Der Handel wird grün

Die Preise für Energie kennen derzeit im Grunde nur eine Richtung: aufwärts. Durchschnittlich 13,77 Cent pro Kilowattstunde zahlen Haushalte 2022 nach Zahlen des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft für Erdgas. 2021 waren es noch 7,06 Cent. Ähnlich sieht es beim Heizöl aus. Hier legten die Preise laut dem Portal Heizoel24 von Anfang Mai 2021 bis Mai 2022 von 62,47 Euro auf 135,80 Euro zu.

Die Preisrallye wird nicht nur für Verbraucher und die Autoindustrie, sondern auch für Autohändler mit ihren riesigen, klimatisierten Showrooms zunehmend zum Problem. "Wer sich die Entwicklung der Energiepreise ansieht, sieht darin unweigerlich ein unternehmerisches Risiko. Mit den derzeitigen Umsatzrenditen im Handel können wir weitere Preisanstiege nicht einfach abfangen", sagt Andreas Weeber, Chef der Autohaus-Gruppe Weeber mit Sitz in Weil der Stadt nahe Stuttgart. Schon allein deswegen müsse er gegensteuern und versuchen, über Energiesparmaßnahmen die Kosten im Griff zu behalten.

Bereits vor der aktuellen Preisexplosion machten Instandhaltungskosten laut dem Autohaus-Planungs- und Beratungsunternehmen Papadopoulos Associates auf 50 Jahre gerechnet rund 80 Prozent der Gebäudekosten aus. Die aktuelle Situation dürfte diese Kalkulation noch weiter verschlechtern. Andreas Weeber hat sich angesichts der steigenden Kosten daher zum Ziel gesetzt, sein Unternehmen bis 2035 vollständig klimaneutral zu machen – inklusive der energiehungrigen Lackierereien.

So wie Weeber denken in der Branche mittlerweile viele: "Das Thema Nachhaltigkeit ist im Autohandel angekommen. Wenn die Erde wärmer wird, kann ich nicht Business wie bisher machen", sagt Heinz-Dieter Tiemeyer, Chef der Tiemeyer Gruppe. "Wir müssen uns an die eigene Nase fassen und die Klimabilanz unserer Betriebe verbessern", fordert er. Ein Unternehmen ohne Nachhaltigkeitsplan habe keine Zukunft. Denn Klimaneutralität ist auch unabhängig von den Energiekosten zunehmend wichtig für die Branche.

Zum Beispiel für das Image: Wer glaubwürdig E-Autos verkaufen will, sollte nicht als Klimasünder gelten. "Autohändler vertreiben mit Elektrofahrzeugen Produkte, deren Verkaufsargument immer stärker auf Nachhaltigkeitsaspekten beruht", formuliert es Carlina Wetterauer. Die Projektleiterin beim Unternehmen Braun Energiedienstleistungen unterstützt Autohändler bei der Umstellung auf Elektromobilität und Klimaneutralität. Man verzeichne zunehmend Anfragen von Händlern, die sich zum Mobilitätsanbieter weiterentwickeln und zugleich ihren CO2-Fußabdruck reduzieren wollten, berichtet sie.

Händlern, die ihr Unternehmen umrüsten wollen, empfiehlt Wetterauer zunächst eine energetische Bestandsaufnahme und eine CO2-Bilanz zu erstellen um daraus dann die lohnendsten Maßnahmen abzuleiten. Die größten Ansatzpunkte seien meist Gebäudedämmung, Heizung, Beleuchtung und Kältetechnik. Meist gebe es dafür sogar Geld vom Staat: "Sowohl die energetische Analyse eines Unternehmens als auch die Maßnahmen zur Effizienzsteigerung werden aktuell gefördert, sodass Autohändler ohne erheblichen Eigenaufwand die Transformation zum klimaneutralen Autohaus durchlaufen können", sagt Wetterauer.

Im Autohaus Weeber ist diese bereits in Gange. Neben dem schrittweisen Rauswurf alter fossiler Heizsysteme suchen dort auch in jedem Standort "Energieteams" laufend nach Verbesserungspotenzial. Dabei fahnden die Teams unter anderem mit Wärmebildkameras nach Energiebrücken oder nach Leckagen im energiehungrigen Druckluftsystem.

Aktuell baut die Gruppe zudem in Leonberg auf einer Grundfläche von 500 Quadratmetern einen neuen Skoda-Betrieb. Dieser wird dank einer Wärmepumpe und einer Photovoltaikanlage auf dem Dach ohne fossile Energien auskommen. Um Energie zu sparen, baut die Weeber Gruppe das Autohaus zudem in die Höhe statt wie in der Branche bisher üblich in die Fläche. Über dem 350 Quadratmeter großen Showroom befinden sich darum zwei Etagen an Büroflächen. Im Untergeschoss wiederum ist die Aufbereitung angesiedelt.

Beispiele wie dieses gibt es mittlerweile viele. Im niederbayerischen Geisenhausen etwa plant das Toyota-Autohaus Schober ein vollkommen energieautarkes Autohaus auf Basis von Wasserstoff. Dieser wird tagsüber mithilfe von Elektrolyse aus Sonnenstrom erzeugt und in Tanks gespeichert. Bei Bedarf wird der Wasserstoff dann wieder in Energie umgewandelt – oder zum Tanken von Wasserstoffautos verwendet.

Neben solchen Maßnahmen investieren viele Händler auch in öffentlichkeitswirksame Nachhaltigkeitsprojekte. Die Weeber Gruppe etwa gibt laut Firmenchef Andreas Weeber jedes Jahr einen fünfstelligen Betrag für Umweltschutzprojekte aus. Auch die Tiemeyer Gruppe investiert nicht nur in ihre Betriebe, sondern pflanzt auch öffentlichkeitswirksam einen Baum pro verkauftem Auto – Kostenpunkt 100.000 Euro.

Aus dem Datencenter:

CO2-Ausstoß in Deutschland bis April 2022