Heycars riskante Wette

Die Gebrauchtwagenplattform Heycar baut ihr Angebot massiv um. Für rund 150.000 Autos auf der Plattform gibt es ab sofort eine Online-Barkauf-Funktion. Diese wird automatisch für alle gelisteten Autos aktiviert, die unfallfrei und maximal fünf Jahre alt sind, weniger als 100.000 Kilometer und mindestens ein Jahr Garantie haben.

Ob die Händler das wollen, spielt zunächst keine Rolle: "Der Direktkauf wird sofort für alle Händler aktiviert. Der Händler muss sich nicht aktiv dafür entscheiden", sagt Chief Commercial Officer Stefan Page. Lehnt ein Händler den Onlinekauf für seine Autos ab, muss er die Funktion selbst deaktivieren. Dank dieses Opt-out-Modells kann sich Heycar nun rühmen, das größte Direktkauf-Angebot im Markt zu haben. Zum Vergleich: Beim Angebot von AutoScout24 sind derzeit rund 28.000 Autos gelistet, bei Mobile.de nur rund 600.

Heycars Ansatz ist durchaus mit einer Wette vergleichbar: Die Plattform geht davon aus, dass ein Großteil der Partner auf Anhieb mitzieht. Tun sie das nicht, drohen massenweise frustrierte Kunden. Denn so funktioniert es: Klickt ein Kunde auf "Kaufen", erhält der Händler eine Nachricht von Heycar und hat 24 Stunden Zeit, den Kauf zu bestätigen. Nur dann kommt ein Vertrag zustande. Wird der Händler hingegen nicht aktiv, läuft der vermeintlich sichere Kauf des Kunden ins Leere. Bei den Angeboten von AutoScout24 und Mobile.de hingegen müssen die Händler Fahrzeuge vorher explizit zum Online-Direktkauf freigeben. Entscheidet sich ein Kunde zum Kauf, kommt der Vertrag dann sicher zustande.

Das ist jedoch nicht der einzige fundamentale Unterschied: Bei Mobile.de oder AutoScout24 erwirbt die Plattform das Fahrzeug beim Händler, um es in einem zweiten Schritt sofort an den Endkunden weiterzuverkaufen. Der Zwischenschritt hat für das Autohaus den Vorteil, dass alle Risiken und Kosten aus Gewährleistung, Rückgaberecht oder Auslieferung bei der Plattform liegen.

Bei Heycar hingegen ist der Händler Vertragspartner. Dadurch behält er den wichtigen Kontakt zum Kunden. Der Nachteil: Er trägt auch alle Risiken und muss sich um die Auslieferung kümmern. Doch nicht jeder Händler wird auf Anhieb die Kapazitäten haben, Autos beispielsweise von München nach Hamburg zu liefern. Vor allem dann nicht, wenn er das ohne Vorlaufzeit tun soll. Denn der Handel wurde nicht vorab sondern erst zum Start des neuen Angebots informiert.

Es steht daher zu befürchten, dass mancher Händler vorerst gar nicht anders kann, als seine Beteiligung am Online-Barkauf-Angebot wieder zurückzuziehen. Abhilfe dürfte wohl erst der Heycar-eigene Auslieferungs- und Zulassungsservice bringen, der bis zum Jahresende kommen soll.

Neben dem händlerexklusiven Kundenkontakt will Heycar vor allem durch sein Preismodell überzeugen: Die ersten drei Verkäufe sind zunächst kostenlos. "Jeder kann für sich testen, ob ihm das einen Mehrwert bringt oder nicht", sagt Page. Danach ist pro Abschluss ein Prozent des Nettopreises fällig. "Unsere Konditionen für den Handel sind deutlich günstiger als die unserer Konkurrenten", sagt er. AutoScout24 verlange bei Smyle 4,99 Prozent.

Banken sind im Kaufprozess explizit außen vor. Nach Vertragsabschluss hat der Kunde drei Tage Zeit, dem Händler das Geld zu überweisen. "Eine Direktüberweisung hat sich als die für den Kunden einfachste Option erwiesen."

Später jedoch werden Banken durchaus mit von der Partie sein. "Wir werden für Hersteller-Captives die Möglichkeit schaffen, Finanzierungsoptionen einzubinden", sagt Page. Für Marken ohne eigene Autobank-Anbindung soll es eine Non-Captive-Lösung geben. Konkrete Absatzziele nennt Heycar nicht.