Insourcing bedroht Zulieferer

Durch die Elektrifizierung wird das Geschäft von Zulieferern im Antriebstrang schrumpfen. Automobilhersteller treiben das Insourcing voran, um sich technisch zu unterscheiden und um Mitarbeiter und Werke halten zu können, für die es sonst keine Arbeit mehr gäbe. Im Verbrennerzeitalter konnte man grob schätzen, dass 70 bis 75 Prozent der Wertschöpfung eines Automobils von den klassischen Zulieferern kommen. Volkswagen Group Technology etwa, der konzerneigene Zulieferer, steuert nun beim ID.7 laut VW bereits 40 Prozent der gesamten Wertschöpfung bei. Künftig sollen auch Pulswechselrichter, Thermomanagement und Batteriezellen aus dem eigenen Haus kommen.

Auch Stellantis baut die Produktion von Elektromotoren aus. Mehr als eine Million will der Auto­bauer ab 2024 in Frankreich in einem Joint Venture herstellen. „Die Kontrolle über unsere Wertschöpfungskette im Bereich der Elektrifizierung“, so CEO Carlos Tavares, „mildert die Auswirkungen des dramatischen Wandels für unsere Standorte und Mit­arbeiterinnen und Mitarbeiter ab.“ ZF berichtete zwar noch im November 2022 vom branchenweit höchsten Auftragsbestand für E-Antriebe im Volumen von 25 Milliarden Euro. Aber beim elektrischen Antriebsstrang für den EQC steigt Mercedes-Benz von einem ZF-Produkt ab 2024 auf Eigenfertigung um. Das Gleiche gilt für den EQS-Antriebsstrang, der bislang von Valeo ­Siemens eAutomotive kommt.

Dieses Insourcing ist für Zulieferer deutlich schlimmer, als wenn Hersteller bei einer prinzipiell unverändert weiter genutzten Komponente ein paar Prozent Wertschöpfung ins eigene Haus holen. Denn der Elektroantriebsstrang ohne Batterie ist deutlich billiger als der Antriebsstrang im Verbrennerfahrzeug, sodass der zu verteilende Auftrag schon ­dadurch schrumpft. Experten schätzen, dass die Wertschöpfung für einen E-Antrieb mit Leistungselektronik und Thermomanagement nur halb so hoch oder noch geringer ist wie bei einem Verbrennerantriebsstrang.

Auf diesen geschrumpften Markt schwenken gerade viele Verbrenner-Zulieferer um. „Eine Folge ist, dass in einzelnen dieser Teilmärkte mehr als 20 Zulieferer um Marktanteile kämpfen“, sagt Patrick Schaufuss, Mitautor einer McKinsey-Studie zur Wertschöpfungsverschiebung. Dazu kommen noch neue Wettbewerber.

Wer lange genug durchhält, hat nach Einschätzung von Schaufuss allerdings gar nicht so schlechte Karten. Denn irgendwann werde der E-Antriebsstrang so weit entwickelt sein, dass sich die Technik der verschiedenen Hersteller kaum noch unterscheidet. Wenn es langfristig noch um Skaleneffekte geht, dürften manche dieser OEMs dann überlegen, die Fertigung wieder auszulagern, weil Zulieferer auf größere Stückzahlen kommen. Möglich wäre eine ähnliche Verteilung wie bislang auf dem Markt für Fahrzeuggetriebe. Ein nicht unwesent­licher Anteil des Markts wird dann laut Schaufuss wohl Build-to-Print-Produktion sein – also Zulieferer als Auftragsfertiger.

Aus dem Datencenter:

Die 100 umsatzstärksten Automobilzulieferer weltweit 2022