Produktion halbiert – diese Werke sind in Gefahr

Mit 23 Fabriken für die Produktion von Pkw und Transportern zählt Deutschland noch immer zu den bedeutendsten Standorten der Automobilindustrie weltweit. Doch die Zahl der Fahrzeuge, die hier die Bänder verlassen, hat in den vergangenen Jahren dramatisch abgenommen. So hat die Pkw-Produktion in Deutschland im Jahr 2021 einen neuen Tiefstand erreicht und war nach Angaben des Branchenverbands VDA so niedrig wie seit 1975 nicht mehr.

Nur noch 3,1 Millionen Fahrzeuge verließen die Fabriken. Ein Jahr zuvor waren es noch 3,5 Millionen. Innerhalb von fünf Jahren hat sich die Zahl fast halbiert. 2016 wurden noch 5,7 Millionen Fahrzeuge ausgeliefert. Damit rutscht Deutschland hinter China, Japan, USA, Indien und Südkorea auf den sechsten Rang ab. 2020 belegte das Land noch den vierten Rang. Immerhin: Für die ersten zwei Monate 2022 meldet der VDA einen leichten Anstieg um zwei Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum auf 570.700.

Ein Hauptgrund für den schnellen Rückgang sind Lücken in der Lieferkette als Folge der Covid-Pandemie. Vor allem der Mangel an Chips hat die Produktion ausgebremst. Viele Fahrzeuge konnten nicht produziert werden, die Lieferzeiten für manche Modelle liegen inzwischen bei über einem Jahr. Der VDA sieht aber auch längerfristige Faktoren, die den Produktionsstandort gefährden.  Dazu zählen die Transformation hin zum Elektroantrieb, der Segmentmix, die hohen Arbeitskosten sowie eine zunehmende Vor-Ort-Fertigung.

So gibt es etwa seit vielen Jahren einen starken Trend hin zu effizienten Kompakt-SUV. Die Produktion neuer Modelle in diesem Bereich wurde von den deutschen Herstellern vor allem im europäischen Ausland angesiedelt. Der T-Roc von VW als Pendant etwa wird im portugiesischen Setubal montiert. Auf der anderen Seite sinkt die Produktion von Klein- und Kompaktwagen in Deutschland. Als Beispiel mag der VW Golf gelten, der um um seinen Platz als meistverkauftes Modell fürchten muss. Immer wieder standen die Bänder in Wolfsburg wegen des Chipmangels still. Mit knapp 400.000 Fahrzeugen wurde dort so wenig produziert wie seit Jahrzehnten nicht mehr.

Die Zukunft der Standorte ist zumeist mit der Frage verknüpft, ob dort in Zukunft auch Elektromodelle gefertigt werden. In erster Linie leiden Fabriken, die noch stark am Verbrenner hängen. Bei Audi in Neckarsulm (A4, A5, A6, A7 und A8)  erreichte die Fertigung im vergangenen Jahr nur rund die Hälfte der eigentlichen Kapazität von 300.000 Pkw. Zwar hat der Volkswagen-Konzern jüngst neue Elektromodelle in Aussicht gestellt. Die sollen aber erst zum Ende des Jahrzehnts nach Neckarsulm kommen. Stattdessen sollen dort die letzten Generationen der Verbrenner-Modelle vom Band laufen. Ob dies angesichts des immer schnelleren Umstiges auf die Elektromobilität ausreicht, darf bezweifelt werden.

Stark gefährdet sind außerdem Standorte mit nur einem Modell oder geringen Stückzahlen. Dazu zählt beispielsweise das Werk von Opel in Eisenach, wo lediglich der Grandland vom Band läuft. So hatte der Mutterkonzern Stellantis bereits eine Auslagerung des Werks aus dem Unternehmen in Erwägung gezogen, die Pläne aber wieder fallen lassen. Längerfristig dürfte der Standort aber im riesigen Produktionsnetzwerk des Konzerns nur begrenzte Überlebenschancen haben. Auch das Stammwerk in Rüsselsheim schrumpft seit Jahren. Zwar soll der neue Astra die Auslastung erhöhen. Doch ob der Insignia-Nachfolger auch wieder in Deutschland gebaut wird, ist derzeit noch unsicher.

Vor ähnlichen Problemen steht auch Ford. Hier steht das Werk Saarlouis, wo der Focus gefertigt wird, bereits seit Jahren vor einer ungewissen Zukunft. Notwendig wäre ein Elektromodell, doch darauf wollte sich das Unternehmen bisher nicht festlegen. Saarlouis konkurriert hier mit Valencia. Lediglich für das Stamnmwerk in Köln hat Ford bereits Zusagen gemacht für zwei Modelle, die auf dem Elektro-Bauskasten von Volkswagen basieren. Erhält Saarlouis den Zuschlag nicht, dürfte mit dem Ende des Focus als Verbrenner-Modell auch das Werk abgewickelt werden.

Während im Volkswagen-Konzern große Standorte wie Wolfsburg oder Emden bereits klare Zukunftsperspektiven mit neuen Elektromodellen haben, sind auch hier die kleinen Werke unter besonderer Beobachtung. So steht die Gläserne Manufaktur in Dresden auf der Kippe. Hier wurde einst das Flaggschiff Phaeton gebaut, doch danach tat sich VW schwer mit neuen Konzepten. erst wurde der E-Golf gefertigt, aktuell läuft ein Überlauf des ID.3 vom Band. Die Stückzahlen blieben in der Fertigung mit nur 340 Mitarbeitern immer gering. 2021 waren es 4332 Einheiten. Sollte der ID.3 wie geplant noch 2022 nach Wolfsburg verlagert werden, könnte schon bald Schluss sein.

Nicht wirklich klar ist auch, was mit dem Standort Osnabrück passiert. Der war in der Vergangenheit immer wieder für Überläufe genutzt worden, etwa auch für die Konzerntochter Porsche mit den Baureihen Boxster und Cayman. Aktuell wird hier vor allem der VW T-Roc in der Variante als Cabrio montiert. Die Stückzahlen des Werks sind mit rund 25.000 pro Jahr aber sehr gering. In der vergangenen Planungsrunde lobte Konzernchef Herbert Diess den Standort zwar für seine Kompetenzen bei der Produktion von Nischenfahrzeugen und stellte ein elektrisches Cabrio in Aussicht. Doch wirkliche Zusagen gab es nicht.

Bei den Premiumherstellern Mercedes und BMW geht es in erster Linie um die Motorenwerke, die von der Transformation betroffen sind. So wird Mercedes seinen Standort Berlin-Marienfelde deutlich eindampfen, will dort aber ein Software-Zentrum für die digitale Produktion ansiedeln. Für Stuttgart-Untertürkheim könnte der elektrische Antriebsstrang einen Ersatz für wegfallende Umfänge bei Diesel und Benziner bieten. Gänzlich ungeklärt ist lediglich die Zukunft von Kölleda, wo bisher ausschließlich Motoren gefertigt werden. Hier könnte Mercedes eine Fabrik eines Partners für Batteriezellen ansiedeln. BMW hat zwar beschlossen, seine Motorenproduktion aus München komplett ins Ausland zu verlagern. Die Mitarbeiter sollen aber in den Werken weiterarbeiten können, die derzeit auf Elektromobilität umgestellt werden.

Der Wandel des Antriebs bringt auch neue Chancen für den Standort Deutschland. Sichtbarstes Beispiel ist die Gigafactory von Telsa in Brandenburg. Hier hat die Produktion begonnen. Bei voller Auslastung sollen hier einmal bis zu 500.000 Einheiten pro Jahr von Model Y und Model 3 gefertigt werden. Dies dürfte die Zahlen schon in diesem Jahr wieder steigen lassen. In den kommenden Jahren könnten weitere Hersteller hinzukommen. So soll der vietnamesische Autobauer VinFast, der global sehr ehrgeizige Pläne verfolgt, auf der Suche nach einem Fabrikstandort in Deutschland sein. Dadurch könnte die Bedeutung auch im internationalen Vergleich in den kommenden Jahren wieder steigen.

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