Schattenseite der schnellen Einführung von E-Mobilität

Die Bedrohung durch Cybersecurity nimmt immer größere Ausmaße an. Jüngst hatte es den Zuliefererkonzern Continental erwischt. Hacker sollen rund 40 Terabyte an Daten erbeutet haben, um den Konzern anschließend mit einer drohenden Veröffentlichung zu erpressen. Darunter auch technische Informationen von Automobilkunden.

Als Reaktion auf die Bedrohungen aus dem Netz hat der britische Antriebsstrangzulieferer GKN Automotive beispielsweise eigene Cybersecurity-Einheiten in seine Entwicklungsprozesse integriert. „Die Kompromittierung eines einzigen Steuergerätes kann ausreichen, um auch weitere Steuergeräte zu übernehmen. Im schlimmsten Fall ist dem Angreifer dann sogar die Kontrolle über das Fahrzeug möglich“, erklärt Gundolf Schmidt, Senior Global Manager System Safety bei GKN Automotive.

Weil Fahrzeugvernetzung, Bedien- und Remote Services nicht nur Komfort ins Fahrzeug, sondern auch Cybergefahren ins Fahrzeug bringen, richtet derzeit das israelische Startup Upstream dafür im US-Bundesstaat Michigan ein Abwehrzentrum ein. Der Standort wird voraussichtlich bis Ende des Jahres voll einsatzfähig sein. Michigan ergänzt das Netz von Upstreams automobilspezifischen Sicherheitszentren, die in Israel aktiv sind und demnächst auch in Japan eröffnet werden. Weitere vSOC-Investitionen sollen „in naher Zukunft in der Mitte Europas“ entstehen.

Das 2017 gegründete israelische Startup, das die speziell für vernetzte Fahrzeuge entwickelte Datenmanagement- und Security Plattform „AutoThreat“ auf den Markt brachte, schützt heute eigenen Angaben zufolge weltweit 15 Millionen Fahrzeuge vor Cyberangriffen. Autohersteller und Mobilitätsdienstleister gehören zu den Investoren des Tech-Unternehmens, das weltweit 120 Mitarbeiter beschäftigt. Im September hatte das Unternehmen seine Cloud-basierte Sicherheitslösung auf der IAA Mobility erstmals auch für den Nutzfahrzeug- und Transportsektor gezeigt.

Laut Upstream ereigneten sich fünfzig Prozent aller gemeldeten Vorfälle im Zusammenhang mit der Cybersicherheit in der Automobilindustrie allein in den letzten zwei Jahren. Die Gründe sieht das Unternehmen in der schnellen Einführung von Elektrofahrzeugen und Lade-Apps, aber auch Over-the-Air-Updates und intelligente Mobilitäts- und Kundenerlebnis-Anwendungen würden die Zunahme von Angriffen aus dem Cyberraum beschleunigen.

„Infotainment und User-Experience Anwendungen sind eine der am schnellsten wachsenden Angriffsflächen und machen bisher sechs Prozent der Gesamtangriffe im Jahr 2022 aus, verglichen mit zwei Prozent im Jahr 2021", erklärt Yaniv Maimon, Director of vSOC bei Upstream. Ladestationen und Infrastruktur seien ebenfalls zu einem wichtigen Thema geworden, „vor allem angesichts der Reichweitenangst und des ständigen Drucks, die Einführung von Elektrofahrzeugen zu beschleunigen".

Mehr Sicherheit für die Elektro-Ladeinfrastruktur soll ein neues Zertifizierungsprogramm der Dekra bieten. Die Prüforganisation sieht sich damit weltweit als erster Anbieter, der solch ein spezielles Prüfsiegel anbietet. Das Programm basiert auf den internationalen Cybersecurity-Standards wie ETSI EN 303 645 oder IEC 62443. Es soll Hersteller von Ladeeinrichtungen ihre Produkte für künftige Sicherheitslösungen vorzubereiten, um Bedrohungen abwehren zu können.  
 
Die zertifizierten Produkte werden mit dem Dekra-Siegel ausgezeichnet. Damit bestätigt das Unternehmen, dass das Ladegerät von der Prüforganisation getestet wurde und die Anforderungen an die Cybersicherheit erfüllt. „Eine sichere Ladeinfrastruktur ist entscheidend für die Akzeptanz der Elektromobilität und die Zunahme von Elektrofahrzeugen auf den Straßen. Unser Ansatz für die Prüfung von Ladestationen basiert auf einer 360-Grad-Betrachtung, bei der wir zum Beispiel Sicherheit, EMV und Funk sowie die digitale Kommunikation als wichtige Elemente bewerten“, erklärt Vincent Roes, Vice President und Leiter Strategieentwicklung für das Geschäftsfeld Produktprüfung bei Dekra. Angesichts der Bedeutung einer sicheren Kommunikation zwischen Ladestationen, E-Fahrzeugen und dem Back-Office werde die Cybersicherheit zu einem entscheidenden Aspekt.

Neben den Cybersecurity-Prüfungen und -Zertifizierungen bietet die Prüforganisation weitere Dienstleistungen für Ladestationen an. Laut eigenen Angaben verfügt das Unternehmen über den größten Prüfumfang für EV-Ladegeräte sowie über das Labor mit den meisten Akkreditierungen und Anerkennungen in der Branche. Das Unternehmen unterhält Prüflabore an mehreren Standorten weltweit, unter anderem in den Niederlanden, den USA und China.

Dazu aus dem Datencenter:

Top-5-Risiken in der Automobilindustrie - 2022