Subventionswettlauf um Batteriefabriken in Europa

Die EU will bei Batterien für E-Fahrzeuge weitgehend zum Selbstversorger werden. Doch der Inflation Reduction Act (IRA) der USA schürt die Sorge, dass wegen dessen Milliardensubventionen für Europa geplante Batteriezellfabriken in die USA abwandern könnten. Rund 15 Monate nach der Unterschrift von US-Präsident Joe Biden haben sich die schlimmen Befürchtungen nicht bewahrheitet.

EU-Gelder führten dazu, dass rund 50 Gigafactorys zur Batteriezellherstellung angekündigt wurden, die spätestens 2030 in Europa produzieren sollen. Auf dem Papier standen damit Kapazitäten von 1,5 bis 1,8 Terawattstunden zur Verfügung. Diese Werte ermittelten das Fraunhofer-Institut für Systemund Innovationsforschung (ISI) und die europäische Nichtregierungsorganisation Transport & Environment (T&E). McKinsey summiert die angekündigten Kapazitäten auf 1,3 Terawattstunden. Der europäische Automobilzuliefererverband CLEPA sieht für das Jahr 2030 ein Potenzial von 1,2 Terawattstunden, das aber etwa durch den IRA geschmälert werden könne, sagt Nils Poel, Leiter des Bereichs Marktangelegenheiten.

T&E titelte vor einigen Monaten "80 Prozent der Batteriezellenproduktion laut Studie in Deutschland gefährdet" und "US-Subventionen des Inflation Reduction Acts (IRA) bedrohen bereits geplanten Bau von Gigafabriken".

Lukas Weymann, der beim Fraunhofer ISI die Analysen der Produktionskapazitäten betreut, ist erheblich vorsichtiger. "Die Datenlage ist mager, wir wollen die Situation bis Jahresende in einer neuen Studie untersuchen", sagt der Fraunhofer-Forscher. Aus seinen Gesprächen nimmt er den Eindruck mit: "Das IRA ist ein Gamechanger und führt für die europäische Zellfertigung zu signifikanten Wettbewerbsnachteilen." Allerdings seien trotz IRA weitere Zellfabriken in Europa angekündigt worden. Andererseits sei ihm noch kein Gigafactory-Projekt bekannt, das wegen des IRA abgesagt wurde. Bislang gibt es nur eine Tesla-Entscheidung, die klar mit dem IRA in Verbindung gebracht wurde: Tesla will in Grünheide keine komplette Batteriefertigung mehr aufbauen, sondern Teile in die USA verlagern.

Sehr differenziert schätzt auch Martin Linder die Lage ein. "Das Wachstum der neu angekündigten Zellproduktionen in Europa hat sich seit der Bekanntgabe des IRA im Vergleich zu Nordamerika verlangsamt, ist aber nicht zum Stillstand gekommen", sagt der Senior Partner und Leiter des globalen Batteriebereichs bei McKinsey. In Zahlen: "Im vergangenen Jahr haben sich die Ankündigungen für die Produktion von Batteriezellen in den USA um 60 Prozent erhöht, in Europa um 35 Prozent."

Seit der Verabschiedung des IRA haben die USA laut CLEPA mehr als 50 Prozent der weltweiten Batterieinvestitionen angezogen. Doch gleichzeitig kündigten im zweiten Halbjahr 2022 zwei chinesische Zulieferer an, 8,4 Milliarden Euro in Batterieprojekte in Europa zu investieren. Tatsächlich werden mit den US-Subventionen Batteriezellen konkurrenzlos billig. Durch Anwendung des IRA werden in den USA produzierte Batteriezellen um 35 Dollar pro Kilowattstunde günstiger. Das entspricht einem Kostenvorteil von mehr als 30 Prozent, rechnet Linder vor. Bei der Herstellung der Batteriepacks kommen noch einmal zehn Dollar an Subventionen hinzu. "Für Kunden in Europa wird es damit - Stand heute - günstiger, Batteriezellen aus den USA zu importieren als aus China."

Mehrere Gründe sprechen jedoch dafür, dass dennoch eine große Batteriezellproduktion in Europa entstehen wird. So dürfte die EU als Reaktion auf den IRA neue Anreize für die Produktion in Europa setzen. "Der Markt für Batteriezellen in Europa wird weiterhin wachsen und daher auch die Motivation, in Zellfabriken zu investieren", sagt Weymann.

McKinsey-Partner Linder pflichtet bei: Auch im Jahr 2030 werde der Bedarf an Zellen in Europa noch deutlich über den Produktionskapazitäten liegen. "Zumal wir davon ausgehen, dass sicher nicht alle angekündigten Werke auch gebaut werden." Die Fertigung in Europa bleibe also für Zulieferer interessant. Linder: "Und gerade für die größten Zellhersteller, die ja aus China kommen, ist Europa als Fertigungsstandort deutlich attraktiver als die USA, wo sie vor erheblich höheren protektionistischen Hürden stehen."

Aus dem Datencenter:

Batteriekosten bei Lieferung nach Europa 2025 und 2030