Starkes erstes Quartal, aber Nachfragerückgang droht

Nach vorläufigen Veröffentlichungen der jeweiligen nationalen Automobilverbände lagen die westeuropäischen Pkw-Neuzulassungen im März 2023 mit zirka 1,29 Millionen Pkw etwa 26 Prozent über Vorjahresniveau. Verglichen mit einem mittleren März der Jahre 2015 bis 2019 beträgt das Minus 21 Prozent. Nach drei Monaten steht mit gut 2,91 Millionen Neuzulassungen ein Plus von 17 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zu Buche. Im Vergleich zu den fünf Jahren vor der Pandemie ist es allerdings ein Minus von 23 Prozent.

Bei der Analyse der Neuzulassungen wird deutlich, dass die Einschränkungen aufgrund fehlender Teile immer geringer werden und die hohen Auftragsbestände verstärkt abgebaut werden. Allerdings sind die aktuellen Neuzulassungen noch lange nicht auf dem Niveau der Vorkrisenjahre.

Seit Beginn der Pandemie Anfang 2020 spiegeln die Neuzulassungen die tatsächliche Nachfrage nicht mehr wider. Zuerst wurden sie hauptsächlich durch die eingeschränkten Verkaufsmöglichkeiten beeinflusst. Im Anschluss kam die Halbleiterkrise, die zu Produktionsausfällen führte. Mit Beginn des Krieges in der Ukraine sind neue Produktionseinschränkungen durch fehlende Komponenten hinzugekommen. Die Gefahr einer Rezession scheint in Europa zwar gebannt, aber in Summe erwarten die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrer aktuellen Gemeinschaftsdiagnose lediglich ein Wirtschaftswachstum von unter einem Prozent.

Das große Problem der Inflation und den damit einhergehenden Reallohnrückgängen bleibt aber bestehen. Nachdem die Verbraucherpreise im Euroraum vergangenes Jahr um 8,4 Prozent gestiegen waren, fällt die Prognose mit 5,6 Prozent für dieses Jahr etwas weniger hoch aus. Dennoch bleibt diese Komponente neben dem Krieg in der Ukraine das größte Risiko für das Kaufverhalten der Verbraucher.

Die aktuelle Situation hat zu einer großen Verunsicherung der Verbraucher geführt. Mit Beginn des Ukraine-Kriegs und den sprunghaft gestiegenen Verbraucherpreisen sank der Verbrauchervertrauensindex der EU auf den niedrigsten Stand seit 2008. Damit reagierten die Verbraucher Anfang 2022 wesentlich stärker als in den vergangenen Krisen. Selbst der Ausbruch der Pandemie brachte keinen so tiefen Ausschlag. Zwar hat sich der Verbrauchervertrauensindex inzwischen wieder erholt, ist aber immer noch auf dem niedrigen Niveau der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009 und dem der Euro-Krise Anfang 2013.

Zurzeit ist eine deutliche Verbesserung der Lieferfähigkeit zu beobachten, auch wenn es bei der Auslieferung an die Endkunden immer noch Probleme gibt. Aktuell geht die Automobilwoche von folgendem Szenario aus: Der Abbau des stark erhöhte Auftragsbestands wird die Neuzulassungen noch einige Monate stützen. Die negativen Effekte aufgrund des wirtschaftlichen Umfelds, insbesondere der starken Reallohnrückgänge, werden sich dann im weiteren Jahresverlauf bei den Neuzulassungen bemerkbar machen. Dies spiegelt sich bereits in den Auftragseingängen wider. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) meldet für das erste Quartal insgesamt einen Rückgang der Auftragseingänge um 14 Prozent (minus zehn Prozent aus dem Ausland, minus 35 Prozent aus dem Inland).

Unter diesen Voraussetzungen erwartet die Automobilwoche für das laufende Jahr zirka elf Millionen Neuzulassungen, ein Plus von acht Prozent gegenüber vergangenem Jahr. Dies wären dann aber immer noch 23 Prozent weniger als im Mittel der fünf vorpandemischen Jahre.

In Großbritannien lagen die Neuzulassungen im März 18,2 Prozent über Vorjahr und 42 Prozent unterhalb des mittleren Märzwertes der Jahre 2015 bis 2019. Das erste Quartal schloss mit plus 18 Prozent gegenüber dem Vorjahr und mit minus 33 Prozent gegenüber einem mittleren ersten Vorkrisenquartal ab.

Für das Gesamtjahr wird ein Plus von acht Prozent auf 1,8 Millionen Neuzulassungen erwartet. Somit würde der Pkw-Markt immer noch 29 Prozent niedriger sein als im Mittel der Jahre 2015 bis 2019. Großbritannien ist eins der wenigen Länder, in denen ein leichter Rückgang (minus 0,3 Prozent) der Wirtschaftsleistung erwartet wird. Die Inflation wird bei sieben Prozent liegen, nach neun Prozent im vergangenen Jahr.

Die Neuzulassungen in Frankreich lagen im März 24,2 über Vorjahr. Das erste Quartal schloss mit einem Plus 15 Prozent ab. Das Quartalsergebnis liegt 23 Prozent unter dem Mittel der Jahre 2015 bis 2019. Für das Jahr 2023 wird ein Anstieg der Neuzulassungen um sechs Prozent auf 1,62 Millionen Pkw erwartet. So bleiben sie 23 Prozent unter dem mittleren Wert der fünf vorpandemischen Jahre. Die schwache Wirtschaftsentwicklung (BIP: +0,8 Prozent; Inflation: 5,2 Prozent) verhindern eine stärkere Erholung der Neuzulassungen, sind aber nicht Frankreichs größtes Problem. Die - am Parlament vorbei - beschlossene Rentenreform führt wegen des Inhalts und der Art der Durchsetzung aktuell zu großen Unruhen. Sie stellen ein kaum kalkulierbares Risiko für die weitere Entwicklung dar.

Italiens Neuzulassungen lagen im März gegenüber dem Vorjahr um 40,8 Prozent im Plus. Nach drei Monaten gibt es ein Plus von 26 Prozent. Verglichen mit den Vorjahren (mittlerer Wert der Jahre 2015 bis 2019) sind dies Rückgänge von 13 Prozent im März und 21 Prozent für das erste Quartal.

Das Jahr 2023 wird eine Erholung auf 1,47 Millionen Neuzulassungen bringen, ein Plus von zwölf Prozent. Das Bruttoinlandsprodukt wird um 0,6 Prozent steigen, für die Verbraucherpreise wird ein Anstieg von knapp sieben Prozent erwartet, nach plus 8,7 Prozent im vergangenen Jahr. So bleiben dieses Jahr die Neuzulassungen 23 Prozent unter dem vorpandemischen Niveau.

Der März brachte in Spanien ein Plus gegenüber dem Vorjahr von 66,1 Prozent. Für das erste Quartal steht ein Plus von 45 Prozent zu Buche. Es sind die stärksten Zuwächse unter den westeuropäischen Märkten. Verglichen mit den Werten von 2015 bis 2019 ergibt sich für März ein Minus von 19 Prozent und für die ersten drei Monate ein Rückgang von 22 Prozent.

Unter dem beschriebenen Szenario sollten die Neuzulassungen in diesem Jahr auf 908.000 Pkw ansteigen, ein Plus von zwölf Prozent. Das wären 26 Prozent weniger als im Mittel der Jahre 2015 bis 2019. Die Wirtschaftsleistung Spaniens wird sich um 1,5 Prozent erhöhen, die Inflation wird nach zirka acht Prozent im vergangenen Jahr, dieses Jahr auf 4,4 Prozent zurückgehen.

In Deutschland brachten der März (plus 16,6 Prozent) und das erste Quartal (plus 6,5 Prozent) im westeuropäischen Vergleich eher geringe Zuwächse. Dies ist den hohen vorgezogenen Neuzulassungen Ende vergangenen Jahres aufgrund der Änderungen beim Umweltbonus geschuldet. Gegenüber den Vorkrisenjahren lag der März 19 Prozent im Minus, das erste Quartal schloss 20 Prozent niedriger ab.
Das Jahr 2023 wird auch in Deutschland in den kommenden Monaten unter dem Einfluss des Abbaus eines erhöhten Auftragsbestands stehen. Danach wird die schwache wirtschaftliche Situation an Einfluss gewinnen. Für das Bruttoinlandsprodukt wird mit einem leichten Plus von 0,3 Prozent gerechnet, die Verbraucherpreise sollen um 5,6 Prozent steigen, nach einem Anstieg von 8,6 Prozent im vergangenen Jahr. Unter diesen Rahmenbedingungen erwartet die Automobilwoche 2,8 Millionen Neuzulassungen, ein Plus von 5,6 Prozent gegenüber diesem Jahr. Dies wären dann aber immer noch 19 Prozent weniger als im Mittel der fünf vorpandemischen Jahre und – abgesehen von den Jahren 2021 und 2022 – die niedrigsten Neuzulassungen im wiedervereinigten Deutschland.

Aus dem Datencenter:

Pkw-Zulassungen in Westeuropa Median 2015-2019, 2022 bis März 2023

Pkw-Neuzulassungen in Westeuropa im März 2023

Pkw-Neuzulassungen in Westeuropa nach Ländern im März 2022 und 2023

Neuzulassungsveränderung in Westeuropa nach Ländern im März 2023

Prognose der Neuzulassungsveränderung in Westeuropa nach Ländern 2023 zum März

Pkw-Neuzulassungen Westeuropa – März 2023 und Prognose 2023

Pkw-Neuzulassungen in Westeuropa im März der Jahre 2000 bis 2023

Verbraucher- und Industrievertrauen in der EU – Januar 2008 bis März 2023