Erschüttertes Vertrauen in die Typzulassung

Der vom Europäischen Rechnungshof vorgelegte "Sonderbericht Reduktion der CO2-Emissionen von Pkw" lässt bei allen diplomatischen Formulierungen nur einen Schluss zu: Die untersuchten Behörden in den Niederlanden und in Italien haben auf ganzer Linie versagt und auch in Deutschland ist das Kraftfahrt-Bundesamt seinem gesetzlichen Auftrag nicht ausreichend nachgekommen. Es wurden auch in Deutschland zu wenige neue Fahrzeuge geprüft, man verließ sich offenbar in alter Manier auf die Angaben der Hersteller.

Das erinnert fatal an die viel zitierte Grußformel des früheren KBA-Präsidenten Ekhard Zinke, der einige seiner Briefe mit der Formulierung "mit industriefreundlichem Gruß" zu beenden pflegte.

Gewiss: Die europäischen Rechnungsprüfer haben sich nur bei drei von 27 Zulassungsbehörden umgeschaut, warum auch immer. Möglicherweise haben die Behörden in anderen Ländern solider gearbeitet - möglicherweise aber auch nicht.

Ein vollständigeres Bild wäre jetzt sicher angebracht. Aber es handelt sich um drei wichtige "Autoländer" mit hohen Neuzulassungszahlen und mit einem großen Anteil an den Typzulassungen.

Noch ist nicht bekannt, welche Fahrzeugmodelle der letzten Jahre möglicherweise ohne glaubwürdige Überprüfung ihre Typzulassung erhalten haben. Gewiss wird nun aber für einige Modelle und Hersteller eine längere Phase der Ungewissheit beginnen. Die offenbar leichtfertig durchgewunkenen Modelle müssen schnell nachgeprüft werden, um Zweifel an ihren CO2-Emissionsangaben auszuräumen. Die Restwerte dieser Modelle sind ungewiss, solange ihre Emissionsdaten nicht amtlich feststehen.

Sicher ist: Das Vertrauen der europäischen Politik und der interessierten Öffentlichkeit, insbesondere der Umweltorganisationen in ganz Europa, dürfte durch diesen Bericht erschüttert werden. Es wäre ein Wunder, wenn nicht in Kürze Organisationen wie "Deutsche Umwelthilfe" oder "Transport & Environment" auf eine Neuorganisation der Zulassungsbehörden pochen würden.

Die europäische Politik trifft weitreichende Entscheidungen für die Automobilindustrie in Europa und sie muss dabei auf die Daten der Zulassungsbehörden vertrauen. Fehlen diese Daten ganz, werden sie durch zeitliche Verzögerungen verfälscht oder entsteht der Verdacht, dass einige Behörden blind auf die Angaben der Industrie vertrauen, dann beruhen diese Entscheidungen auf falschen Voraussetzungen.

Womöglich ist dieses Vertrauen nur durch eine grundlegende Reform der Typzulassung wiederherzustellen. Eine zentrale europäische Agentur ohne nationale Eigeninteressen wäre die richtige Antwort.

Auffällig war schon immer, dass einige Kleinstaaten wie etwa Zypern einen ungewöhnlich hohen Anteil an Typzulassungen in Europa haben, der in keiner Weise mit ihrer Rolle in der europäischen Automobilindustrie korrespondiert. Der Verdacht, dass in den Mitgliedsstaaten unterschiedliche Kriterien angelegt werden, liegt nahe. Die Typzulassung ist aber kein Basar, sondern eine ernste hoheitliche Aufgabe mit erheblichen Folgen für Verbraucher, die Umwelt und die Industrie.

Aus dem Datencenter:

CO2-Ausstoß der Pkw-Neuzulassungen bis November 2023