Schaulaufen auf der Flaniermeile der Petrolheads in Pebble Beach

Von wegen Oldtimer-Gipfel. Was mal als Schaulaufen der größten Klassiker begonnen hat, ist längst zu einer Art Automesse im Smoking geworden. Denn rund um den Concours d’Elegance in Pebble Beach präsentieren die Autohersteller zur Monterey Car Week auch zahlreiche Neuwagen. Schließlich ist die Begeisterung fürs Blech auf der PS-verliebten Peninsula noch ungebrochen, Geld ist reichlich vorhanden und sitzt ungewöhnlich locker und bei so viel Vergangenheit darf auch ein Blick in die Zukunft nicht fehlen. Erst recht nicht, wenn viele dieser Neuheiten das Zeug haben, hier in 20, 30 Jahren als Klassiker zurückzukehren.

Zwar fällt der Hammer auf den Auktionen hier überall im Minutentakt und jede noch so kleine Nebenstraße wird in diesen Tagen zur Flaniermeile der Petrolheads. Doch nirgendwo verdichtet sich die Car Week so sehr zu einem Spektakel aus Leistung und Leidenschaft wie beim „Motorsport Gathering“ auf dem Golfplatz „The Quail“, bei dem Spätentschlossene stundenlang für Last-Minute-Tickets anstehen und dafür bereitwillig 3000 Dollar zahlen. Denn hier, wo die PS-Branche und die plastische Chirurgie jeweils das Beste des Besten auffährt, kommt das Publikum bei Austern, Kaviar und Champagner „satt“ aus dem Staunen kaum mehr heraus – und die Hersteller reiben sich munter die Hände. Schließlich machen Marken wie Pagani, Singer oder Czinger hier das Gros ihres Amerika-Geschäfts fürs ganze Jahr, und auch Bentley, Rolls-Royce oder Bugatti schreiben einen Auftrag nach dem anderen.

Dabei müssen es fürs große Geld gar keine großen Stückzahlen sein. Im Gegenteil: Je kleiner die Auflage und je höher der Preis, desto größer offenbar das Interesse. Davon kann zum Beispiel Paolo Dallacha ein Lied singen. Er ist Chef von Automobili Pininfarina und hat in den letzten Jahren lernen müssen, wie schwer sich selbst das stärkste Elektroauto der Welt verkaufen lässt, wenn es 150 Mal gebaut wird und obendrein im Rimac Nevera noch einen Zwilling mit vielleicht sogar prominenterem Namen hat. Doch kaum hat Dallacha aus dem 1900 PS-Coupé einen radikalen Roadster gemacht, Dach und Scheiben entfernt, die Stückzahl auf zehn beschränkt und den Preis dafür auf wenig bescheidene 4,4 Millionen angehoben, läuft das Geschäft: „Der B95 war noch nicht enthüllt, da hatten wir bereits die ersten Exemplare verkauft“, freut sich der Firmenchef. „Und bis das Wochenende rum ist, sind alle weg“, gibt er sich zuversichtlich.

Auf den großen Reiz der kleinen Zahlen setzt er nicht alleine. Sondern sein Teilespender Mate Rimac hat ebenfalls eine Kleinserie mitgebracht und den Nevera als „Time Attack“ aufs Podest gestellt. Allerdings muss er nicht den Absatz seines knapp 2000 PS starken Batterie-Boliden ankurbeln. Sondern Rimac feiert mit den zwölf Exemplaren die vielen Rekorde, die sein Auto in diesem Jahr aufgestellt hat. Allen voran jene 7:05,298 Minuten, die den Nevera zum schnellsten straßenzugelassenen Elektroauto auf der Nordschleife des Nürburgrings machen.

Zehn Pininfarina, zwölf Rimac – dagegen ist der Maserati MC-Xtrema fast schon Massenware. Schließlich wollen die Italiener – genau wie damals vom legendären MC12 – immerhin 62 Exemplare ihres neuen Überfliegers bauen. Der basiert auf dem MC20 und nutzt dessen hier 730 PS starken Nettuno-V6, schert sich aber einen feuchten Kehricht um die Zulassungsordnung. Sondern allein für die Rundstrecke gemacht, wird aus dem Beau ein Biest, das nicht mehr nach Lust und Leidenschaft aussieht, sondern nach Le Mans – und entsprechend viele Blicke fängt.

Die vielleicht charmanteste Kleinserie kommt allerdings von Lotus. Denn obwohl die Briten gerade den Aufbruch in eine elektrische Zukunft proben, hat mal jemand zurückgeschaut in Hethel – und dabei die Skizzen für einen CanAm-Rennwagen aus den 1970ern gefunden, der es nie über das Theoriestadium hinausgeschafft hat. Zumindest nicht in den letzten 50 Jahren. Jetzt allerdings ist der Wunsch Wirklichkeit geworden und zehn reiche Raser mit schmaler Statur und dicker Brieftasche können sich bald in das enge Cockpit quetschen und von einem über 800 PS starken V8-Motor so schnell über die Rennstrecken dieser Welt prügeln lassen, dass selbst PS-Legenden wie Emmerson Fittipaldi und Jenson Button blass werden vor Neid und darauf hoffen, zumindest mal eine Probefahrt mit dem roten Renner machen zu dürfen.

Zwar gibt es in und um „The Quail“ eine ganze Reihe dieser Raritäten. Doch ist die Monterey Car Week längst über den Status des Exotenfestivals hinausgewachsen und zur Bühne für wirklich wichtige Weltneuheiten geworden – selbst wenn Premieren wie der QX Monograph als Vorbote des nächsten Infiniti-Flaggschiffs oder der Edel-Honda Acura ZDX als erstes Elektromodell der Marke am Ende doch nur regionalen Charakter haben. Aber dass Mercedes-Ableger AMG seinen neuen GT nicht nächsten Monat auf der IAA in München enthüllt, sondern das zum Viersitzer gewachsene Flaggschiff der schnellen Schwaben schon hier in Monterey zeigt, liegt ganz sicher nicht allein an der Angst, dass es daheim für den 585 PS starken Achtzylinder womöglich mehr Haue gibt als Hurras. Sondern das liegt eben auch daran, dass AMG seit jeher allein in Kalifornien mehr Autos verkauft als in ganz Deutschland und seinen treuesten Kunden deshalb eher die Ehre erweist. Und während man bei uns über einen geschätzten Grundpreis von 200.000 Euro stöhnen wird, sind das angesichts von Auktionspreisen wie den knapp zwei Millionen Dollar für den Schrott eines 1954er Ferrari hier nur die viel beschworenen „Peanuts“.

Und AMG ist damit nicht alleine. Sondern vielleicht sogar noch bedeutender als der neue Silberpfeil ist der Lamborghini Lanzador. Der ist zwar nur ein Showcar und lässt sich bis zur Serienumsetzung noch stolze fünf Jahre Zeit. Doch nimmt das blaue Crossover-Coupé mit tatsächlich mal nur zwei Türen nicht nur die vierte Baureihe der Italiener vorweg, sondern löst zudem das Versprechen ein, dass auch Lamborghini elektrisch wird und fährt deshalb mit zwei E-Motoren mit zusammen mindestens 1400 PS vor.

Da die ultra-raren Exoten, dort die gehobenste Form der Massenware und dazwischen noch ein paar elitäre Neuheiten wie die offene Volante-Version des gerade eingeführten Aston Martin DB12 oder der schärfste Mustang aller Zeiten, der als „GTD“ für etwa 300.000 Dollar die Technik des kommenden LeMans-Rennwagens mit einem 800 PS starken V8-Motor auch auf der Straße erfahrbar macht – zusammen mit zigtausenden Klassikern aller Couleur festigt die Car Week in Monterey so einmal mehr ihren Ruf als vielleicht nicht die wichtigste, auf jeden Fall aber die spektakulärste Autoshow der Welt.

Und als Spielwarenladen der Superreichen. Keine Neuheit beweist das besser als der Blower Junior, den Bentley für Preise um 100.000 Euro gemeinsam mit der Little Car Company in den Handel bringt. 15 Prozent kleiner als das Original von 1929 macht er den für 30 Millionen Euro versicherten Kompressor-Sportwagen aus den 1930ern halbwegs erschwinglich, elektrisch und – nun ja – alltagstauglich. Denn anders als die Miniaturen von Aston Martin, Ferrari und Bugatti ist der Baby-Blower auch für die Straße zugelassen. Wobei sich große Sprünge mit maximal 20 PS, 70 km/h und einer Batterie für bestenfalls 70 Kilometer von selbst verbieten. Der Begeisterung für den Baby-Blower tut das allerdings keinen Abbruch und die Orderbücher füllen sich schneller, als die Firmenchefs schreiben können. Denn am Ende des Tages sind auch Erwachsene nur große Kinder – und zumindest hier in Monterey sind Autos nun einmal ihre liebsten Spielzeuge.

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