Wie ist der Zeitplan?
Ziel des Unternehmens ist, die Verhandlungen im ersten Halbjahr 2024 abzuschließen. Grundsätzlich ist es auch unser Ziel, so schnell wie möglich ein Verhandlungsergebnis zu erreichen, um die Unsicherheit der Beschäftigten zu reduzieren. Aber wir lassen uns nicht unter Druck setzen. Wir nehmen uns die Zeit für eine sorgfältige Prüfung und für das Abwägen möglicher Alternativen, um die bestmögliche Lösung im Sinne unserer Kolleginnen und Kollegen zu verhandeln. Wir lassen niemanden im Regen stehen. Wir haben in der Vergangenheit schon oft sehr gute Lösungen für unsere Beschäftigten ausgehandelt und das werden wir auch dieses Mal durchsetzen.
Was sind aus ihrer Sicht die Mindestanforderungen, die ein Investor erfüllen muss?
Mögliche Käufer brauchen eine ausgewiesene Kompetenz und Expertise im Autohandel, eine stabile wirtschaftliche Basis und natürlich ein langfristiges Konzept, um die Arbeitsplätze nachhaltig zu sichern. Reine Finanzinvestoren sind für uns keine Option. Eine Aufgeschlossenheit gegenüber Betriebsräten ist sicher auch von Vorteil. So ist für uns beispielsweise neben der Tarifbindung entscheidend, dass es weiterhin gute Lösungen bei der Altersversorgung gibt und dass ein potenzieller Investor offen für echte Mitbestimmung durch Arbeitnehmervertretungen ist.
Eines möchte ich an dieser Stelle betonen: Wir sprechen nicht über die Schließung von Niederlassungen. Unsere Zukunftssicherung 2030, die betriebsbedingte Kündigungen bis 2030 ausschließt, hat nach wie vor für die Tarifbeschäftigten Bestand. Jetzt zeigt sich einmal mehr, der Wert dieser Vereinbarung.
Braucht ein Autohersteller in Zeiten des Online-Handels und Agentursystems noch eigene Autohäuser?
Fakt ist: Der konzerneigene Vertrieb in Deutschland ist eine wichtige Säule für den Erfolg des Unternehmens. Er ist ein historisch gewachsener, elementarer Bestandteil der Unternehmens-DNA. Unsere hochqualifizierten Kolleginnen und Kollegen haben mit ihrer Arbeit sehr überzeugend dazu beigetragen, in den letzten Jahren sehr ordentliche Ergebnisse zu erzielen. Fakt ist aber auch: Das Geschäftsmodell wandelt sich durch die Transformation fundamental. Mercedes-Benz muss wettbewerbsfähig bleiben, das ist auch unser Ansinnen. Nichtsdestotrotz wollen wir diesen Verkauf als Betriebsräte nicht. Wir halten die tiefgreifenden strukturellen Maßnahmen in dem Umfang für falsch. Aber am Ende entscheidet das Unternehmen, ob dieser drastische Eingriff in das deutsche Vertriebsnetz strategisch sinnvoll ist.
Können die Mitarbeiter zu einem Wechsel gezwungen werden?
Gezwungen wird bei Mercedes-Benz grundsätzlich niemand zu irgendetwas. Bei einem Verkauf würde es sich faktisch um einen Betriebsübergang handeln. Es bliebe jedem Einzelnen überlassen, ob er oder sie diesem Betriebsübergang zustimmt oder nicht. Welche Konsequenzen eine Zustimmung oder eine Ablehnung hätte, können wir aktuell noch nicht sagen, da die Verhandlungen erst beginnen. Klar ist: Wir werden die bestmöglichen Konditionen für die Beschäftigten rausholen. Anreize zu schaffen, sollte auch im Interesse des Unternehmens liegen, besonders, wenn wir uns den aktuellen Fachkräftemangel ansehen. Das Unternehmen muss sich deutlich zu seiner sozialen Verantwortung gegenüber den Kolleginnen und Kollegen im Own Retail bekennen. Diese Verantwortung werden wir aktiv einfordern.
Was würden Sie einem Beschäftigten der Niederlassung in dieser Situation raten?
Mitbestimmung funktioniert miteinander. Unser Zusammenhalt ist jetzt wichtiger denn je. Das zeigt sich am deutlichsten in besonders herausfordernden Zeiten. Wichtig ist es zudem, kühlen Kopf zu bewahren und keine Entscheidungen aus dem Affekt oder der Frustration wegen zu treffen. Natürlich sind die Kolleginnen und Kollegen getroffen und verärgert. Wir stehen im engen Austausch mit den Beschäftigten vor Ort und bieten die starke Schulter zum Anlehnen, die es jetzt braucht.
Was braucht es noch?
Außerdem wichtig: Bei einem möglichen Verkauf wird es nicht zu Kündigungen kommen. Es ist auch nicht so, dass jetzt alles über Nacht passiert. Im Gegenteil: Vielmehr wird sich dieser Prozess vermutlich über mehrere Jahre strecken. Wir haben genug Zeit, uns gemeinsam reflektiert die Karten für die nächsten Wochen, Monate und Jahre zu legen. Auch, wenn es schwierig ist, kann ich den Kolleginnen und Kollegen nur raten, keine voreiligen Entscheidungen zu treffen und erst einmal das Verhandlungsergebnis in den kommenden Wochen abzuwarten.
Es gab 2015 eine ähnliche Vertriebsreform. Was waren Ihre Erkenntnisse daraus?
Wir werden das Wissen der damaligen Übernahmen in die Verhandlungen mitnehmen und gemachte Fehler bereits im Vorfeld vermeiden. Ein Mitspracherecht bei der Auswahl der möglichen Erwerber ist beispielsweise unerlässlich. Es ist uns bereits damals gelungen, ein umfangreiches Paket zur Absicherung der Beschäftigten zu verhandeln. Aufgrund der bestehenden Beschäftigungssicherung und der Größenordnung des möglichen Verkaufs gehen wir mit entsprechenden Forderungen in die anstehenden Verhandlungen. Unser Anspruch ist ein deutlich besseres Paket als 2015 zu schnüren.
Eine gute Erkenntnis noch zum Schluss: Keine der damals verkauften Niederlassungen wurde bis heute geschlossen und es fand auch kein Personalabbau bis heute statt.
Sie wollen eine Beschäftigungssicherung über 2030 hinaus. Haben schon erste Gespräche mit dem Unternehmen stattgefunden?
Sie haben recht, dieses Thema treibt mich auch um und ich werde nicht nachlassen, Gespräche dazu einzufordern. Uns geht es dabei nicht nur um eine bloße Absicherung der Beschäftigung über 2030 hinaus. Das reicht uns nicht! Vielmehr müssen wir Zielbilder für unsere Standorte vereinbaren, die mit klaren Investitionen in Produkte, Anlagen und Technologien hinterlegt sind. Zusätzlich müssen konkrete Qualifizierungsmaßnahmen vereinbart werden, die in der Transformation und der neuen Welt der Digitalisierung zur Beschäftigungssicherung beitragen.
Warum ist dies schon jetzt für Sie wichtig?
Die Zeiten sind volatil, unberechenbar und unsicher. Ein Blick auf die Schlagzeilen der letzten Jahre reicht, um zu erkennen, dass neben geopolitischen, industriepolitischen und wirtschaftlichen Konflikten, neue Technologien in einem immer schnelleren Takt unsere Arbeitswelt verändern. Veränderungen bringen immer auch Chancen mit sich, das ist gut. Aber eben auch neue Herausforderungen und Unsicherheiten bei den Menschen, die mit diesen Veränderungen konfrontiert werden. Gerade in dieser Zeit brauchen die Beschäftigten Rückhalt, Konstanz und Zuversicht. Und das funktioniert nun einmal am besten mit dem Wissen, dass sie eine langfristige Perspektive haben, dass ihre Beschäftigung gesichert ist und ihr Standort zukunftsfähig aufgestellt.
Aus dem Datencenter:
Mercedes-Niederlassungen in Deutschland