Weckruf für die Branche

Unter dem Titel „Gemeinsam zum Erfolg. Grundsätze der Zusammenarbeit zwischen Automobilherstellern und ihren Partnern“ hat der Verband der Automobilindustrie VDA ein Papier an seine Mitglieder geschickt, um für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Herstellern, Zulieferern und Entwicklungsdienstleistern zu werben. Das Papier, dass der Automobilwoche vorliegt, wurde vom Ausschuss für die automobile Lieferkette erarbeitet und am 22. Juni vom VDA Vorstand verabschiedet und an seine Mitglieder verschickt.

Der VDA hat auch deshalb reagiert, weil viele Zulieferer unter Druck stehen und die zusätzlichen Belastungen durch eine steigende Inflation, explodierende Energie- und Rohstoffkosten und hohe Ausgaben im Zusammenhang mit der Transformation nicht mehr alleine schultern können. Die Lieferanten fordern unter anderem, dass sich die Fahrzeughersteller stärker an den Kostensteigerungen beteiligen und verlässlicher bei den Lieferabrufen werden.

Das Engagement des VDA wird auch von der Arbeitsgemeinschaft Zulieferindustrie ArGeZ begrüßt.  Für Hersteller-Zulieferer-Beziehungen seien Stabilität, langfristige Partnerschaften, transparente und zeitnahe Kommunikation und das Teilen von Risiken und Chancen wichtige Aspekte. Jetzt komme es darauf an, „dass das Papier gelebte Praxis wird und nicht in der Schublade liegt. Daran müssen alle Beteiligten ab sofort kontinuierlich arbeiten und Fortschritte erzielen“, fordert Christian Vietmeyer, Hauptgeschäftsführer des Wirtschaftsverbands Stahl- und Metallverarbeitung und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Zulieferindustrie.

Laut VDA-Papier befindet sich die Automobilindustrie „inmitten einer beispiellosen Transformationsphase, die ausgelöst wird durch technologischen Fortschritt, sich verschiebende Märkte und regulatorische Rahmenbedingungen. Sie wird die Mobilität und die Zusammenarbeit in der Wertschöpfungskette nachhaltig verändern.“

Traditionelle Partnerschaften zwischen Herstellern und ihren Partnern würden in einem rückläufigen Markt für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren auf eine harte Probe gestellt. „Neue Antriebstechnologien bringen neue Formen der Kooperation zwischen den Herstellergruppen und neue Anforderungen an nachhaltige Lieferketten, mit denen es sich herstellergruppenübergreifend auseinanderzusetzen gilt, mit sich“, heißt es weiter.

Um diese Herausforderungen zu meistern, müssten weiterhin verlässliche und anerkannte Prinzipien das Fundament der Zusammenarbeit bilden. „Diese Grundsätze der Zusammenarbeit zwischen den Automobilherstellern und ihren Partnern in der automobilen Wertschöpfungskette sollen deshalb eine Basis für eine ausgewogene Lastenteilung in der Transformationsphase sein.“

Eine der Forderungen im VDA-Papier: „Die Übernahme gemeinsamer Verantwortung und das Schaffen einer vertrauensvollen Zusammenarbeit erfordern eine Partnerschaft aller Beteiligten auf Augenhöhe. Dazu gehören Fairness, Transparenz und unternehmerische Nachhaltigkeit.“ Und weiter: „Nachhaltigkeit in der Hersteller-Zulieferer-Beziehung fokussiert dabei besonders auf Stabilität, langfristige Partnerschaften, transparente und zeitnahe Kommunikation und das Teilen von Risiken und Chancen.“

Vietmeyer hält beide Aussagen für „sehr richtig“. Aber dann müssten seiner Meinung nach die Hersteller auch bereit sein, massiv gestiegene Kosten der Zulieferer aufzunehmen. „Eine Ablehnung von Verhandlungen ist genau das Gegenteil dieser Grundsätze“, erklärt Vietmeyer.

Zudem beschäftigt sich da Papier damit, wie die vertraglichen Beziehungen zwischen Herstellern und Zulieferern modernisiert werden können. Dabei heißt es: „Digitale Produkte und Technologien, neue Wertschöpfungsmodelle und sich verändernde Aufgabenteilungen zwischen Herstellern und ihren Partnern erfordern einen respektvollen Umgang beim Schutz des geistigen Eigentums und bei der Übertragung von Rechten sowie angemessene Gewährleistungsbedingungen.“
Laut Vietmeyer zeichnen sich die Einkaufsbedingungen der Automobilhersteller seit Jahrzehnten durch unangemessene Gewährleistungsbedingungen aus. „Der Zulieferer soll für alles pauschal haften, selbst wenn er den Schaden nicht verursacht oder zu verantworten hat.“ Die Versicherer würden regelmäßig die Unangemessenheit bestätigen und verweigerten deshalb den Versicherungsschutz. „Es ist überfällig, dass sich daran etwas ändert und nur Haftungen übernommen werden müssen, die versicherbar sind und dem geltenden Recht entsprechen.“

Desweiteren setzt sich der VDA in seinem Papier dafür ein, dass die Resilienz der Lieferketten zu erhöhen. „Zur Stabilisierung gestörter Lieferketten kann die Erhöhung der Genauigkeit und Konsistenz von Abrufen und möglichst langfristige Planung durch den Kunden einen signifikanten Beitrag leisten, ebenso wie das aktive Sublieferantenmanagement durch die Lieferanten.“

Auch diese Aussage hält Vietmeyer für „absolut richtig“. Allerdings würden die Unternehmen oft das Gegenteil erleben: „es soll eine Lieferfähigkeit von über 100 Prozent bestätigt werden und später wird deutlich darunter abgenommen.“ Kurzfristig Stornierungen auch verbindlicher Bestellungen finden nach seiner Einschätzung immer noch statt. „Die elektronischen Lieferabrufsystem werden nicht immer tagesaktuell auf die Mengen eingestellt, die auch tatsächlich abgenommen werden“, bedauert er.

An anderer Stelle des Papiers heißt es: „Das Bereithalten größerer Lieferkapazitäten auch bei kurzfristig schwankenden Abrufen kann einen wichtigen Beitrag zur Sicherstellung der Lieferfähigkeit und somit für intakte Lieferketten leisten, ist aber oftmals mit erheblichem Aufwand für Lagerhaltung und Logistik verbunden. Dieser ist angemessen in der Lieferbeziehung zu berücksichtigen.“ Vietmeyer kann das nur bestätigen, wünscht sich an dieser Stelle jedoch eine noch klarere Sprache: „Die Vorhaltung von Vormaterial und Lägern muss bezahlt werden.“

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