Worauf sich Zulieferer im Komponentengeschäft einstellen müssen

Elektrische Antriebe und Digitalisierung bestimmen zunehmend die Fahrzeugwelt. Damit einher geht eine verstärkte Nachfrage nach Komponenten für E-Fahrzeuge, elektrische Antriebsstränge, Fahrerassistenzsysteme und Infotainment-Elektronik, heißt es in einer Analyse der Unternehmensberatung McKinsey. Die Autoren der Untersuchung gehen davon aus, dass Komponenten für E-Fahrzeuge (EV) fortschrittliche Elektronik, wie beispielsweise elektrische Antriebsstränge, Fahrerassistenzsysteme (ADAS) und Infotainment-Elektronik, bis zum Jahr 2030 insgesamt 36 Prozent des Marktes erreichen, verglichen mit derzeit elf Prozent.

Doch auch die Kernkomponenten des Fahrzeugs, darunter das Achssystem, die Aufhängung, die Rohkarosserie sowie die Front- und Heckstruktur oder das Interieur, werden demnach weiterhin eine wichtige Rolle spielen. „Wir schätzen, dass diese bis 2030 55 Prozent des Gesamtmarktumsatzes ausmachen werden, verglichen mit 69 Prozent heute, und einen Umsatz von 886 Milliarden US-Dollar generieren werden, verglichen mit 748 Milliarden US-Dollar im Jahr 2022“, heißt es in der Analyse. Die Nachfrage nach einzelnen Kernkomponenten und der Umfang der erforderlichen Konstruktionsanpassungen werde unter anderem von der Geschwindigkeit abhängen, wie sich das Verbraucherverhalten verändert.

Dabei wird der Markt für Verbrenner-Komponenten von heute 219 Milliarden US-Dollar auf 146 Milliarden US-Dollar im Jahr 2030 sinken. Der Markt für EV-Komponenten und Elektronik wird hingegen von heute 116 Milliarden US-Dollar auf rund 590 Milliarden US-Dollar im Jahr 2030 ansteigen, so ein weiteres Ergebnis der Analyse.

Ausgehend von einem mittleren Szenario, das auf der bestehenden Regulierung und den aktuellen Trends bei der Einführung von E-Fahrzeugen basiert, gehen die Autoren von einem stabilen Wachstum im Kerngeschäft mit Fahrzeugkomponenten bis 2030 aus, was mit den Aussichten für die globale Leichtfahrzeugproduktion übereinstimme. Trotz des zunehmenden Fokus auf Elektrifizierung dominieren Komponenten für Verbrennungsmotoren nach wie vor die Umsätze in der Zulieferindustrie für Leichtfahrzeuge. Weltweit erwirtschaften 89 Prozent der Tier-1-Zulieferer mehr als 90 Prozent ihres Umsatzes in diesen Kategorien.

Unter den Zulieferern unterscheiden die Autoren vier Typen: Prozessorientierte Unternehmen, Portfolio-Konglomerate, neue Technologieanbieter und Spezialisten im Bereich Verbrennungsmotor. Der größte Anteil werde dabei von prozessorientierten Unternehmen kontrolliert. Diese Unternehmen erzielen 89 Prozent ihrer Einnahmen mit Kernkomponenten. Portfoliokonglomerate erreichen rund 30 Prozent ihres Umsatzes mit ICE-Komponenten. Die meisten Unternehmen dieser Gruppe würden sich auf den Aufbau einer Marktposition bei E-Fahrzeugen und E/E-Trendkomponenten konzentrieren.

Die Anbieter neuer Technologien verdienen das meiste Geld mit E/E-Trendprodukten und erzielen nur acht Prozent des Umsatzes mit Kernkomponenten. Auf die ICE-Antriebsspezialisten für Verbrennungsmotoren entfallen rund 14 Prozent des Umsatzes. Viele Unternehmen in dieser Gruppe bereiten sich auf den unvermeidlichen Übergang mit Strategien vor, die von der Konsolidierung bis zur Last-Man-Standing-Strategie reichen, sowie mit Portfolioverschiebungen in Richtung EV- und E/E-Komponenten.

Als die beiden kritischen Unterkategorien im Kernkomponentenmarkt identifizieren die Autoren das Fahrwerk, worauf im vergangenen Jahr 24 Prozent der Umsätze entfielen, und die Karosseriestruktur, die im selben Jahr 21 Prozent erreicht. Die Nachfrage nach Fahrwerkkomponenten, wozu Produkte wie Achsen, Aufhängungen, Bremsen, Lenkungen und Räder zählen, werde voraussichtlich mit dem der Fahrzeugproduktion übereinstimmen. Das wären rund 3,5 Prozent für die Jahre 2022 bis 2025, aber nur noch 1,6 Prozent für den Zeitraum 2022 bis 2030.

Für den Karosseriebereich, zu dem McKinsey Rohkarosserien, Verschlüsse, Verbindungselemente sowie Front- und Heckstrukturen zählt, erwarten die Autoren ein Wachstum von 3,3 Prozent im Zeitraum 2022 bis 2025 und 1,5 Prozent zwischen 2022 und 2030. Dabei dominieren laut Analyse zwei Gruppen von Akteuren. Auf prozessorientierte Anbieter entfallen 84 Prozent des Karosseriestrukturmarktes und 67 Prozent des Fahrgestellmarktes, während die Portfolio-Konglomerate elf Prozent beziehungsweise 23 Prozent ausmachen. Dennoch wird es laut Analyse im Zuge der Elektrifizierung zu nuancierten Verschiebungen in der Nachfrage beider Kategorien kommen. Dies gelte sowohl für die Teile selbst als auch für Sicherheitsstandards und Produktionstechnologien.

Da die E-Motoren wie bei Verbrennungsmotoren häufig im Heck und nicht vorne untergebracht sind, muss die Konstruktion der Hinterachsen weiterentwickelt werden, um das zusätzliche Gewicht zu tragen, während der vordere Hilfsrahmen einfacher ausgelegt werden könnten. Daraus ergeben sich nach Ansicht der Autoren zusätzliche Anforderungen an Fahrgestell- und Strukturkomponenten, um die Hochspannungsbatterien zu schützen.

Außerdem sorge die veränderte Konfiguration für mehr Platz im vorderen Bereich der Fahrzeuge. Dies könnte sich auf die Konstruktion von Wärmemanagementsystemen sowie Heizungs-, Lüftungs- und Klimaanlagen (HVAC) auswirken. Ein insgesamt schwereres E-Fahrzeug werde dafür sorgen, dass Strukturteile und Aufhängungen neu konzipiert werden müssen. In der Zwischenzeit, so die Erwartung der Autoren, würden erschwinglichere Starrachsen ein Revival in den preiswerteren Segmenten batterieelektrischer Fahrzeuge (BEV) mit Frontantrieb erleben.

Angesichts der strukturellen Veränderungen, die bei E-Fahrzeugen erforderlich sind, sollten die Zulieferer damit rechnen, dass die Regulierungsbehörden die Sicherheitsanforderungen für Strukturteile verschärfen. Dies werde zu einer steigenden Nachfrage nach hochfestem Stahl führen, um die Nutzer im Falle eines Überschlags besser zu schützen.

Veränderungen sind auch bei den Produktionstechnologien zu erwarten. Die Industrie sei bereits dabei, Stahlschalen-Konstruktionen durch aluminiumgegossene Hilfsrahmen zu ersetzen, was aus Kostengründen vor allem für leistungsstärkere Segmente relevant sei. Die Autoren erwarten, dass das die Komplexität von Konstruktion und Fertigung verringern wird und die Integration von Verbindungen zu anderen Komponenten in das Gussteil erleichtert.

Aus regionaler Sicht wird das schnellste Wachstum im Markt für Fahrgestelle für die Jahre 2022 bis 2025 in Nordamerika erwartet. Für diese Region wird ein Wachstum von 4,6 Prozent prognostiziert, verglichen mit 3,9 Prozent in Europa und 3,0 Prozent im asiatisch-pazifischen Raum (APAC). McKinsey führt diese Entwicklung auf die schnelle Erholung der Produktion nach dem Rückgang während der COVID-19-Pandemie zurück.

Wie sollten die Hauptlieferanten nun auf die zu erwartenden Veränderungen reagieren? Im Zuge der Umstellung auf E-Fahrzeuge sollten sich die Entscheider in den meisten Fällen auf die Kernkomponenten des Fahrzeugs konzentrieren, sich an den neuesten Trends orientieren und die mit der Einführung von E-Fahrzeugen verbundenen Chancen genau beobachten. In einem intensiven globalen Wettbewerb werde der Schlüssel zur langfristigen Wettbewerbsfähigkeit darin liegen, die Produktionseffizienz bei den Kernkomponenten zu priorisieren und gleichzeitig Fähigkeiten aufzubauen, die die Innovationsagenda unterstützen.

Akteure mit Fachwissen im Bereich Karosserieverglasung sollten sich auf Schiebe- oder Schiebedächer konzentrieren (für die ein jährliches Wachstum von elf Prozent prognostiziert wird und die bis 2030 einen Jahresumsatz von 5,8 Milliarden US-Dollar erreichen könnten). In der Zwischenzeit könnte vor dem Hintergrund steigender Nachfrage im Bereich des autonomen Fahrens, die Erfahrung der Zulieferer mit konventionellem Bremsen und Lenken die Chance bieten, Steer-by-Wire- oder Brake-by-Wire-Systeme einzuführen.

Von den führenden Anbietern von Fahrwerks- und Strukturkomponenten bieten nur etwa 30 Prozent EV- oder E/E-orientierte Komponenten an. In der Regel entfallen auf diese fünf bis zehn Prozent des Umsatzes. Üblicherweise konzentrieren sich die Unternehmen auf Komponenten für den Antriebsstrang (Batteriegehäuse, E-Motoren und Wechselrichter) und Sensoren, aber mit der Beschleunigung des grünen Wandels können die Unternehmen zusätzliche Möglichkeiten in Betracht ziehen. „Wir gehen davon aus, dass der Markt für Batteriegehäuse, einschließlich Batterie-Thermomanagement, bis 2030 ein Wachstum von 23 Prozent CAGR und einen Wert von 30 Milliarden US-Dollar erreichen wird“, heißt es in der Analyse.

Das Gehäuse werde dabei zunehmend in die Fahrzeugstruktur integriert und erfordere Kenntnisse über das Design von Kühlplatten. Darüber hinaus könnte die Neugestaltung von Struktur- und Wärmemanagementsystemen zu neuen Möglichkeiten bei Komponenten wie Wärmepumpen führen. Die Autoren erwarten ein Wachstum von 30 Prozent CAGR und eine potenzielle Marktgröße von 6,1 Milliarden US-Dollar bis 2030. Des Weiteren sollten die Zulieferer auch über ihre regionalen Strategien nachdenken.

Beide Märkte, sowohl Fahrwerk als auch Strukturbauteile, sind laut Analyse stark fragmentiert. Auf die fünf größten Anbieter von Strukturbauteilen entfallen demnach nur 27 Prozent des Marktes, wobei die 50 größten Anbieter einen Anteil von 73 Prozent erreichen. Bei Fahrgestellen kommen auf die fünf größten Anbieter 23 Prozent und auf die 50 größten Anbieter 72 Prozent. Vor diesem Hintergrund könne es für Zulieferer sinnvoll sein, anorganische Strategien wie Fusionen und Übernahmen in Betracht zu ziehen.

Da der Markt für Kernkomponenten weiter wachse, werden die Entscheidungen der Führungskräfte langfristig entscheidend für die Geschäftsaussichten sein. Die Autoren plädieren für eine Mentalität des Veränderungsmanagements im gesamten Unternehmen. Es gelte entschlossen zu handeln, um neue und weiter bestehende Chancen zu erkennen und nutzen.

Dazu aus dem Datencenter:

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