Mercedes übernimmt Oldtimer-Spezialisten Kienle

Es war einmal der Vorzeigebetrieb der Oldtimerszene, zumindest für Fahrzeuge mit dem Stern. Scheichs wie Schauspieler kauften beim Restaurationsbetrieb Kienle in Ditzingen bei Stuttgart liebevoll aufbereitete historische Modelle für teures Geld. Doch Betrugsvorwürfe und undurchsichtige Geschäftsmethoden haben das Unternehmen im vergangenen Jahr in die Insolvenz getrieben. Anfang Januar wurde das Verfahren vor dem Amtsgericht Ludwigsburg eröffnet. Nun steigt Mercedes selbst ein und hat ehrgeizige Pläne.

"Zum 1. Februar 2024 erwirbt das Unternehmen Bestandteile der ehemaligen Kienle Automobiltechnik GmbH in Heimerdingen und gliedert diese in das Mercedes-Benz Classic Center ein", heißt es in einer Mitteilung. Das Engagement sei dabei breit angelegt. So übernehme die Mercedes-Benz Heritage GmbH erfahrene Fachkräfte und biete diesen eine Perspektive. Auf diese Weise werde wertvolles Fachwissen für die Zukunft gesichert. Zudem übernimmt Mercedes-Benz Classic den Ersatzteilbestand sowie "spezialisierte Arbeitsmittel für komplexe Arbeiten an exklusiven Mercedes-Benz-Klassikern". Der Autohersteller übernimmt aber keinerlei finanzielle oder sonstige Verbindlichkeiten aus dem vorigen Betrieb. So dürfte ausgeschlossen sein, dass Mercedes für Garantieansprüche einstiger Kienle-Kunden aufkommen muss.

„Wir stehen in der Verantwortung, das Erbe dieser einzigartigen Marke zu bewahren und in die Zukunft zu tragen", sagt Mercus Breitschwerdt, seit Anfang 2022 Leiter der Heritage-GmbH. Zuvor hatte Breitschwerdt einige Jahre die Van-Sparte geführt. Für die Markenidentität spiele die eigene Historie eine herausragende Rolle, heißt es in der Mitteilung. Deshalb habe Mercedes im Frühjahr 2023 sämtliche Classic-Aktivitäten in der Mercedes-Benz Heritage GmbH zusammengeführt. Neben dem Classic Center gehören dazu etwa das Mercedes-Benz Museum, das Konzernarchiv, die Fahrzeugsammlung, die Mercedes-Benz Classic Original-Teile, der Fahrzeughandel von Mercedes-Benz Classic sowie das Classic Clubmanagement.

Der Fall Kienle hatte im vergangenen Jahr hohe Wellen geschlagen, da es sich um ein in der Szene bekanntes und vormals renommiertes Unternehmen im Bereich der Restauration von vorwiegend historischen Mercedes-Fahrzeugen handelt. Die 80 Mitarbeiter von Ex-Firmenchef Klaus Kienle verhalfen alten Mercedes-Autos zu neuem Glanz, erzielten mit schönen Einzelstücken zum Teil hohe sechstellige Umsätze. Auch heute noch stehen auf der Firmenseite viele historische Mercedes-Modelle zum Verkauf wie ein SL 190 aus dem Jahr 1960 oder ein 300 SL Coupé aus dem Jahr 1955. Nun soll rund die Hälfte der Mitarbeiter übernommen werden, Angestellte aus der Verwaltung müssen wohl gehen.

Nachdem das Unternehmen über viele Jahre einen guten Ruf genossen hatte, tauchten Im vergangenen Jahr Vorwürfe auf, dass bei den Restaurationen nicht immer nur Originalteile verwendet werden und sogar gefälschte Oldtimer in Umlauf gebracht wurden. Im Juni rückten Staatsanwaltschaft und Beamte des Landeskriminalamts zu einer Razzia an, stellten mehrere Luxus-Autos sicher. Ausgelöst wurde der Fall durch den Tipp eines Oldtimerhändlers und den Bundestagsabgeordneten Carsten Müller. Gegen Ex-Firmenchef Klaus Kienle (76) wird seither wegen Betrugsverdachts ermittelt. Der Restaurator beteuert allerdings seine Unschuld. Für den Betrieb waren die negativen Schlagzeilen der Sargnagel. Im Oktober musste das Unternehmen Insolvenz anmelden. Als Grund für die wirtschaftliche Schieflage sieht der Insolvenzverwalter auch die Betrugsermittlungen.

Durch die Übernahme hat das Unternehmen nun wieder eine Perspektive. Über den Kaufpreis wurde nichts bekannt. Er dürfte sich vor allem am Wert des Ersatzteillagers von Kienle orientieren. Diese wurde zwar vom Firmenchef in manchen Jahren laut Geschäftsberichten auf 6,8 Millionen Euro taxiert, aber von Wirtschaftsprüfern wiederholt infrage gestellt. Geschönte Angaben dazu waren offenbar nur einer von vielen Tricks, um den Betrieb besser dastehen zu lassen, als es in Wirklichkeit der Fall war.

Aus dem Datencenter:

Mercedes-Niederlassungen in Deutschland