So machen "echte" Sportwagen Spaß

Es gibt keine Vorwarnung und auch kein Pardon: Wer im Porsche Mission R einen Kickdown wagt, den trifft die Physik mit unerbittlicher Härte – über 1000 Nm schleudern ihn von jetzt auf sofort dem Horizont entgegen und kaum lupft man den Fuß, ist das Phänomen auch schon wieder vorbei. Aus rein physikalischen Gesichtspunkten gibt es keinen dynamischeren Porsche als den Batterie-Boliden, der die Generation E auf die elektrische Erbfolge einstimmen soll.

Doch ist das Leben ist eben nicht nur Physik, sondern auch Psychologie. Vor allem auf der linken Spur. Deshalb sehnen sich passionierte Schnellfahrer noch immer nach jenen Emotionen, die ihnen auch der beste Soundcomposer nicht bieten kann. Vom Geruch heißen Öls und verbrannten Gummis ganz zu schweigen. Analog statt digital lautet ihr Motto, E-Motoren wollen sie allenfalls im Fensterheber, wobei sie auch da nur unnötigen Ballast bringen. Und Super Plus ist ihr Lebenselixier.

Das wissen sie auch in Weissach, selbst wenn auch dort mittlerweile das Gros der Porsche-Entwickler unter Strom steht. Deshalb kippen sie jetzt zusammen mit den Kollegen aus der Motorsport-Truppe in Flacht noch einmal literweise Balsam oder besser Benzin aufs Gemüt geplagter Petrolheads. Denn bevor der letzte Tropfen Sprit verbrannt ist und der Cayman wohl zum ersten Serienstromer unter den Sportwagen wird, schärfen sie der aktuellen Generation des 718ers noch einmal die Zähne und bringen den Zweisitzer für wenig bescheidene Preise ab 141.338 Euro als GT4 RS mit mehr Biss denn je. Und auch wenn das 40.000 Euro mehr sind als beim normalen GT4, wird niemand über den Preis jammern, sondern ihn mit Freude bezahlen. Denn auch ohne Stückzahllimit ist schon jetzt absehbar, dass der GT4 RS bis zum Produktionsende des Cayman ausverkauft sein wird.

Frei nach dem Motto "Das Beste zum Schluss" hat Porsche noch einmal kräftig nachgelegt: Denn als wäre ein hochdrehender, frei atmender Sechszylinder von vier Litern Hubraum nicht schon antiquiert und damit attraktiv genug, haben die Schwaben die Leistung des Rennmotors gegenüber dem GT4 noch einmal um 80 PS angehoben und jetzt volle 500 PS in den Fahrzeugschein geschrieben. Zum 911 GT3 fehlen da nur noch läppische zehn PS. Dazu noch ein kleiner Ausschlag in der Drehmomentkurve, die nun bei 450 statt 430 Nm gipfelt und dank Leichtbauscheiben und noch mehr Karbonteilen 35 Kilo weniger als beim Cayman GT4 – schon wird der RS zum Spitzentrumpf im Autoquartett. Nicht umsonst gelingt der Sprint auf Tempo 100 nun in bestenfalls 3,4 Sekunden und die Raserei geht bis 315 km/h. Zwar sind die fünf Zehntel und die 13 km/h, die der RS dem herkömmlichen GT4 abnimmt, bereits imposant. Doch was den Unterschied noch besser ausmacht, sind die 23 Sekunden, die Jörg Bergmeister mit dem RS-Modell auf der Nordschleife herausgefahren hat. In einer Welt, in der es sonst um Sekundenbruchteile geht, ist das eine halbe Ewigkeit.

Aber man muss gar kein LeMans-Sieger sein, um sich von diesem Cayman mal so richtig die Zähne zeigen zu lassen. Denn der Zauber dieses Extremisten erschließt sich selbst dem Laien am Lenkrad. Kaum fällt man in die tief montierten Sitzschalen, wird man vom Auto vereinnahmt. Mensch und Maschine werden eins und jede Zelle in deinem Gehirn kennt nur noch ein Kommando: Vorwärts. Mit wohl dosierten Hammerschlägen wechselt die Doppelkupplung die Gänge und schnell hältst Du die Drehzahl konstant über 6000 Touren. Dort, wo den meisten normalen Motoren schon so langsam die Puste ausgeht, spielt hier erst die Musik. Schließlich will der Sauger bei Laune galten werden, wenn die Leistungskurve erst bei 8400 U/min gipfelt und das Limit bei aberwitzigen 9000 Umdrehungen liegt.

Und dann erst das Fahrverhalten – bretthart und knochentrocken liegt der GT4 RS auf der Straße und lässt Dich selbst die Fahrbahnmarkierungen fühlen, hält dafür aber im Gegenzug so eisern den Kurs, als wäre das spärliche Restprofil der Semislicks aus Pattex. Mit Physik jedenfalls hat das hier nichts mehr zu tun.

Begleitet wird die Raserei von einem ganz großen Orchester, das mit so viel Inbrunst aufspielt wie die Bord-Kapelle auf der Titanic. Als wäre es das letzte Mal, bläst es mit jedem Gasstoß einen Tusch, der uns auch dann noch in den Ohren klingen wird, wenn selbst der (vor)letzte Porsche an der Ladesäule steht. Schrill und immer schriller wird das Schreien, bis die Endrohre kurz vor dem Drehzahllimit zu Fanfaren werden und der ganzen Welt den Marsch blasen wollen, nur um danach wieder ins Bariton des Drehzahlkellers zu stürzen und sich ein weiteres Mal ins Sopran zu schrauben. Dazwischen schnattern ganz fein die Drosselklappen, das Benzin-Luftgemisch gurgelt hörbar durch den Ansaugtrakt und direkt hinter den Ohren rauscht der Sauerstoff durch die Kiemen, die anstelle der Seitenfenster hinter der Tür montiert sind – so wird der Motor zum Musikinstrument, der Fahrer zum Dirigenten und der rechte Fuß zu seinem Taktstock.

Natürlich ist das bei den elektrischen Sportwagen nicht anders. Zumal dort statt herkömmlichen Traktionselektronik noch echtes Torque Vectoring dazu kommt und auch die engsten Kurven gerade zieht. Doch wo der Mission R und mehr noch der Taycan mit der Präzision aber auch mit der Gefühlskälte eines Skalpells in der Hand eines Herzchirurgen durch die Kurven schneidet, ist der Cayman wie das Schwert eines Samurais. Nicht mindert scharf, aber aus glühendem Stahl geschmiedet und mit der Leidenschaft eines stolzen Kämpfers kurz vor dem Untergang geführt. Wenn in leider wohl viel zu kurzer Zeit bald der letzte analoge Sportwagen gebaut werden sollte, dann bitte genau so und kein bisschen anders.

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