Herr Christians, volle sechs Jahre nach der Gründung des Unternehmens hat Sono Motors in dieser Woche die finale Designversion seines ersten Solarautos Sion vorgestellt. Warum hat das eigentlich so lange gedauert?
Nun, wir haben damals wirklich mit einem weißen Blatt Papier angefangen - es gab rein gar nichts, auf das wir zurückgreifen konnten. Gemessen daran ist diese Entwicklungszeit meiner Meinung nach noch vergleichsweise kurz. Zudem war zeitweise auch das Geld knapp, die Zahl der Mitarbeiter entsprechend gering, das hat den Fortgang gebremst. Aber mit der erfolgreichen Notierung an der Nasdaq im vergangenen Herbst haben wir ausreichend Mittel und Liquidität gewonnen, um nun mit Tempo voranzukommen.
Vom ursprünglichen Konzept, nämlich ein eher frugales Fahrzeug zu einem besonders günstigen Preis anzubieten, haben Sie sich mit dieser finalen Version doch recht weit entfernt - das Auto sollte ursprünglich rund 16.000 Euro ohne Batterie kosten, jetzt beginnt der Verkaufspreis bei 29.900 Euro brutto. Sie haben im Juli den Preis nochmals um 1000 Euro angehoben. War das unumgänglich?
Das neue Pricing schmerzt uns durchaus. Aber man muss auch berücksichtigen, dass sich die finale Version des Sion stark vom Ursprungsmodell unterscheidet in Ausstattung, Features, Sicherheitskomponenten und Haptik. Hinzugekoimmen sind etwa der Lane Assist, die Notbremsung und natürlich alle notwendig gewordenen technischen Features wie etwa der eCall. Einen Preissprung gab es schon Ende 2018, damals sind wir abgekommen von der Batterie-Miete und bieten den Sion seither immer inklusive Batterie an. Und im vergangenen Jahr haben wir diese Batterie auch nochmals deutlich größer gemacht, von ursprünglich 35 kWh ist sie auf 54 kWh gewachsen. Das alles hat das Auto unserer Meinung nach deutlich aufgewertet und das muss sich auch im Preis niederschlagen.
Was sagt die Community dazu, die von Anfang an dabei ist und teilweise schon vor sechs Jahren eine Anzahlung geleistet hat?
Die Community ist uns extrem wichtig und wir nehmen ihre Meinung sehr ernst. Von der jüngsten Preiserhöhung haben wir die frühen Reservierer auch ausdrücklich ausgenommen.
Sie haben bei der Vorstellung des finalen Autos angekündigt, ab Ende 2023 die ersten Serienfahrzeuge ausliefern zu wollen. Ist das realistisch? Das Fahrzeug ist doch noch lange nicht durchgetestet und homologisiert.
Ja, wir wollen im zweiten Halbjahr nächsten Jahres die Serienproduktion starten bei unserem Partner Valmet. Ich gebe zu, das ist ein sausportlicher Zeitplan. Aber Valmet ist ein Top-Partner und steht zu 100 Prozent hinter uns. Der Vorstandschef Olaf Bongwald war am Dienstag bei der Vorstellung des finalen Sion dabei und hat zu unseren Gästen gesprochen - das war schon eine klare Botschaft.
Nehmen wir mal an, alles klappt wie am Schnürchen und die Bestellungen kommen auch rein - können Sie dann überhaupt liefern angesichts der aktuellen Lieferkettenprobleme?
Also zum einen haben wir die Serienproduktion ja noch nicht gestartet, das tun wir natürlich erst, wenn eine sichere Lieferkette steht. Und dann haben sich unsere Zulieferer wirklich extrem verpflichtet. Sie wollen den Sion auf die Straße bringen, und werden uns nicht im Stich lassen.
Wie sehen die nächsten Schritte auf dem Weg zum Serienauto aus?
Wir werden demnächst beginnen, Validierungsfahrzeuge zu bauen - insgesamt 37 Einheien, wobei 16 vollständige Fahrzeuge sein werden, 21 aber nur Rohkarosserien. Die sind vor allem für die Crashtests gedacht. Das sind ziemlich viele Validierungsautos im Vergleich zum üblichen Vorgehen, aber das brauchen wir, weil wir an allen Fronten schnell vorankommen wollen. Dann gehen wir so bald wie möglich mit zwei fertigen Vorserienmodellen auf Tour, die stellen wir der Öffentlichkeit und Journalisten vor.
Dann steht aber auch noch die nicht unbeträchtliche Hürde der Zulassung durch das Kraftfahrt-Bundesamt aus. Welche Signale erhalten Sie von dort für das Auto?
Natürlich schaut die Zulassung bei einer völlig neuen Marke ganz genau hin. Aber wir sind in bestem Einvernehmen. Vor kurzem hat uns das KBA als offiziellen Fahrzeughersteller gelistet, das ist schon ein wichtiger Schritt gewesen.
Dann stehen noch die Crashtests aus und das Urteil durch EURO-NCAP. Die Marke Dacia hat dort jüngst erfahren, dass Sparmaßnahmen beim Sicherheitsdesign wertvolle Sterne kosten können.
Wir bauen einen rundum sicheren Sion. Umweltschutz auf Kosten der Sicherheit etwa gibt es bei uns nicht. Bei EURO-NCAP streben wir mehrere Sterne an und ich bin zuversichtlich, dass das Auto das schaffen wird.
Sie haben jetzt auch erstmals eine Solar-Nachrüstlösung für große Busse vorgestellt, die sich an die Betreiber von 12-Meter-Bussen wendet. Wird diese Nutzung Ihrer originären Technologie irgendwann vielleicht das Hauptstandbein von Sono Motors sein?
Der Solar-Bus-Kit für den ÖPNV ist ein Anfang. Derzeit stehen wir mit 19 verschiedenen Unternehmen in konkreten Gesprächen. Wir haben also noch sehr viele weitere Ideen, um die Kraft der Sonne für Fahrzeuge zu nutzen. In Frage kommen zum Beispiel Anwendungen bei Kühlanhängern und Elektrobussen und natürlich auch bei elektrischen Transportern. Das sind derzeit die drei wesentlichen Bereiche, in denen wir rasch praktische Anwendungen sehen. Später können wir uns auch vorstellen, Anhänger mit unseren Panelen auszustatten, um die Zugfahrzeuge elektrisch zu entlasten.
Demnächst findet der Düsseldorfer Caravan Salon wieder statt, sind auch Solarpanele für Reisemobile ein Thema für Sono Motors?
Zu den Unternehmen, mit denen wir in Gesprächen stehen, gehört auch ein Freitzeitfahrzeughersteller. Auch dieser Bereich entwickelt sich und könnte ein interessantes Feld werden.
Herr Christians, man hat schon den Eindruck, dass Sono Motors von vielen Fachbeobachtern eine Menge Skepsis entgegenschlägt. Können Sie das verstehen?
Das ist nicht verwunderlich, schließlich sind wir kein etabliertes Unternehmen. Wir haben ja buchstäblich in der Garage losgelegt und sind sehr jung, ich habe zum Beispiel mein Studium abgebrochen, um mich ganz auf das Unternehmen zu konzentrieren. Die Skeptiker übersehen aber vielleicht, dass sich bei uns seither sehr viel verändert hat. Wir haben erfahrene Manager und Managerinnen unter uns und wir haben mit dem Börsengang bewiesen, dass wir auch auf die bohrenden Fragen der Investoren Antworten haben. Ich denke, wir sind zwar ein sehr junges, aber auch ein sehr professionelles Unternehmen mit transparenten Strukturen.
Aus dem Datencenter:
Neuzulassungen und Marktanteile alternativer Antriebsarten im 2. Quartal 2022 in Westeuropa