Neuzulassungen weiter auf historischem Tiefststand

Im Juni 2020 wurden in Deutschland 220.272 Pkw neu zugelassen. Dies entspricht einem Minus von 32,3 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Dies ist eine leichte Verbesserung gegenüber den vergangenen drei Krisenmonaten, aber auch im Juni gab es noch Einschränkungen seitens der der Hersteller aufgrund nur langsam anlaufender Produktion. Hinzu kommt ein möglicher Warteeffekt seitens der privaten Kunden aufgrund der Mehrwertsteuersenkung zum 1. Juli. Die privaten Zulassungen gingen um überdurchschnittliche 38,2 Prozent zurück und erreichten einen Anteil von 32,7 Prozent. Niemals zuvor gab es in einem Juni einen geringeren Privatkundenanteil.

Nach sechs Monaten sind insgesamt 1.210.622 Pkw neu zugelassen worden, ein Minus von 34,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Dies sind sowohl für einen Juni als auch für ein erstes Halbjahr die niedrigsten Neuzulassungen, die jemals im wiedervereinigten Deutschland beobachtet wurden.

Für die künftige Entwicklung ist entscheidend, wie der weitere Verlauf der Pandemie in Deutschland sein wird. Aktuell sind die Neuansteckungen hierzulande auf einem niedrigen Niveau, aber notwendige lokale Shutdowns haben in jüngster Vergangenheit gezeigt, dass die Gefahr noch nicht vorbei ist. Darüber hinaus zeigen die weltweiten Zahlen weiterhin ungebremst nach oben. Dies bedeutet auch ein zunehmendes Risiko für den globalen Handel und die notwendigen Lieferketten.

Auch ohne einen neuen flächendeckenden Shutdown zeichnet sich ab, dass die deutsche Wirtschaft in die stärkste Rezession seit dem zweiten Weltkrieg geraten wird. Wie wird sich der Arbeitsmarkt entwickeln, wie viele der sich aktuellen Kurzarbeiter gehen in die Arbeitslosigkeit? Verfällt der Verbraucher in eine Schockstarre?

Bezüglich des Verbrauchervertrauens aber auch bezüglich des Vertrauensindex der Industrie gibt es leicht positive Signale. Vergleicht man die aktuelle Entwicklung dieser Indizes mit der aus der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009 so waren sie im April dieses Jahres noch deutlich über den Tiefstständen von Anfang 2009. Im Mai und Juni lagen beide Frühindikatoren zwar noch stark unter den Werten von vor der Pandemie, haben aber einen deutlichen Sprung nach oben gemacht.

Ein weiterer Hoffnungsschimmer kommt aus dem Gebrauchtwagenmarkt: Im Juni stiegen die Besitzumschreibungen um über 14 Prozent an. Mehr als 638.000 gebrauchte Pkw wechselten den Besitzer, es ist der dritthöchste Juni-Wert aller Zeiten. Offensichtlich sind hier bereits ein Teil der in den vergangenen Monaten nicht möglichen Ummeldungen nachgeholt worden. Ein Effekt, der sich bei den Neuzulassungen in den kommenden Monaten ebenfalls einstellen könnte. Die Entwicklung in Frankreich könnte Anlass zur Hoffnung geben. Dort lagen die Neuzulassungen im Juni gut ein Prozent über denen des Vorjahrs.

Anfang Juni wurde ein bisher beispielloses Konjunkturpaket beschlossen. Zwei Punkte betreffen die Automobilindustrie direkt:

Die Reduzierung der Mehrwertsteuer von 19 Prozent auf 16 Prozent wird bis Ende Dezember – falls die Senkung weitergegeben wird – zu einem um 2,5 Prozent niedrigeren Bruttopreis für alle Waren mit diesem Mehrwertsteuersatz führen. In Anbetracht der Tatsache, dass viele Haushalte aktuell unter Einkommenseinbußen leiden, geht die Automobilwoche nicht davon aus, dass diese Preissenkung einen signifikanten Einfluss auf das Gesamtjahresergebnis haben wird. Erst zum Jahresende – kurz bevor der Steuersatz wieder angehoben wird – könnte es zu Vorkäufen kommen. Positive Effekte könnten sich darüber hinaus aus zusätzlichen Rabattaktionen der Hersteller ergeben. Voraussetzung dafür wäre aber, dass sich das Verbrauchervertrauen weiter erholt.

Auch aus der Erhöhung des Umweltbonus um bis zu 3000 Euro wird es zumindest dieses Jahr keinen Effekt auf die gesamten Zulassungen geben. Zu sehr mangelt es noch an ausreichender Infrastruktur und einem breiten Modellangebot. Darüber hinaus waren die Lieferzeiten schon vor der aktuellen Krise sehr lang.

Für die verbleibenden sechs Monate ist eine genaue Prognose kaum möglich. Lieferfähigkeiten, mögliche Rabattaktionen, wirtschaftliche Entwicklungen und die Reaktionen der Verbraucher werden sicher für einige Überraschungen sorgen. Sollte das jetzige Neuzulassungsniveau bis zum Jahresende Bestand haben, würde dies zu einem Neuzulassungsergebnis von lediglich 2,5 Millionen Pkw führen.

Unter der Annahme, dass sich die aktuelle Situation nicht wieder verschlechtert und ein Teil der nicht durchgeführten Neuzulassungen der vergangenen vier Monate aufgeholt werden, erwartet die Automobilwoche für das Gesamtjahr weiterhin einen Rückgang um über 22 Prozent auf 2,8 Millionen Neuzulassungen. Dies setzt voraus, dass das zweite Halbjahr weniger als zehn Prozent unter dem des Vorjahres bleibt.

Bei der Entwicklung der Antriebsarten gab es im Juni ein ähnliches Bild wie in den Vormonaten. Die Pkw mit ausschließlichem Benzinantrieb kamen auf einen Marktanteil von 51,5 Prozent, fast neun Punkte weniger als im Vorjahr.

Die Neuzulassungen von Diesel-Pkw hielten sich etwas besser. Ihr Anteil verringerte sich gegenüber dem Vorjahr um einen Punkt auf 30,6 Prozent.

Auch in der Krise entwickelten sich die alternativen Antriebsarten positiv. In Summe erzielten sie ein Plus von fast 52 Prozent und kamen auf einen Marktanteil von 17,9 Prozent.

Am stärksten steigerten sich die Plug-in-Hybride und überschritten erstmalig die Marke von 10.000 Neuzulassungen. Die reinen Stromer steigerten sich um 41 Prozent und kamen mit 8119 Neuzulassungen auf einen Marktanteil von 3,7 Prozent. Die normalen Hybride dominierten die alternativen Antriebsarten. Sie kamen auf knapp 20.000 Neuzulassungen.

Von den Top 15 Marken gelang es mit Fiat (plus 1,5 Prozent) und Mitsubishi (plus 11,2 Prozent) zwei Marken, ihr Vorjahresergebnis zu steigern. Marktführer VW hatte ein Minus von 37,2 Prozent und erzielte einen für die Marke relativ niedrigen Marktanteil von 17,8 Prozent. An zweiter Stelle lag Mercedes (minus 8,7 Prozent, Marktanteil: 10,0 Prozent), vor BMW mit minus 29,4 Prozent und einem Marktanteil von 8,2 Prozent. Die Plätze vier und fünf belegten Ford und Audi.

Mit minus 52,3 Prozent fuhr Opel die größten Verluste ein. Dadurch rutschten die Rüsselsheimer auf Platz acht und mussten Renault und Skoda den Vortritt lassen. Für Renault war es erst das zweite Mal in der Geschichte, dass die Marke mehr Neuzulassungen in einem Monat verbuchte als Opel.

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