Manchmal fehlt die Change-Mentalität

In ihrer aktuellen Studie "Global Supplier Risk Monitor" hat die Unternehmensberatung Deloitte interne und externe Risiken für insgesamt 19 Komponenten vom Verbrennungsmotor über Bremsen bis hin zu neuen Technologien wie Fahrerassistenzsysteme analysiert.

Doch bei manchem Unternehmen war das mit einer enormen finanziellen Kraftanstrengung verbunden. Neben den stark eingetrübten mittel- bis langfristigen Aussichten haben die von den meisten Unternehmen eingeleiteten Krisenmaßnahmen auch ihre finanziellen Reserven aufgezehrt, so die Autoren. Angesichts der aktuellen Situation sei es für Lieferanten wichtiger denn je, den eingeschlagenen Kurs zu überprüfen, die relevanten Stromschnellen und Klippen auf dem Weg dorthin systematisch zu identifizieren und diese Risikotreiber sowie andere relevante Entwicklungen laufend zu überwachen.

Und der Druck steigt weiter, seitdem die EU-Kommission jüngst ein umfangreiches Gesetzespaket vorgelegt, welches den Regulierungsrahmen der europäischen Energie- und Klimapolitik an das neue Klimaziel, die Treibhausgasemissionen der EU um 55 Prozent - statt bisher 40 Prozent - im Vergleich zu 1990 zu reduzieren, anpassen soll. "Wenn es dazu kommen sollte, dass das EU-Parlament und die Länder dem Vorschlag der EU-Kommission zustimmen, werden sich die Trends, die wir in unserem Risk Monitor sehen, für die Zulieferer weiter verstärken", ist Daniel Montanus, Director Restructuring Services bei Deloitte, überzeugt.

Für viele der Unternehmen seien die Vorschläge der EU-Kommission jedoch Chance und Risiko zugleich. Bisher gab es kein konkretes Ziel, auf das die Zulieferer hätten hinarbeiten können. "Bei einer Verabschiedung der Vorschläge durch das EU-Parlament gäbe es Planungssicherheit und das würde dazu führen, dass sich die Unternehmen stärker auf die Transformation fokussieren", so Montanus weiter. Aber das Ziel sei ambitioniert und die Transformation erfordere große finanzielle Anstrengungen. "Das kann man mit Sicherheit sagen."

Zum Teil erleben er und seine Kollegen im Tagesgeschäft, dass insbesondere die kleineren Lieferanten davon ausgegangen sind, dass die Transformation zum Teil aus zwar rückläufigen aber immer noch positiven Cashflows aus dem Verbrennerbereich für die nächsten Jahre finanziert werden kann. "Doch wenn das Tempo jetzt anzieht, brechen die Cashflows deutlich schneller weg als ursprünglich gedacht. Das ist dann für viele auf den Verbrennerbereich fokussierte Unternehmen ein Problem und muss nun zu einem Umdenken und letztendlich zu einer weiteren Intensivierung der Transformationsbemühungen führen."

Philipp Obenland, Director Consulting bei Deloitte, bemängelt, dass es bei den kleinen und mittelständischen Zulieferern mit Komponenten rund um den Antriebsstrang häufig an der finanziellen Ausstattung fehle, um das Produktportfolio umzubauen. Zudem mangele es den Unternehmen oftmals an Mitarbeitern mit den relevanten Erfahrungen, um den Weg durch diese disruptive Transformation strategisch zu planen und die Umsetzung zu meistern. "Große Zulieferer haben hierfür hingegen ihre Strategieabteilungen, die Szenarien entwerfen, eine Transformationsstrategie entwickeln und eine Roadmap mit entsprechenden Maßnahmen für das Unternehmen erstellen. Kleinere Unternehmen verfügen aber nicht über solche Abteilungen", so Obenland. Kollege Montanus ergänzt: "Manchmal fehlt auch die Change-Mentalität sowie die Erfahrung in einem disruptiven Umfeld. Beides ist erforderlich, um erfolgreich alte Zöpfe abzuschneiden."

Nach Angaben von Obenland hätten manche Unternehmen in den vergangenen Jahren abwartend zugeschaut, wie sich die Transformation entwickelt. "Ein Grund dafür liegt womöglich darin, dass die Unternehmen nach wie vor gute Profite gemacht haben und der Handlungsdruck nicht unmittelbar spürbar war." Das habe sich extrem gewandelt. Der Handlungsbedarf sei bei den Unternehmen jetzt sehr präsent. Vor allem seitdem sich einige Fahrzeughersteller zur Elektromobilität bekannt haben, gebe es bei den Zulieferern kein Erkenntnisproblem mehr. "Es bleibt jedoch die Frage, ob jeder Zulieferer in der Lage ist, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen. Wenn ich als Zulieferer im Bereich des Verbrennungsmotors stark engagiert bin, braucht es jetzt schon ein sehr mutiges und entschlossenes Handeln", ergänzt Obenland.

Während laut Studie die Risiken für den elektrischen Antriebsstrang (geringste externe Risiken, dicht gefolgt von Hochvolt-Batterie/Brennstoffzellen) und ADAS & Sensoren (bei weitem das Cluster mit dem geringsten internen Risiko) als niedrig eingestuft werden, ist die Situation für Hochvolt-Batterie/Brennstoffzellen nuancierter: Externe Risiken werden als niedrig eingestuft, getrieben von der Entschlossenheit, die Elektrifizierung voranzutreiben.

Das höchste Risiko besteht in Clustern, die sich auf Abgassysteme und Produkte rund um den Verbrennungsmotor konzentrieren. Das höchste interne Risiko beobachten die Autoren im Cluster Achsen (niedrige Erträge und schlechte Bilanzstrukturen). Das Cluster mit dem höchsten externen Risiko beinhalten Produkte rund um den Verbrennungsmotor (sinkendes Marktvolumen, hohe Marktkonsolidierung, hohe negative Auswirkungen der Gesetzgebung). Auf der anderen Seite registrieren sie die geringsten Risiken in den Clustern ADAS & Sensoren und Electric Drivetrain. Der Cluster ADAS & Sensoren hat in fünf von sechs Risikokategorien dabei das niedrigste Risiko unter den fünf Clustern mit dem niedrigsten Risikoniveau. Besonders positiv auf das Risikoniveau wirken sich die Faktoren Anpassungsfähigkeit und Innovationsfähigkeit des Clusters sowie die Bonität aus.

Einige Zulieferer versuchen sich durch einen Wandel vom Komponenten- zum Systemlieferanten eine bessere Position für den sich wandelnden Markt zu verschaffen. Doch Obenland kennt die Gefahren: "In der Regel erfordert so ein Wandel einen großen Ressourcenaufwand und bedarf bei den Unternehmen eines langen Atems. Diese Ressourcen sind bei kleineren Zulieferern häufig nicht vorhanden. Doch auch die Systemanbieter stehen unter starkem Wettbewerbsdruck und erreichen bei ihren Systemen ihre Profitabilität oft nur über hohe Volumen, da der Entwicklungsaufwand bei Systemen aufwändiger und kostspieliger ist."

Für kleinere Zulieferer könne es daher vielversprechender sein, sich auf bestimmte Nischen zu konzentrieren, um dort die Technologieführerschaft anzustreben. "Oder sie legen ihren Fokus auf bestimmte Komponenten und realisieren damit große Volumen, die sie dann sehr effizient produzieren." Das beinhalte auch, dass die Unternehmen bei den Werken einen Footprint haben, der ihnen auch den Zugang zu Low-Cost-Standorten ermöglicht. Bei einem starken Fokus auf Komponenten des Verbrennungsmotors sollte zudem geprüft werden, ob sich die Produkte und dazugehörigen Kompetenzen auch außerhalb des Automobilbereichs einsetzen lassen. Des weiteren seien nach wie vor schlanke und effiziente Kostenstrukturen und eine maximale kaufmännische Transparenz über interne Abläufe und Deckungsbeiträge pro Produkt entscheidend für den Geschäftserfolg.

Auch Montanus weiß aus seiner Praxis, dass es kleine Zulieferer häufig immens schwer haben, den Wandel vom Komponenten- zum Systemlieferanten zu vollziehen. "Wir haben Unternehmen aus dem Mittelstand als Kunden, die dies versucht haben. Das hat die Unternehmen vor große Herausforderungen gestellt, denen sie letztlich aufgrund mangelnder finanzieller und operativer Ressourcen nicht gewachsen waren. Zum Teil wurden die Firmen dann wieder erfolgreich vom System- zum Komponentenlieferanten zurückgeführt."

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