Mitte August ernannte der Elektro-Lastwagenhersteller Nikola Motor den früheren Opel-Vorstandschef Michael Lohscheller und kurzfristigen VinFast-Chef zum künftigen CEO. Lohscheller ist seit Februar bereits Präsident des Unternehmens und wird ab Januar 2023 die Nachfolge von CEO Mark Russell antreten. Sein erstes Interview bei Nikola gibt er der Automobilwoche vom Nikola-Werk in Coolidge aus.
Herr Lohscheller, es ist ein langer Weg von Opel über VinFast zu Nikola Motor. Was hat Sie bewogen, diese Aufgabe anzunehmen?
Ich bin ein großer Freund von Unternehmen, die überzeugende Produkte haben. Und Nikola bietet das. Bevor ich im Januar Mark Russell und sein Team in Phoenix besucht habe, habe ich eine Menge recherchiert rund um Nikola. Und ich versichere Ihnen: Diese Trucks sind fantastisch. Enorme Power – 730 Kilowatt beim rein elektrischen Tre BEV. Aber nicht nur das. Die Fahrerkabine ist ein Traum. Da können sogar Leute meiner Körpergröße bequem drin stehen. Bisher waren noch alle Fahrer, mit denen wir gesprochen haben, von diesem Lkw begeistert. Und dann natürlich der Brennstoffzellen-Truck Tre FCEV, der sich unseren Erwartungen zufolge in 20 Minuten voll betanken lässt und 800 Kilometer Reichweite hat.
Glauben Sie, dass die Elektrifizierung bei den schweren Nutzfahrzeugen in den Industrieländern genauso schnell hochläuft wie im Pkw-Segment – oder wird das nicht weit länger dauern?
Wir erleben zurzeit, wie das Thema Verkehrswende und Minderung des CO2-Footprint immer drängender auf der politischen Agenda in vielen Ländern steht. Tatsächlich bekommen wir täglich Anfragen von Unternehmen, auch von großen, die uns fragen, wann könnt Ihr liefern? Wie viele könnt Ihr liefern? Besonders groß ist das Interesse am Brennstoffzellen-Modell. Wir erwarten ein starkes Wachstum im Bereich der elektrischen schweren Nutzfahrzeuge. Bis 2030 dürfte dieser Markt unseren Prognosen zufolge weltweit ein jährliches Umsatzvolumen von rund 40 Milliarden Dollar haben.
Welche Kunden haben denn schon Nikola-Lastwagen bestellt?
Da ist zum Beispiel das Brauerei-Unternehmen Anheuser-Busch. Das hat bis zu 800 FCEV-Trucks geordert. Im April haben wir die Pilotphase für dieses Modell erfolgreich abgeschlossen. Viele Unternehmen haben bereits Testfahrten gemacht, etwa TTSI, eine große kalifornische Hafenbehörde. Da haben wir eine Absichtserklärung über den Kauf von 30 BEV-Trucks und 70 FCEV-Trucks im kommenden Jahr. In Deutschland hat die Hamburger Hafenbehörde eine Kaufabsicht über bis zu 25 BEV-Trucks unterzeichnet.
Die jüngsten politischen Fördermaßnahmen in den USA beflügeln sicher auch die Pläne von Nikola.
Ja, absolut, der Inflation Reduction Act zur Förderung grüner und klimafreundlicher Energie- und Verkehrskonzepte mit einem Volumen von 370 Milliarden Dollar ist ein starker Push auch für uns. Vor allem, weil die Förderung alle Bereiche der Elektromobilität inklusive Ladeinfrastruktur, Produktion und Verkaufsförderung abdeckt. Das sorgt derzeit für ein stark zunehmendes öffentliches Interesse an elektrischer Mobilität.
Der batterieelektrische Truck wird seit März produziert. Wann starten Sie mit der Serienfertigung des Brennstoffzellen-Trucks?
Damit wollen wir in der zweiten Hälfte nächsten Jahres beginnen. Wir sind sehr zuversichtlich, diesen Zeitplan einhalten zu können.
Sie haben im April den Verkauf in Nordamerika gestartet, aber Nikola hat sicher auch Europa im Blick.
Ja, der Launch ist auch für den FCEV-Truck in den USA, aber wir wollen so schnell wie möglich auch in Europa in den Markt einsteigen. Iveco ist dort ein sehr starker Partner im Bereich Nutzfahrzeuge.
Mit welchen weiteren Unternehmen arbeiten Sie zusammen?
Iveco ist natürlich ein sehr wichtiger Partner für uns. Im vergangenen September haben wir zusammen mit Iveco in Ulm eine Produktionsstätte zum Bau des batterieelektrischen Tre eingeweiht, die am Anfang rund 2000 Fahrzeuge pro Jahr produzieren kann, später bis zu 10.000. Aber auch Bosch ist sehr wichtig als Lieferant des Brennstoffzellen-Moduls. Die E-Achsen liefert Fiat Power train Technologies. Insgesamt sind rund 160 Partner an dem Fahrzeug beteiligt. Auf der Batterie-Seite ist Romeo Power dabei. Anfang August haben wir angekündigt, Romeo Power und deren Batterie-Kompetenzzentrum in Cypress zu übernehmen.
Als Opel-Chef war es für Sie ja natürlich kein Problem, einen Corsa oder Mokka zu fahren. Haben Sie auch einen Lkw-Führerschein, um die Nikola-Laster selbst am Steuer zu erleben?
Noch nicht, aber das werde ich so schnell wie möglich nachholen. Als Beifahrer kann ich aber schon sagen, es ist ein tolles Erlebnis, in einem großen elektrischen Lkw zu fahren. Danach will man nicht mehr zum Diesel-Truck wechseln.
Das Interview führte Michael Knauer.
Michael Lohscheller spricht auf dem Automobilwoche Kongress am 25. und 26.Oktober in Berlin über das Thema "Wasserstoff ist die Zukunft". Seien Sie dabei! Mehr Informationen
Aus dem Datencenter:
Anzahl von Brennstoffzellen- und E-Fahrzeugen und Tank-/Ladestationen 2021 und 2022