Kunden müssen lange auf zugelassene Neuwagen warten

Liefer- und Logistikprobleme haben die Autobranche zum Jahresende weiter fest im Griff. Während sich die Situation in anderen Branchen zuletzt etwas entspannt hat, kann davon im Kfz-Handel nicht die Rede sein: Knapp neun von zehn Autohändlern (86 Prozent) berichten laut der Ifo-Konjunkturumfrage (Dezember) von Lieferproblemen. Insgesamt klagten im Dezember mehr als 62 Prozent der Einzelhändler noch über Lieferengpässe, nach 71,1 Prozent im November.

Dabei verschieben sich die Probleme in der Autobranche zunehmend: Während zunächst die Chip- und Teilekrise für Lieferprobleme sorgten, sind es mittlerweile fehlende Logistikkapazitäten. Zwar können die Hersteller wieder besser produzieren. Aber die Fahrzeuge nicht ausliefern. Das Problem zieht sich quasi durch alle europäischen Länder.

Die Situation verschärft sich nochmals durch die bei vielen Herstellern übliche Jahresendrallye: So werden meist zum Jahresende nochmals verstärkt Fahrzeuge zugelassen. Der Druck bei den Herstellern und ihren Vertriebspartnern ist groß.

In Großbritannien stecken viele Autos in den Häfen fest. Laut einem Bericht der britischen Händlerzeitung "Car Dealer Magazine" haben in Großbritannien nun Händler von Renault und Stellantis einfach Fahrzeuge zugelassen, obwohl deren Auslieferung an Kunden noch offen ist. Renault habe gegenüber den Kunden die Verzögerungen mit Problemen beim Einbau von Extras begründet. Kurios: Zum Teil hatten die Kunden die Extras gar nicht bestellt.

Entsprechend groß ist der Ärger bei den Käufern. "Mein Fahrzeug wurde am 9. Dezember von Renault zugelassen", sagte Kunde Anthony Murphy laut Car Dealer Magazine. "Wenn ich es am 5. Januar 2023 erhalte, ist es einen Monat alt. Dies hat erhebliche Auswirkungen auf den zukünftigen Wert." Das Auto, das er im Gegenzug dafür eintausche, verliere pro Monat etwa 500 Pfund.

Die Logistikprobleme mit bereits produzierten Fahrzeugen haben sich in den vergangenen Monaten weiter zugespitzt. Während der Pandemie haben Speditionsunternehmen ihre älteren Lkws stillgelegt, viele davon verschrottet. Hinzu kommt der Fahrermangel. Dieser zeichnet sich schon länger ab: Im vergangenen Jahr fehlten laut International Road Transport Union (IRU) in Europa rund 425.000 Lkw-Fahrer. Jeder zehnte Lkw blieb unbesetzt. Bis Ende dieses Jahres soll die Lücke auf 600.000 Lkw-Fahrer bzw. 14 Prozent steigen.

"Es besteht ein reales Risiko, dass sich die Fertigfahrzeuglogistiker keine ausreichenden Kapazitäten sichern können, um die Autos an ihr Ziel bringen zu können. Eine kurzfristige Besserung der Kapazitätslage ist aktuell nicht in Sicht", sagte jüngst Mike Sturgeon, Geschäftsführer des europäischen Fahrzeug-Logistikverbands ECG, bei einer Veranstaltung. Ein Grund: der massive Abbau von Kapazitäten. „Im Straßengüterverkehr stehen geschätzt ein Drittel weniger Lkw-Kapazitäten im Vergleich zur Zeit vor dem Pandemieausbruch zur Verfügung“, ergänzt Sturgeon.

Dabei sind die Probleme auf der Straße nur eine Facette des Problems. "Es gab einen 'Stillstand’ mit einem erheblichen Kapazitätsabbau bei allen drei Hauptverkehrsträgern aus völlig unterschiedlichen und nicht zusammenhängenden Gründen. Infolgedessen verlagert sich der Kapazitätsmangel im Schienenverkehr auf die Straße, was die Probleme dort noch verschärft", sagt ECG-Präsident Wolfgang Göbel, Vorstandsmitglied beim schwäbischen Logistikriesen Mosolf.

Wenig Hoffnung auf schnelle Besserung bei den Logistikproblemen macht Patrick Gueth, Leiter Vertrieb & Key Account Management BLG Logistics: "Wir gehen für 2023 ebenfalls von einem volatilen Marktumfeld aus und hoffen auf Besserung der verschiedensten Disruptionen in der Automobil-Lieferkette in den Jahren 2024 und 2025."

Aus dem Datencenter:

Pkw-Zulassungen in Westeuropa Median 2015-2019, 2021 bis November 2022