So fühlt sich eine Fahrt im Opel Rocks-e an

Das Mofa war gestern und auch der e-Scooter ist schon wieder out – zumindest, wenn es nach den Marketing-Spezialisten bei Opel geht. Denn die wollen die Großstadt-Bewohner jetzt lieber in den neuen Rocks-e locken, der in diesen Tagen zu den Händlern und im Januar auf die Straße rollt. Mit einem Kaufpreis ab 7990 Euro oder Leasingraten auf dem Niveau einer Monatskarte für den Stadtbus halbwegs erschwinglich und dank seiner Konstruktion als Leichtkraftwagen auch schon für Jugendliche ab 15 Jahren zu fahren, soll er zum Vorreiter der Sustainable Urban Mobility werden und als SUM möglichst viele SUV aus der Stadt verdrängen.

"Mit dem Rocks-e ermöglichen wir jetzt allen, vom jugendlichen Fahranfänger bis zum Innenstadtpendler, den erschwinglichen Umstieg auf die Elektromobilität. Kein überflüssiger Zierrat, der ins Geld geht – der neue Rocks-e bedeutet emissionsfreie Mobilität pur. Ein City-Stromer, der schon mit seinem Styling für Aufsehen sorgen wird", sagt Opels Deutschland-Chef Andreas Marx. Neu ist die Idee freilich nicht. Denn der Rocks-e ist nichts anderes als der vor gut einem Jahr vorgestellte Citroen Ami, der im Zuge der familiären Neusortierung innerhalb der Stellantis-Gruppe von Opel gekapert und mit einem Blitz versehen wurde.

Form und Format sind dabei mindestens genauso unkonventionell wie beim Smart vor 20 Jahren – nur dass der wie eine Mischung aus Schuhkarton und Toaster gezeichnete Rocks-e, der aus nur 250 Teilen wie ein Playmobil-Auto in Marokko zusammen gesteckt wird, sogar noch eine halbe Nummer kleiner ist. Er misst gerade mal 2,41 Meter in der Länge und 1,39 Meter in der Breite und wiegt selbst mit Batterie keine 500 Kilo – fast aufs Kilo genau so viel wie weiland die Ente.

Außerdem lässt er mit seinem Wendekreis von 7,2 Metern sogar den Smart Fortwo sperrig wirken. Dazu gibt es asymmetrische Türen, die auf der Fahrerseite gegenläufig und für den Sozius mit der Fahrtrichtung angeschlagen sind, Klappfenster wie bei der Ente und ein Innenleben wie aus dem Lego-Katalog, das den Smart brav und bieder erscheinen lässt. Dieses Lego-Prinzip ist übrigens wörtlich zu nehmen. Denn die Optionspakete mit Extras wie Ablagen, Taschenhaken, Fußmatten oder Dekorstreifen sind tatsächlich Päckchen, die geliefert und vom Eigentümer selbst ins Armaturenbrett gesteckt werden.

Konsequent auf Mikro-Mobilität ausgelegt, ist der Antrieb des Rocks-e allerdings noch mickriger als der des Bonsai-Benz oder des Renault Twizy, der in anderer Form ein ähnliches Konzept verfolgt. Denn ausgelegt für die Führerscheinklasse AM und deshalb schon ab 15 Jahren zu fahren, schafft der Rocks-e maximal 45 km/h. Wer die City richtig rocken will, der ist im Rocks-e deshalb fehl am Platz – zumal sich auch der bei Elektroautos sonst übliche Boost-Effekt nicht einstellen mag, es bis zur Höchstgeschwindigkeit ziemlich zähe zehn Sekunden braucht und sich der Antrieb zudem beim Anfahren eine Gedenksekunde gönnt.

Dafür allerdings reicht ihm dann auch ein Akku von lächerlichen 5,5 kWh für bis zu 75 Kilometer Aktionsradius und das Laden funktioniert so leicht wie beim Smartphone: An der normalen Haushaltssteckdose braucht der Rocks-e nur gute drei Stunden, bis er wieder voll einsatzbereit ist. Wer an die Wallbox will, muss allerdings einen Adapter kaufen und an der Schnellladesäule hat der Winzling nichts zu suchen.

Zwar wirkt der Rocks-e in vielen Punkten deutlich cleverer als der Smart. Doch so ganz kann der Hesse mit dem französischen Pass dann doch nicht mit einem "echten" Auto konkurrieren – selbst wenn er von anderen Verkehrsteilnehmern als solches wahrgenommen wird. Das Spitzentempo von 45 km/h erfordert nicht nur eine gewisse Demut und ein dickes Fell, wenn der Hintermann Druck macht – und schon ein Kleinwagen plötzlich so bedrohlich wirkt wie ein Porsche Cayenne. Sondern es macht auch den Spurwechsel zur Glückssache, weil man immer einen Hauch zu langsam ist, es schränkt die Routenauswahl ein und versperrt dem Fahrzeug den Weg zum Beispiel auf die Stadtautobahn. Wobei das kein technisches Problem ist, sondern ein politisches und es womöglich an der Zeit wäre, die Grenze für diese Klasse auf 55 oder gar 60 km/h anzuheben.

Was man dagegen dem Fahrzeug selbst ankreiden kann, das ist der bescheidene Komfort: Von der Stille der Stromer bleibt nicht viel übrig, wenn der kleine Kasten über den schartigen Asphalt der Städte rumpelt, ohne dass eine nennenswerte Dämmung den Schall schlucken kann. Außerdem kann man den winzigen Wendekreis ohne Servolenkung nur eingeschränkt genießen, mit Fahrvergnügen ist es auf brettharten Sitzen nicht weit her und auch das bunte Dekor und das augenzwinkernde Design können nicht über die extrem billige Materialauswahl hinwegtäuschen. Für ein Auto mögen knapp 8000 Euro wenig Geld sein, für die Kunden allerdings ist das eine hübsche Summe, für die sie etwas mehr Luxus erwarten dürfen als im Stadtbus. Und dass es auf dem e-Bike im Winter noch kälter sein dürfte, tröstet auch nur bedingt über den Mangel einer Heizung hinweg.

Zwar mindert all das nicht den Spaß einer ersten Spritztour, und wo man mittlerweile selbst mit dem Smart lange nach einem Parkplatz suchen muss, findet man mit dem Rocks-e noch immer irgendwo eine Lücke. Deshalb ist der kleine Kumpel das richtige Auto für gewisse Stunden. Doch als Freund fürs Leben taugt er nur eingeschränkt. Kein Wunder, dass zumindest die Leasing-Angebote genau so kalkuliert werden, dass die Kundschaft mit dem 18. Geburtstag in ein echtes Auto umsteigen kann – natürlich am besten eines von Opel.

Der Hersteller schmückt sich beim Rocks-e mit fremden Federn und macht sich einmal mehr die Familienbande der Stellantis-Gruppe zunutze. Doch im Grunde kennen sich die Hessen mit dem Großstadtverkehr unterhalb des Autos besser aus als die meisten selbsternannten Mobilitätsrevolutionäre. Denn bevor sie in Rüsselsheim ihr erstes Auto gebaut haben, waren sie mal der größte Fahrradhersteller der Welt.

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