Lucid startet in Deutschland

Schon länger deuten Plakate in den Fenstern am Odeonsplatz in München darauf hin, dass hier ein neuer Autohersteller eine Repräsentanz eröffnen will. Nun wird es konkret. Mitte Mai wird das amerikanische Start-up Lucid sein erstes Studio in Deutschland offiziell in Betrieb nehmen, wie die Automobilwoche aus Unternehmenskreisen erfahren hat. Die rein elektrische Luxuslimousine Air, die dann auch bestellbar ist, soll der Konkurrenz von Mercedes, BMW und Audi Marktanteile abjagen.

Deutschland ist der erste Markt in Europa, den Lucid ins Visier nimmt. Danach sollen weitere Länder wie Frankreich, Italien, die Schweiz oder Norwegen auf dem Festland folgen. Eine Rechtslenkerversion für Großbritannien ist ebenfalls geplant. In den USA kostet der Air 77.400 bis 169.000 Dollar (68.600 bis 149.700 Euro). Der EQS von Mercedes bewegt sich zwischen 98.000 und 153.000 Euro für die AMG-Version. Wie hoch die Preise in Deutschland für den Air sein werden, ist aktuell nicht bekannt. Je nach Modell wird für die Reservierung eine Anzahlung bis zu 900 Euro fällig.

Die Topversion des Lucid Air leistet bis zu 817 kW (1111 PS), beschleunigt unter drei Sekunden auf Tempo 100 und kommt mit einer Ladung nach der realitätsnahen US-Norm EPA bis zu 832 Kilometer weit. Damit übertrifft der Air selbst den EQS von Mercedes, der es nach dem WLTP-Zyklus auf bis zu 780 Kilometer bringt und als eines der effizientesten Elektroautos gilt. Auch der erschwinglichste Air bietet mit 653 Kilometer so viel Reichweite wie das aktuell reichweitenstärkste Modell von E-Auto-Branchenprimus Tesla.

Zwar stoßen die Produkte von Lucid auf positive Resonanz bei Kunden und Journalisten. Doch das Unternehmen kämpft derzeit mit erheblichen Anlaufschwierigkeiten. Im Oktober begann die Auslieferung des Air in den USA. Bis Ende des Jahres 2021 kamen aber lediglich 125 Autos aus der Fabrik in Casa Grande im US-Bundesstaat Arizona. Geplant waren eigentlich knapp 600 Exemplare. Auch für das Jahr 2022 wurden die Erwartungen bereits deutlich nach unten korrigiert. Statt 20.000 Fahrzeugen will man nun nur noch 12.000 bis 14.000 produzieren, wie das Unternehmen Ende Februar bekanntgab. Die Kapazität liegt bei 30.000 Einheiten.

Als offiziellen Grund gibt Lucid Probleme in der Lieferkette an, mit denen im Moment viele Hersteller zu kämpfen haben. Wie zu hören ist, soll es aber auch in der Produktion selbst kräftig knirschen. Lucid-Chef Peter Rawlinson betont immer wieder, dass die Qualität vor Quantität gehe. Sollte ein Luxusauto für diesen Preis Mängel haben, dann hätte dies fatale Folgen für das Image des noch jungen Unternehmens. Immerhin steigen die Zahlen nun offenbar. Laut Lucid sind in den ersten beiden Monaten des Jahres 400 Fahrzeuge produziert und 300 ausgeliefert worden. Laut dem Statistikportal "Carsalesbase" kamen im März noch einmal 190 verkaufte Air hinzu.

Trotz schleppenden Anlaufs bleiben die Pläne ehrgeizig. Mit dem SUV Gravity ist ein zweites Modell geplant. Der Start wurde allerdings um ein Jahr auf 2024 verschoben. Zudem will Lucid sein Werk in Casa Grande in der Größe vervierfachen. Außerdem kündigte das Unternehmen jüngst den Bau einer weiteren Fabrik in Saudi-Arabien an. Mit der dortigen Regierung sei ein Vertrag geschlossen worden, der innerhalb von zehn Jahren die Abnahme von 100.000 Fahrzeugen garantiert. Weitere 50.000 Fahrzeuge könnten als Option hinzukommen. Saudi-Arabien ist schon bisher der größte Geldgeber bei Lucid. In der Fabrik sollen einmal bis zu 150.000 Fahrzeuge produziert werden.

Für den Bau der Produktionsstätte wollte Saudi Arabien Gerüchten zufolge zunächst fünf Milliarden Dollar zur Verfügung stellen. Ein Betrag, der den Bedarf für eine Fabrik bei Weitem übersteigt. Selbst mit angeschlossener Batteriezellfertigung dürften die Kosten umgerechnet rund zwei Milliarden Euro nicht übersteigen. Die Auslieferungen sollen bereits im Jahr 2023 beginnen. Das Volumen von zunächst 1000 bis 2000 Fahrzeugen pro Jahr soll dabei aus beiden Lucid-Fabriken bedient werden. Nach Angaben von Lucid wird der Air auch in Saudi-Arabien zu den üblichen Handelskonditionen verkauft.

Dennoch hat das Vertrauen der Anleger in Lucid und seine Geschichte deutlich nachgelassen. Vom Höchststand mit rund 55 Dollar im November 2021 ist der Aktienkurs inzwischen weit entfernt. Aktuell dümpelt er bei rund 18 Dollar dahin, woran auch der Deal mit Saudi-Arabien nichts ändern konnte. Bisher verbrennt Lucid noch sehr viel Geld bei geringem Umsatz. Allein im vierten Quartal des vergangenen Jahres betrug der Verlust rund eine Milliarde US-Dollar. Der Blick auf den Konkurrenten Tesla zeigt allerdings, dass Investoren zuweilen für einen langen Atem auch belohnt werden.

Aus dem Datencenter:

Verteilung der Antriebsarten der Top-20-Marken im März 2022 in Deutschland