Herr Brandl, wie unterscheiden sich Ihr vorheriger Arbeitgeber EBM-Papst und Dräxlmaier in der Firmenkultur?
Bei ebm-papst habe ich 30 Jahre meiner beruflichen Laufbahn für ein Familienunternehmen gearbeitet und ich stelle viele Parallelen zwischen ebm-papst und Dräxlmaier fest. Beides sind Unternehmen, die nach festen Werten handeln. Das ist auch mir sehr wichtig, insbesondere wenn es um die Verantwortung für Mitarbeiter, die Regionen und die Kunden geht. Ich erlebe hier eine hohe Identifikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen und dem Unternehmer. Natürlich unterscheiden sich die Geschäftsmodelle und die automobile Welt hat ihre eigenen Gesetze. Ich versuche jedoch von Beginn an Strom und Benzin durch meine Arterien fließen zu lassen. Das hilft vielleicht auch bei Betrachtungen zur Transformation und bei den Mobilitätskonzepten der Zukunft.
Welche Weichen wollen Sie bei der strategischen Ausrichtung Dräxlmaiers stellen?
Das Unternehmen verfügt bereits über eine sehr gute Strategie und hat sich insbesondere beim Produktprogramm weiterentwickelt. Zudem hat sich Dräxlmaier sehr frühzeitig nachhaltig aufgestellt. Inhaber Fritz Dräxlmaier ist das Thema Nachhaltigkeit eine Herzensangelegenheit. Der große strategische Rahmen des Unternehmens kann also weitergeführt werden. Es gibt natürlich immer Dinge, die aktualisiert werden müssen, weil sich die Rahmenbedingungen ändern. Es geht jetzt vor allem um die Operationalisierung der strategischen Ausrichtung und deren Umsetzung. Wir wollen der nachhaltige Systemlieferant im Premiumsegment bleiben. An dieser großen strategischen Leitlinie halten wir fest.
Können Sie Nachhaltigkeit bei Dräxlmaier noch weiter konkretisieren?
Für uns ist Nachhaltigkeit grundsätzlich eines der wichtigsten Themen. Nachhaltigkeit beziehen wir nicht ausschließlich auf unsere Produkte, sondern das gilt für alles, was wir tun. Das reicht von den Prozessen über Logistikketten, unsere eigene Infrastruktur bis hin zu den Gebäuden. Wenn man Nachhaltigkeit nach außen proklamiert, dann muss man auch dafür sorgen, dass es nach innen gelingt. Bei Dräxlmaier wird Nachhaltigkeit wirklich gelebt. Das habe ich in der Ausprägung bisher noch nicht erlebt. Wenn ein Kunde eine Entscheidung für ein Produkt aus dem Hause Dräxlmaier trifft, dann kann er sicher sein, dass auf Nachhaltigkeit großen Wert gelegt wird.
Wo wollen Sie die Digitalisierung besonders beschleunigen?
Ich sehe es als eine unserer wesentlichen Aufgaben, die Transformation in der gesamten Wertschöpfungskette voranzutreiben. Wir wollen vor allem die gesamten End-to-End-Prozesse digitalisieren und damit das Unternehmen agil machen. Agilität und Schnelligkeit sind das Maß der Dinge, auch um bei den neuen Spielern in unserer Branche erfolgreich zu sein.
Wie ist Dräxlmaier beim Thema Industrie 4.0 aufgestellt?
Unsere weltweiten Produktionsstätten sind hervorragend positioniert. Was ich bisher gesehen habe, hat mich absolut begeistert. Jetzt geht es weniger um das Datenmanagement, sondern um Innovationen. Beispielsweise um Licht im Innenraum, da eröffnet die Digitalisierung viele Möglichkeiten.
Wie sehen Sie die den beschleunigten Trend hin zur E-Mobilität?
Das ist ein ganz wichtiger Faktor, auf den wir schon seit vielen Jahren gesetzt haben. Herr Dräxlmaier hat dafür die Weichen frühzeitig gestellt und in Entwicklung, Prototypen und Batteriesysteme investiert. Jetzt ernten wir die Früchte. Wir sind heute Systemanbieter für unterschiedliche Fahrzeugmodelle, die im Hochvoltbereich in Serie laufen. Und auch auf der Komponentenseite gibt es sehr viele Themen, die wir intensiv bearbeiten.
Bei den Fahrzeugarchitekturen geht der Trend zu zentralen Rechnern. Was bedeutet das für Sie als Bordnetzhersteller?
Die Bordnetze wie wir sie heute kennen, also der kundenspezifische Kabelbaum, werden auch weiterhin eine hohe Akzeptanz und Bedeutung im Markt genießen. Wir sehen also keine revolutionäre, sondern eher eine evolutionäre Veränderung in diesem Bereich. Bei Plug-in-Hybriden ist der Bordnetzanteil sogar eher größer, weil es dort noch mehr Komponenten gibt, die verkabelt, angesteuert und verbunden werden müssen. Wir haben heute eine Variantenzahl von zehn hoch 31 unterschiedlichen Bordnetz-Systemen, die wir im Markt platzieren.
Warum ist das so?
Weil jedes Bordnetz für jedes Fahrzeug individuell anders ist. Und das wird sich auch nicht über Nacht ändern. Aber die Zukunft wird so sein, dass wir stärker automatisieren und mehr mit zonalen Rechnern arbeiten. Da gibt es noch sehr viel Gestaltungsspielraum, den wir auch nutzen wollen. Wir sind sowohl für die zukünftigen Trends positioniert, wie auch für das Bestandsgeschäft.
Wie entwickelt sich Ihr Batteriegeschäft?
Bislang sehr dynamisch. Wir setzen im Bereich der E-Mobilität auf zwei Aspekte. Zum einen auf komplette Batteriesysteme, zum anderen auf Komponenten. Dazu zählen bei uns Hochvoltkomponenten und Bordnetze, Ladedosen und anderes mehr. Hinzu kommen Batteriemanagementsysteme sowie eine Reihe von Elektronikkomponenten. Damit adressieren wir alle Optionen, die sich im batterieelektrischen Fahrzeug ergeben können. Die Batteriesysteme werden sich in Zukunft noch stark weiterentwickeln.
Was meinen Sie damit?
Das Geschäftsmodell ist relativ neu und die Weichen müssen hier noch gestellt werden. Das gilt sowohl auf der Seite der Fahrzeughersteller wie auch auf Seiten der Lieferanten. Noch ist nicht entschieden, wer zukünftig was macht. Dräxlmaier hat es bei den Batteriesystemen mit einem ganz unterschiedlichen Portfolio an Lieferanten zu tun. Hinzu kommen die Zellhersteller und die Systemintegratoren. Im Markt wird noch sehr viel passieren. Wir sehen uns in allen Bereichen gut positioniert, um uns weiter erfolgreich am Markt zu platzieren.
Welche Umsätze erwarten Sie im Geschäft mit Batteriesystemen?
Im Batteriesegment und mit weiteren Komponenten in diesem Bereich verzeichnen wir ein sehr starkes Wachstum. Da bewegen wir uns in diesem Jahr in einem mittleren dreistelligen Millionen-Euro-Umsatzbereich.
Und welche Umsatzerwartung haben Sie insgesamt?
2020 lagen wir bei rund 4,2 Milliarden Euro. 2021 hatten wir ein sehr starkes erstes Halbjahr. In der zweiten Jahreshälfte gab es in unserer Industrie, bedingt durch die Halbleiterkrise, aber erhebliche Probleme, von denen wir indirekt betroffen waren, weil die Fahrzeughersteller nicht ausreichend mit Chips versorgt wurden. Das hat bei uns zu Umsatzrückgängen geführt. Derzeit fahren wir auf Sicht. Es wird wohl noch mehrere Monate dauern, bis in der Halbleiterbranche wieder ausreichend Kapazitäten zur Verfügung stehen.
Wie viel Umsatz werden Sie wegen der Chipkrise einbüßen?
Das ist bei der Volatilität des Marktes aktuell schwer vorzusehen, wir gehen aber von einem dreistelligen Millionenbetrag aus.
Dräxlmaier betreibt in Sachsenheim ein Batteriewerk. Die IG Metall möchte dort eine Tarifbindung. Wie sehen Sie die Thematik?
Vom Grundprinzip her haben wir die Mitarbeiterorientierung in den Leitlinien und Werten verankert. Das hat erst einmal gar nichts mit Tarif oder Nichttarif zu tun, sondern es geht im Wesentlichen darum, dass wir in die Mitarbeiter investieren und die Mitarbeiter ins Unternehmen investieren, indem sie gute Arbeit leisten. Und wir versuchen ein Umfeld zu schaffen, das genau diesem Anspruch gerecht wird. Das heißt faire Löhne und entsprechende Arbeitszeiten sowie weitere Benefits zu einem ganzheitlichen Paket zu gestalten, das für Zufriedenheit bei den Mitarbeitern sorgt. Durch Mitarbeiterbefragungen sehen wir uns bestätigt. Ich gehe davon aus, dass wir in der Zukunft den Standort in der gleichen Art und Weise fortführen können.
Wie verteilen sich bei Ihnen die drei Weltregionen Europa, Asien und Nordamerika prozentual?
Auf Europa entfallen in etwa 50 Prozent des Umsatzes, der Rest teilt sich auf die Regionen auf.
Planen Sie Akquisitionen?
Dräxlmaier ist eher bekannt für intrinsisches Wachstum. Wir sind in der Vergangenheit organisch gewachsen und haben das Portfolio verbreitert. Und das ist gut so. Wenn wir merken, dass es an der ein oder anderen Stelle vielleicht sinnvoller wäre, uns zu ergänzen, dann werden wir das seriös prüfen. Aber im Wesentlichen wollen wir organisch wachsen. So eine Integration ist auch kein Zuckerschlecken. Die Managementkapazitäten, die für eine Integration benötigt werden, sind immens. Da konzentrieren wir uns lieber auf unser Geschäft, als uns in ein Abenteuer zu begeben.
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