Wie Petra Peterhänsel eines der modernsten BMW-Werke führt

Petra Peterhänsel ist derzeit in Deutschland die einzige Frau, die ein Autowerk führt. Bei ihr im BMW-Werk in Leipzig laufen die Einser-und Zweier-Reihe von BMW sowie der Mini Countryman vom Band – ab März dann auch als Elektro-Mini. Im Interview spricht sie über ihren Weg an die Werksspitze und ihren Führungsstil, über die Schwierigkeit, gute Arbeitskräfte zu finden, und den Einsatz von Wasserstoff in der Produktion.

Frau Peterhänsel, sind die einzige Frau an der Spitze eines deutschen Autowerks. Ist diese Position etwas Besonderes für Sie?

Es ist schon etwas Besonderes, ja. Ich habe in der Vergangenheit, speziell nach der Wendezeit, als ich bei Opel angefangen habe, die Erfahrung gemacht, dass ich oft die Einzige oder die Erste war. Jetzt hier diese Funktion, als Leiterin für ein BMW-Werk, ist etwas ganz Besonderes. Das macht mich schon ein wenig stolz.

Wollten Sie schon immer ein Autowerk leiten?

Ich wollte ursprünglich Kindergärtnerin werden, damals 1982. Zum Stimmtest bei der Aufnahmeprüfung war ich super vorbereitet, mit Lied, Gedicht und Geschichte – war aber zum Termin komplett heiser. Beim zweiten Termin war die Stimme noch immer nicht fit. Und da sagte meine Mutter: Komm zu Wartburg. Ich bin hier, deine Schwester und deine Onkel. Und so habe ich 1982 bei Wartburg in Eisenach die Lehre als Facharbeiter für Qualitätskontrolle angefangen und dort nach der Lehre bis 1990 gearbeitet. Als dann Opel nach Eisenach gekommen ist, habe ich mich gleich beworben und war unter den ersten 200 Mitarbeitenden eine von zwei Frauen. Mein Job in der Endabnahme war dann schon so eine Art Traumjob.

Haben Sie damals auch schon gemerkt: Ich kann mehr?

In den ersten zwei, drei Jahren bei Opel kam schon der Ehrgeiz, mehr machen zu wollen. Über die Jahre hat sich das weiterentwickelt, bis dann er Wunsch kam: Werkleiterin möchte ich werden, das traue ich mir zu.

Haben Sie nie Ihren Weg angezweifelt und gedacht: Ich gehe vielleicht doch zurück zum Kindergarten?

Nein, gar nicht. Kindergärtnerin wollte ich werden, weil ich Kinder mag. Aber der Weg in diese Richtung hat sich einfach nicht ergeben. Im Automobilbereich haben mir zudem alle Jobs Spaß gemacht und da war für mich die Entscheidung klar: Hier bleibe ich, hier kann ich viel bewegen und ich kann mich selbst entwickeln. Das war für mich der Indikator, weiterzumachen und das war auch immer wieder meine persönliche Motivation.

Welche Erfahrungen haben Sie aus den Stationen in ihrer Karriere mitgenommen, wo sie immer “die Einzige” waren?

Das man sich auch durchbeißen muss. Die Autoindustrie war und ist ja noch immer eher eine Männerdomäne. Und meine Erfahrung damals war schon, dass ich mich immer ein bisschen mehr anstrengen muss, um die gleiche Anerkennung zu bekommen. Es hat aber auch Spaß gemacht zu beweisen, dass es auch eine Frau kann. Jetzt sehe ich das gar nicht mehr so – vielleicht ist es noch nicht überall normal, aber es ist definitiv normaler geworden

Müssen Frauen mehr machen als Männer, um die gleiche Rolle zu erfüllen?

Ganz ausgeglichen ist es noch nicht. Ich habe in den einzelnen Stufen meiner Karriere schon Situationen erlebt, in denen ich mich mehr beweisen musste als vielleicht Männer. Bei BMW habe ich das so nicht erlebt. Ich habe ja einen technischen Beruf gelernt und dann BWL studiert. Aus meiner langjährigen Erfahrung heraus habe ich das technische Wissen und kann in vielen Situationen mit Sicherheit zu 100 Prozent mitreden.

Wie beschreiben Sie ihren Führungsstil?

Ich liebe es, Verantwortung zu übernehmen. Ich mag es sehr, mit Menschen zu arbeiten. Man sagt nicht umsonst, als Führungskraft muss man Menschen mögen. Das Wichtigste ist für mich, dass ich einen Beitrag leisten kann, Menschen und Organisationen zu entwickeln. Diese Entwicklung dann zu begleiten und meine Mitarbeiter zu Höchstleistungen zu bringen, liegt mir. Dazu das strategische Arbeiten, gesamtunternehmerisch Entscheidungen zu treffen, das Netzwerk im Blick zu halten, all das macht mir großen Spaß. Es ist wichtig, dass die Zielsetzung klar kommuniziert ist. Dann gebe die Verantwortung gerne ab, möchte aber rechtzeitig informiert werden, wenn Dinge nicht gut laufen.

Was hat Sie geprägt – woher nehmen Sie ihr Handwerkszeug für ihre Aufgabe?

Ich habe mich tatsächlich bewusst für Karriere entschieden. Das ist jetzt über 30 Jahre her. Und dabei habe ich mich für einen bestimmten Führungsstil entschieden.

Ihr Führungsstil ist sehr offen, auf ein Miteinander ausgelegt. Waren all ihre Chefs damit immer einverstanden?

Ich war mehrfach in der Situation, wo man eine andere Art der Führung von mir verlangt hat, einen Stil, mit dem ich mich nicht identifizieren konnte. Mein Credo ist, ich behandle Menschen so, wie ich selbst behandelt werden möchte. Wenn ich in den Spiegel schaue, dann möchte ich, egal ob früh oder spät sagen, ich habe heute niemanden verletzt. Egal ob man einen Dissens hat oder hart diskutiert. Das ist mein Führungsstil und den lebe ich auch.

Lassen Sie uns über ihr BMW-Werk Leipzig sprechen. Sie produzieren hier die Einser- und Zweier-Reihe von BMW und seit November den Countryman von Mini. Wie läuft der Austausch mit dem Mini-Stammwerk in Oxford?

Der läuft sehr gut. Er ist regelmäßig. Wir sind da in der gleichen Fahrzeugkategorie, also die untere Klasse.

Im nächsten Jahr produziert Mini seine Elektroautos auch in China. Im Jahr 2030 will Mini seine Flotte komplett elektrisiert haben. Wenn es so gut läuft in China: Wird BMW den Mini dann dort komplett produzieren?

Warum sollte das passieren? Ja, wir haben mit dem Verbrenner angefangen, aber ab März wird der Countryman bei uns auch als vollelektrische Variante gebaut. Deswegen werden wir auch da unseren Beitrag für die Elektrifizierung der Mini-Flotte leisten. Es ist das Ziel, die Mini-Flotte bis 2030 zu elektrifizieren - dann auch aus Leipzig. Bei den Planungen sind wir fester Bestandteil.

Was bedeutet "fester Bestandteil"?

Es gibt regelmäßig Volumen- und Modellplanungen, und dort schauen wir, wie der Countryman oder überhaupt die neuen Modelle laufen und wie die Nachfrage der Kunden ist. Und auf Basis dessen wird dann auch entschieden, wie Nachfolgederivate geplant werden und welche Werke dann entsprechend diese Fahrzeuge bauen.

Im Münchner BMW-Werk sollen ab 2027 nur noch Elektroautos vom Band laufen. Hat das Auswirkungen auf Ihr Werk?

Nein, das hat keine Auswirkungen. In Leipzig werden weiterhin Verbrenner der BMW Einser- und Zweier-Reihe sowie der Mini Countryman gebaut.

Gibt es Pläne, auch in Leipzig bald nur E-Autos zu produzieren?

Die Frage stellt sich so gar nicht. Dank unseres flexiblen Produktionssystems sind wir in der Lage, Automobile mit allen Antriebsarten auf einer Linie zu fertigen.

Durch die Produktion des Countryman brauchen Sie gut 900 neue Stellen. Sind alle besetzt?

Wir haben 2018 mit dem Ausbau des Werks begonnen und haben die Kapazität von 250.000 auf 350.000 Einheiten erhöht. Mit dem Countryman kommt da ja doch ein recht großes Volumen ins Werk. Die rund 900 Arbeitsplätze, die durch diesen Volumenausbau geschaffen werden, kommen für den Countryman und natürlich auch für Folgederivate. Wir haben allein im letzten Jahr um die 300 neue Arbeitsplätze hier am Standort geschaffen und werden auch noch weitere für den Volumenausbau und die E-Mobilität hier am Standort schaffen.

Ist es schwer, Mitarbeiter für diese Jobs zu finden?

Ja, das ist es. Leipzig selbst hat ja eine geringe Arbeitslosenquote.

Was tun Sie?

Wir haben Programme aufgesetzt und gehen damit weit über die Grenzen Deutschlands nach Süd- und Osteuropa und darüber hinaus, um neue Mitarbeiter zu finden. Wir haben gute Konzepte und Prozesse erarbeitet und etabliert, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu integrieren, die vielleicht kein Deutsch sprechen. Wir haben 77 Nationen hier am Standort und das funktioniert sehr gut.

Woher kommen die meisten Arbeitskräfte?

Viele kommen aus Syrien und Osteuropa, aus Polen, Rumänien oder Ungarn. Seit letztem Jahr kommen auch spanische Jugendliche nach ihrer Ausbildung zu uns. Die Jugendarbeitslosigkeit in Spanien ist sehr hoch. Bei uns werden sie betreut, bei der Wohnungssuche unterstützt und begleitet, bis sie dann auch selbst Fuß fassen können. Wir arbeiten dazu mit einem Personaldienstleister zusammen. Im Werk selbst bieten wir Sprachkurse für all diejenigen an, die Deutsch lernen wollen. Damit haben sie auch irgendwann die Möglichkeit, für immer bei uns zu bleiben.

Für unsere Führungskräfte haben wir interkulturelle Trainings gestartet, weil bei uns so viele Nationalitäten, Kulturen und Religionen zusammenkommen. Da ist es natürlich gut für die Führungskräfte, wenn sie das Verhalten einordnen können, wenn sich jemand nicht so verhält, wie wir es gewohnt sind.

Bekommen Sie bei der Integration der Mitarbeiter Unterstützung aus der Politik?

Ich gehe in den direkten Austausch, mit der Politik, Arbeitsagenturen oder der IHK. Hier signalisieren wir unsere Anforderungen, um Prozesse zu vereinfachen. Das fängt bei der Anerkennung von Facharbeiterabschlüssen aus dem Ausland an, bis hin zur Einstellung von Mitarbeitenden ohne eine fachliche Qualifikation in der Elektro- oder Metallindustrie.

Die AfD ist stark in Sachsen und könnte bei den Landtagswahlen im September stärkste Partei werden. Machen Sie sich deshalb Sorgen?

Wir beobachten aufmerksam, was passiert und wie die Stimmung ist. Hier bei uns im Werk, in unserem kleinen Ökosystem, nehmen wir davon nicht viel wahr. Wir sind stolz darauf, 77 Nationen im Werk zu haben, und die Zusammenarbeit über die Kulturen hinweg funktioniert sehr gut. Wir haben da wirklich ein tolles, wertschätzendes Miteinander auf allen Ebenen.

Sie nutzen seit dem Jahr 2022 Wasserstoff für die Brenner in der Lackiererei. Gehört Wasserstoff die Zukunft?

Wir haben mittlerweile den ersten Trocknerstrang umgestellt auf diese bivalenten Brenner, die sowohl mit Erdgas als auch mit Wasserstoff betrieben werden können. Das heißt, es gibt jetzt tatsächlich einen kompletten Strang bei uns im Werk, bei dem wir Wasserstoff nutzen können. Der Wasserstoff kommt allerdings derzeit noch aus Flaschen. Für den weiteren Ausbau brauchen wir eine Wasserstoffpipeline ans Werk.

Wann kommt die Pipeline?

Ziel ist ein Anschluss bis 2025. Dann können wir Wasserstoff an die Lackiererei anbinden oder auch an andere Technologien.

Vielen Dank für das Gespräch!