Dass Oliver Blume wenige Tage vor seinem Amtsantritt beim Volkswagenkonzern in Wolfsburg am 1. September und dem geplanten Börsengang von Porsche überhaupt noch ein Interview gibt, ist keine Selbstverständlichkeit. Fragen zu seiner neuen Rolle und zum Börsengang wollte er daher auch nicht beantworten. Der Anlass ist vielmehr das 20-jährige Jubiläum des Porsche-Werks in Leipzig, zu dem die Automobilwoche eine Sonderedition veröffentlicht.
Herr Blume, das Porsche-Werk in Leipzig wird 20 Jahre alt. Welche Bedeutung hat es für Porsche?
Der Standort ist unsere zweite Heimat und hat entscheidend zum Erfolg unserer Marke beigetragen. Die Entscheidung für Leipzig fiel 1999. Sie ist ein Beweis für den Mut des damaligen Porsche-Managements rund um Wendelin Wiedeking. Nicht nur, weil das Unternehmen aus dem Schwäbischen nach Sachsen gegangen ist. Sondern auch, weil das Unternehmen seine Sportwagen-Palette um einen sportlichen SUV erweitert hat, den Cayenne.
Mit dem Panamera und dem Macan kamen neue Modellreihen in Leipzig dazu. Sind die Sachsen mutiger als die Schwaben?
Mut und Tatkraft sind eine Gemeinsamkeit der Menschen in beiden Bundesländern. Leipzig bietet mit seinem mehr als 400 Hektar großem Areal aber ganz andere Möglichkeiten für Erweiterungen und für unsere kreativen Ideen. Zudem bot die Stadt mit seiner Automobilclusterstrategie ideale Bedingungen und hat uns willkommen geheißen. Beim Taycan, dem ersten vollelektrischen Porsche, haben wir uns bewusst für Stuttgart entschieden und damit für unser Stammwerk in Zuffenhausen. Auch Dank des fachlichen Austauschs mit den Behörden war es möglich, die Fabrik in weniger als vier Jahren in Betrieb zu nehmen.
Sie kamen 2013 als Produktionsvorstand zu Porsche. Damals wurde der Standort ebenfalls erweitert.
Für den Kompakt-SUV wurde das Werk in Leipzig zu einem Vollwerk mit eigenem Karosseriebau und eigener Lackiererei ausgebaut. Insofern steht das Modell Macan wie kein zweites für einen Umbruch und eine echte Erfolgsgeschichte – und hat auch meinen Weg bei Porsche ganz entscheidend geprägt. Der Macan hat dem Standort einen Hub gegeben – in Bezug auf Stück- und Mitarbeiterzahlen. Ich erinnere mich sehr gern an diese Zeit. Bis zur Eröffnung des Werks im Februar 2014 war ich jede Woche mehrere Tage vor Ort. Leipzig ist eine lebenswerte, junge Stadt, die mir mit ihren Menschen ans Herz gewachsen ist.
Mit dem Macan Electric startet in Leipzig das zweite Elektromodell nach dem Taycan. Wie wichtig ist das für Leipzig?
Unsere Mission ist klar: Wir wollen elektrisch in die Zukunft fahren und eine technologische Vorreiterrolle übernehmen. Dabei haben wir eines der ambitioniertesten Ziele unserer Industrie: Wir arbeiten darauf hin, dass unsere Wertschöpfungskette im Jahr 2030 bilanziell CO2-neutral ist – und wir mehr als 80 Prozent unserer Fahrzeuge vollelektrisch an Kunden ausliefern. Der vollelektrische Macan spielt dabei eine wichtige Rolle.
Und doch hängt alles davon ab, wie sich die Elektromobilität weltweit entwickeln wird.
Deshalb stellen wir uns für einen Übergangszeitraum flexibel auf und bieten auch noch das aktuelle Modell mit Verbrennungsmotor an.
Haben Sie nicht manchmal das Gefühl, dass Ihre E-Strategie zu ehrgeizig sein könnte? Was, wenn Verbrenner noch länger gefragt sind?
Unser Ziel einer BEV-Quote von mehr als 80 Prozent der Neuauslieferungen in 2030 gehört zum ambitioniertesten innerhalb der Automobilindustrie. Zugleich bin ich mir sicher, dass dies der richtige Weg ist. Angesichts des hohen Bestandes an Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren – weltweit über 1,3 Milliarden – erfolgt der Hochlauf der Elektromobilität jedoch nicht schnell genug, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Daher sehen wir eFuels als sinnvolle Ergänzung zur Elektromobilität. Mit regenerativen Energien hergestellt, erlauben sie einen potenziell nahezu CO2-neutralen Betrieb von Ottomotoren.
Für das Engagement von Porsche bei synthetischen Kraftstoffen auch in der Politik wurden Sie zuletzt scharf kritisiert. Nachvollziehbar?
Porsche bekennt sich zum Pariser Klimaabkommen. Wenn wir die verabschiedeten Ziele erreichen wollen, können synthetische Kraftstoffe einen wertvollen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Die Regionen auf der Welt entwickeln sich unterschiedlich schnell in Richtung Elektromobilität, so dass auch in Jahrzehnten noch Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren unterwegs sein werden. Mit eFuels kann der Fahrzeugbestand einen Beitrag zur schnellen CO2-Reduktion leisten. Darüber hinaus sind synthetische Kraftstoffe Verkehrssektor-übergreifend interessant: Für die Automobilindustrie ebenso wie für die Luftfahrt- und Schifffahrtsindustrie. Wir sehen uns hier als Pioniere und wollen die Technologie vorantreiben – als Baustein unserer klaren, gesamthaften Nachhaltigkeitsstrategie. Wer Klimaschutz ernst meint, muss technologieoffen denken.
Die Sonder-Edition der Automobilwoche zum 20-jährigen Bestehen des Porsche-Werks in Leipzig erscheint am Montag, 29. August und ist ab diesem Zeitpunkt im Abo-Shop erhältlich.
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