Mehr Wettbewerb auf dem Reifenmarkt

Reifen für Autos, Lieferwagen und Lkw sind ein gigantisches Geschäft. Mehr als 48 Millionen Stück wurden allein im vergangenen Jahr in Deutschland verkauft. Doch der Markt ist umkämpft, so mancher Akteur musste in den vergangenen Jahren aufgeben. Nach Zahlen des Bundesverbands Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk (BRV) lag die durchschnittliche Umsatzrendite im Gesamtmarkt bei lediglich 1,1 Prozent. Werkstätten und Autohäuser achten dementsprechend genau auf ihre Einkaufspreise.

Das dürfte mit ein Grund sein, warum die Plattform Alzura Tyre24 seit Jahren auf Wachstumskurs ist. Auf dem B2B-Marktplatz können sich Werkstätten bei Großhändlern aus ganz Deutschland mit Reifen, Felgen, Teilen oder Zubehör eindecken – und zuvor ausführlich deren Preise vergleichen. Nach eigenen Angaben hat Alzura bei Reifen mittlerweile einen Marktanteil von rund 50 Prozent.

Um diesen Anteil noch weiter zu steigern, hat die Plattform vor rund drei Monaten für Anbieter die Möglichkeit geschaffen, anonym zu verkaufen. Bedeutet: Großhändler können ihre Ware absetzen, ohne dabei mit eigenem Namen aufzutreten. "Wir holen die Ware beim Kunden ab, bringen sie in eines unserer Lager und verschicken sie dort unter unserem Namen. Wir sind auch in der Haftung", erklärt CEO Michael Saitow.

Damit will der Firmenchef die Plattform für Käufer attraktiver machen. Durch das neue Angebot ist es beispielsweise Großhändlern aus dem Ausland möglich, Ware außerhalb ihres eigentlichen Vertriebsgebiets nach Deutschland zu verkaufen. Großhändler könnten zudem ihre Ware zu Konditionen anbieten, die der Hersteller unterbinden würde, wenn der Händler namentlich auftritt. "Wir öffnen allen Marktteilnehmern neue Märkte", sagt Saitow. Denn auch Reifenhersteller könnten die Anonymität nutzen, um im Vertrieb zu experimentieren, ohne gleich den Zorn der Großhändler auf sich zu ziehen.

Neu ist die diese Anonymität in der Branche allerdings nicht. "Früher gab es dazu Strohmänner", sagt Saitow. Diese Rolle übernimmt nun Alzura online. Doch Saitow warnt selbst vor seinem neuen Angebot: "Ich rate ausdrücklich dazu, nicht dauerhaft anonym zu verkaufen. Das kann nur schiefgehen", sagt er. Denn die Anonymität sei mit höheren Logistikkosten verbunden, was die ohnehin schmalen Margen noch weiter schmälert. Zudem könnten die Verkäufer sich weder eine Marke aufbauen noch Folgegeschäft mit ihren Kunden generieren. "Dieses Instrument bietet sich vor allem dann an, wenn man Ware hat, die schnell abverkauft werden soll", sagt Saitow.

Doch schon in der Vergangenheit haben sich daran viele nicht gehalten. "Der Anteil anonym verkaufter Reifen in der Branche schwankt extrem. Teilweise liegt der Anteil bei 50 Prozent. In der Folge sinkt für alle Marktteilnehmer die Marge. Wenn dann alle leiden, kehrt wieder Vernunft ein und die Preise stabilisieren sich", berichtet Saitow.

Wie sehr die Reifenpreise auch aufgrund von Angebot und Nachfrage branchenweit schwanken, zeigt ein Beispiel: Der Testsieger beim diesjährigen ADAC-Winterreifentest, der Continental TS 870 in der Größe 215/60 R16 (für kompakte SUV) war Anfang September für Händler im Einkauf für 100,31 Euro zu haben. Rund einen Monat später, am 5. Oktober stand er bei 112,45 Euro.

Den Vorwurf mit seinem Angebot, Preisdumping zu ermöglichen, weist Saitow vehement von sich: "Es ist sicherlich nicht unsere Schuld, wenn es durch den anonymen Verkauf Preisdumping gibt. Damit ein Händler einen Reifen zu Kampfpreisen verkaufen kann, muss ihn der Hersteller zuerst günstig an ihn abgegeben haben."

Angesichts von Lieferkrise und Inflation sind die Reifenpreise derzeit aber ohnehin auf hohem Niveau. Einer Auswertung von Alzura zufolge kosteten Winterreifen im Händler-Einkauf zwischen 1. September und 4. Dezember im Durchschnitt 86,22 Euro. Das entspricht einem Plus von knapp zwölf Prozent zum Vorjahreswert von 77,06 Euro.