"Nicht auf allen Hochzeiten tanzen"

Herr Jené, wie hoch ist der Umsatzanteil von Opel/Stellantis an Ihrem Automotive-Geschäft?

2021 hatten wir einen Anteil von 75 Prozent. Ende des ersten Quartals dieses Jahres lagen wir bei rund 67 Prozent. Unser Ziel ist, noch dieses Jahr 50 Prozent unseres Umsatzes mit Kunden außerhalb der Stellantis-Gruppe zu erreichen. Das Geschäft mit Neukunden hat sich also ordentlich entwickelt. Ende 2020 lagen wir erst bei drei bis vier Prozent.

Hat sich parallel das Auftragsvolumen bei Ihrem traditionellen Auftraggeber reduziert?

Ja, aber trotzdem ist der gesamte Umsatz für 2021 gegenüber dem Vorjahr etwas besser. Und auch für dieses Jahr planen wir, dass wir eine Steigerung erzielen, obwohl sich das Stellantis-Volumen reduziert. Derzeit verhandeln wir mit unserem strategischen Partner über zusätzliches Volumen. Es zeichnet sich ab, dass wir die Partnerschaft mit Stellantis weiter ausbauen können.

Spielen Sie damit auf das Thema E-Mobilität an?

Eigentlich sind es drei Dringe. Zum einen sourcen die Fahrzeughersteller im Bereich der Verbrennungsmotoren-Entwicklung immer mehr aus. Die Programme bei den Verbrennern laufen mit der Serienbetreuung mindestens noch zehn Jahre. Dafür sind wir ein strategischer Partner. Zweitens entwickeln wir uns in Richtung strategischer Partnerschaft für die E-Mobilität. Drittens wollen wir in der Gesamtfahrzeugentwicklung ein Wort mitreden, beispielsweise, um bei Fahrzeugderivaten mit größeren Projektumfängen zu unterstützen.

Auf welche Themen im Bereich E-Mobilität konzentrieren Sie sich?

Die Integration der Batterie ins Fahrzeug, da diese mittlerweile einen Hauptbestandteil der gesamten Fahrzeugstruktur darstellt. Derzeit haben wir es meistens mit Unterbodenbatterien zu tun, die die Steifigkeit des Fahrzeugs erheblich beeinflussen. Ein weiteres Thema sind die Betriebsstrategien der Batterien beziehungsweise des gesamten Antriebsstrangs. Auch die Validierung ist für uns interessant. Wir sehen für uns zudem Ansätze im Bereich der elektromagnetischen Verträglichkeit, nicht zuletzt durch unsere Prüflabore.

Welchen Anteil am Umsatz haben derzeit Entwicklungen für die E-Mobilität und welche Ziele verfolgen Sie mittelfristig?

In fünf Jahren sollten unsere Entwicklungsdienstleistungen im Bereich E-Mobilität bei etwa 50 Prozent liegen. Das bedeutet nicht, dass die anderen 50 Prozent den konventionellen Powertrain betreffen, sondern es gibt noch die Themen automatisiertes/autonomes Fahren und Konnektivität. Heute liegen wir im Bereich der E-Mobilität bei 15 bis 20 Prozent. Das liegt auch daran, dass wir die meisten Ressourcen immer noch für die Entwicklung und Validierung von Verbrennungsmotoren einsetzen. Diese müssen wir erst einmal transformieren.

Sie hatten angekündigt, weiter restrukturieren zu wollen. Welche Bereiche betrifft das und wie viele Arbeitsplätze wird das kosten?

Über die Anzahl der Arbeitsplätze kann ich nichts sagen. Dieses Thema wird noch innerhalb der Geschäftsleitung diskutiert. Im nächsten Schritt werden wir dann auf die Arbeitnehmervertreter zugehen. Fest steht aber, dass wir nicht auf allen Hochzeiten tanzen können. Alleine in Rüsselsheim haben wir von Opel 77.000 Quadratmeter Entwicklungsfläche und Büros übernommen. Darunter fallen die unterschiedlichsten Validierungsprüfstände für Fahrzeuge. Welche Testeinrichtungen wir künftig fortführen, ist noch zu entscheiden. In einigen Bereichen als Newcomer in den Verdrängungswettbewerb zu gehen, kostet viel Geld und Zeit, das wir besser in neue Technologien investieren sollten. Beispielsweise verfügen wir jetzt über ein neues Antennenlabor und künftig über ein privates 5G-Netz in unserem Testcenter in Rodgau-Dudenhofen.

Vor einem Jahr hatten Sie noch Pläne für den russischen Markt. Was ist daraus geworden?

Ich hatte darüber nachgedacht, in Moskau ein Testcenter zu eröffnen. Wir haben das letztlich nicht weiterverfolgt, weil uns die Aufgaben am Standort Deutschland gefordert haben. Im Nachhinein war das die richtige Entscheidung. Wir machen jetzt unsere Kunden verstärkt darauf aufmerksam, dass wir neben der Produkt- auch Produktionsentwicklung anbieten. Das gehört zu unserem genetischen Code. Somit sind wir auch der ideale Partner in Verlagerungsfragen.

Welche Pläne haben Sie für China?

Wir wollen uns in China für die dortigen OEMs als Entwicklungspartner etablieren, um diese aktiv bei ihrem Markteintritt in Europa zu begleiten. Derzeit validieren wir hauptsächlich die Fahrzeuge vor dem Markteintritt in Deutschland beziehungsweise Europa und begleiten den Homologationsprozess. Von der Entwicklungsunterstützung versprechen wir uns hierzulande weitere Aufträge. Die Strategie ist also "go east", um dann wieder "go west" zu gehen.

Über welche Kompetenzen verfügen Sie im Bereich Brennstoffzelle?

Wir haben mittlerweile zwei Brennstoffzellen-Prüfstände mit Aufträgen aus der Zuliefererindustrie und sind auch in Diskussionen mit Fahrzeugherstellern. Anfangs war ich bei den Perspektiven für Wasserstoffantriebe recht euphorisch, dann skeptisch, jetzt bin ich wieder etwas optimistischer. Wenn in Deutschland und Europa eine Wasserstoffinfrastruktur etabliert werden kann, dann könnte das Thema bei Fahrzeugen eine stärkere Gewichtung bekommen.

Welche Pläne haben Sie mit der Teststrecke in Rodgau-Dudenhofen?

Das Thema Homologation und Typprüfung wird dort künftig eine größere Rolle spielen. Außerdem müssen wir unseren Non-Stellantis-Kunden die Möglichkeit geben, vor Ort eine eigene Infrastruktur zur Verfügung zu haben, die Werkstätten und Büros beinhaltet. Darin werden wir investieren, da das derzeit noch ein limitierender Faktor ist.

Wie geht es weiter beim autonomen Fahren?

Das Ziel ist letztlich das komplett autonome Fahren im höchsten Level. Das funktioniert nicht ohne Fahrversuche und dafür wird Fläche benötigt, über die wir in Rodgau-Dudenhofen mit dem Testgelände verfügen. Mit jedem weiteren Level des autonomen Fahrens wird das Engineering komplexer. Niemand kennt das künftige Szenario, ob es beim vollautonomen Fahren eine direkte Kommunikation zwischen den Fahrzeugen gibt oder ob diese beispielsweise über die Cloud stattfindet. Wir sind sehr glücklich, vor einigen Wochen eine Partnerschaft mit dem spanischen Telekommunikationsanbieter Cellnex abgeschlossen zu haben. Dadurch gewinnen wir ganz neue Kompetenzen. Wir werden gemeinsam auf einem Teil unserer Teststrecken in Rodgau-Dudenhofen ein privates 5G-Netz installieren. Mit dieser Infrastruktur ermöglichen wir den Fahrzeugherstellern, Funktionen des autonomen Fahrens zu entwickeln und validieren.

Ein Blick in die Zukunft: Was werden bei Segula Technologies in fünf Jahren die großen Themen sein?

Das große Thema für uns ist die Fahrzeugvernetzung. Die damit verbundenen Anwendungsfälle und das neue Eco-System sind extrem interessant. Dann folgt die E-Mobilität und an Position drei die Gesamtfahrzeugentwicklung.

Aus dem Datencenter:

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