Polestar übernimmt ehemalige Saab-Entwicklung

Der zur chinesischen Geely-Gruppe gehörende Elektroautobauer Polestar will im früheren Saab-Werk im schwedischen Trollhättan ein europäisches Entwicklungszentrum aufbauen und damit seine europäischen Entwicklungskapazitäten deutlich erweitern. Das bestätigte eine Sprecherin der Automobilwoche auf Anfrage.

Wie die Automobilwoche zuvor erfahren hatte, wird Polestar ein Gebäude mit 15.000 Quadratmetern von der Stadt Trollhättan anmieten, um dort Entwicklungs- und Testaktivitäten vorzunehmen. Konkret soll dort der Antriebsstrang für den kommenden Polestar 5 weiterentwickelt und erprobt werden. Er soll 2024 auf den Markt kommen. Derzeit sind in der Polestar-Entwicklung am Standort Göteborg 800 Mitarbeiter beschäftigt.

Der bisherige Eigentümer des Saab-Werkes NEVS ist illiquide und hat das Werk im April in einen unbefristeten Shutdown geschickt, fast alle Mitarbeiter wurden entlassen. Die Stadt und ihre gemeindeeigene Immobiliengesellschaft Kraftstaden kündigten inzwischen an, die Immobilien und Grundstücke von NEVS zu kaufen. Erster Mieter wird nun Polestar sein.

Ob Polestar in Trollhättan künftig auch Fahrzeuge baut, ist ungewiss, die Möglichkeit dazu besteht aber. Bislang werden Polestar-Modelle ausschließlich in China gebaut, auch wenn der Hersteller am Sitz von Volvo Cars in Göteborg sein Headquarter hat.

Seit 2019 bietet der Hersteller den Polestar 2 an, seit Ende 2022 auch das SUV Polestar 3. Vor wenigen Tagen stellte Polestar bei der Auto Shanghai den Polestar 4 vor, ein großes Coupé.

2022 lieferte der Hersteller weltweit gut 51.000 Fahrzeuge aus, im ersten Quartal des laufenden Jahres knapp 12.000 Einheiten. Das war zwar ein Plus von 26 Prozent gegenüber dem Vorjahr, würde jedoch bei weitem nicht ausreichen, um ein großes Produktionswerk wie das ehemalige Saab-Werk in Trollhättan auch nur annähernd auszulasten.

Allerdings hat der Hersteller sehr ehrgeizige Ziele. Noch in diesem Jahr soll der Absatz massiv um 60 Prozent auf 80.000 Einheiten steigen, vor allem durch den kleineren Polestar 2.

Das Werk in Trollhättan könnte Geely Automotive aber nicht nur für Polestar nutzen, sondern auch für andere Marken. Erst im März hatten die Chinesen mit dem ungarischen Generalimporteur Grand Automotive Central Europe (GACE) einen Vertrag zum Vertrieb der Geely-Nobelmarke Geometry geschlossen. GACE will noch im ersten Halbjahr mit dem Verkauf des Geometry C in Ungarn, Tschechien und in der Slowakei beginnen.

Darüber hinaus hat Geely vor wenigen Tagen angekündigt, seine Premium-Marke Zeekr ebenfalls noch dieses Jahr in Europa anzubieten. Der große Crossover  Zeekr 001 und das Kompakt-SUV Zeekr X sollen vom vierten Quartal an zunächst in  Schweden und in den Niederlanden verkauft werden. Weitere Länder und Modelle sind geplant, allerdings ist offen, ob die Marke auch nach Deutschland expandieren wird.

Das Schicksal des Saab-Werkes könnte mit der Entscheidung von Polestar nun doch noch zu einer Zukunftsperspektive führen. 2019 hatte der inzwischen insolvente Münchener Autobauer Sono Motors zunächst geplant, sein erstes Modell Sion bei NEVS in Schweden bauen zu lassen. Doch zu einem Vertrag kam es letztlich nie, Sono Motors vereinbarte danach den Bau beim Auftragsfertiger Valmet in Finnland.

Der NEVS-Mehrheitseigentümer ist die Evergrande-Gruppe in China, ein großes Bau- und Immobilienkonglomerat mit einer Automotive-Sparte. Doch im Oktober 2021 geriet Evergrande in finanzielle Schwierigkeiten und suchte seither nach einer Möglichkeit, sich von NEVS zu trennen.