudem entsteht ein zusammenhängendes Geschäftsgebiet in dem es keine weiteren VW-Konzernhändler gibt. An ihren neun Standorten verkauften die rückwirkend zum 1. Januar 2022 fusionierten Partner 2021 rund 1800 Neu- und 4000 Gebrauchtwagen. "Unser Geschäft wird immer komplexer und erfordert immer mehr spezialisierte Mitarbeiter. Das können kleine Betriebe schon jetzt kaum noch schaffen. Um in Zukunft zu bestehen, mussten wir größer und schlagkräftiger werden", sagt Geschäftsführer Jürgen Falkenhain.

Die zusätzliche Schlagkraft soll sich vor allem aus dem größeren Investitionsspielraum und Kosteneinsparungen durch Synergieeffekte ergeben. So soll unter anderem das Karosserie- und Lackgeschäft, das Großkundengeschäft oder die Verwaltung zusammengelegt werden. Durch massive Investitionen in IT und Digitalisierung will die Gruppe zudem über alle Standorte hinweg einheitliche Systeme und Prozesse ausrollen. "Unsere Mitarbeiter sollen im Notfall in anderen Betrieben einspringen können, ohne dass sie sich dazu einarbeiten müssen", sagt Falkenhain. Arbeitsplätze sollen im Zuge der Fusion ausdrücklich nicht zur Disposition stehen. Im Gegenteil: "Wir wollen Personal aufbauen", sagt Falkenhain.

Anders als bei den Händlerkollegen im Rhein-Main-Gebiet gibt es bei der Harz-Leine Gruppe keine Holdingstruktur. Stattdessen wurde eine GmbH auf die andere verschmolzen. Das hatte den Vorteil, dass dadurch sämtliche Rechte und Pflichten übertragen wurden und keine neuen Verträge geschlossen werden müssen. Sitz der neuen Gruppe wird der Standort Auto Dörge in Northeim. Eine große Firmenzentrale, wie es sie bei vielen anderen Gruppen bereits gibt, ist nicht geplant. Die Verwaltungseinheiten sollen dezentral verteilt werden. Deren Bindeglied sollen die einheitlichen, zentralisierten Backoffice-Systeme sein.

Insgesamt sind in der neuen Gruppe acht Gesellschafter an Bord, einer schied im Zuge der Fusion aus Altersgründen aus. Einen Mehrheitsgesellschafter gibt es nicht. Diese Struktur spiegelt sich auf der operativen Ebene wider: Das Tagesgeschäft verantworten vier gleichberechtigte Gesellschafter.

Von diesen hat soll allerdings jeder in seinem Zuständigkeitsbereich das letzte Wort haben. "Wir unterscheiden beispielsweise nach Marken, Neu- und Gebrauchtwagen, Großkunden, Marketing, IT, Teiledienst, Service oder Controlling", sagt Falkenhain. Begleitet wurde die Fusion übrigens von der Ostbayerischen Mittelstandsbeteiligungs GmbH, die auch bereits bei der Mega-Fusion im Juli mit an Bord war.

Dass die neue Harz-Leine Gruppe auf Anhieb in die Riege der Top-100-Händler aufrückt, kam für die Beteiligten selbst überraschend: "Das war zwar nicht unser Ziel, macht uns aber dennoch stolz", sagt Falkenhain. Dass die Gruppe im Ranking – aktuell läge Sie in etwa auf Platz 80 – noch weiter nach oben klettert, können sich die Beteiligten durchaus vorstellen. "Weitere Fusionen oder Übernahmen sind langfristig nicht ausgeschlossen", sagt Falkenhain. Im Moment stehe das aber nicht im Fokus. Zunächst wolle man erst einmal die aktuelle Fusion abschließen und die beiden Unternehmen bis Ende 2023 operativ zusammenführen.

Das Konsolidierungskarussell dreht sich indes munter weiter. Erst kürzlich gab etwa das Albstädter Autohaus Gscheidle bekannt, zum 1. Januar seine Unabhängigkeit aufzugeben. Der Skoda-Händler schlüpft unter das Dach von Alphartis – aktuell die Nummer fünf unter den Autohändlern in Deutschland.