Deutsche Premiumhersteller bekommen Konkurrenz in China

Lange galt auch in China: Premiumfahrzeuge kommen von deutschen Herstellern. Doch das Bild wandelt sich, wie eine neue Studie der Unternehmensberatung Berylls zeigt. In der Kundenwahrnehmung sind chinesische Marken wie Nio ihren Kunden wie Mercedes und BMW zunehmend voraus. Besonders junge Kunden ziehen chinesische Marken vor. Das sollte den Vorständen deutschen Premiumhersteller Sorgen bereiten, denn China ist der größte Automarkt der Welt und junge Menschen sind die Kunden von morgen.

Als Stärken der heimischen Hersteller, der sogenannten New Premiums, sehen chinesische Kunden vor allem die Bereiche Smart Cockpit und Assistenzsysteme an, aber auch Service und Marketing. Die Erkenntnis, dass deutsche Hersteller in diesen Punkten Nachholbedarf haben, ist nicht neu. Bisher hieß es allerdings, Premiumhersteller seien davon weniger stark betroffen. Die Stärke ihrer Marken sollte etwaige Schwächen ausgleichen. Schließlich gelten deutsche Autos in China als Statussymbol, vor allem die Premiumfahrzeuge. In der Tat zeigt die Studie, dass die Marke für Chinesen der Hauptgrund ist, sich für eine deutsche Premiummarke zu entscheiden. Beim Kauf eines Premiumfahrzeugs einer chinesischen Marke steht hingegen das Produkt im Vordergrund.

Die Technologie gewinnt als Kaufargument an Bedeutung. Jahrzehntelang waren die Deutschen Vorreiter, wenn es um Verbrennungsmotoren ging. Doch darum geht es nicht mehr. Technologie bedeutet heute meistens Software – das beste Infotainment, die gelungenste Anbindung ans Smartphone, reibungslos laufende Systeme.

Zwar haben die meisten deutschen Hersteller das Problem erkannt und arbeiten mit Entwicklungszentren in China daran, Fahrzeuge nach dem Geschmack ihrer dortigen Kunden zu bauen. Doch die Konkurrenz ist bereits einen Schritt weiter. Auch ihre traditionellen Stärken helfen den deutschen Herstellern nicht mehr weiter: Bei Punkten wie Komfort und Qualität sehen chinesische Kunden die einheimischen Marken inzwischen mindestens auf Augenhöhe mit den deutschen Konkurrenten. Stärken deutscher Autos wie etwa sportliche Fahrwerke verlieren in China rasant an Bedeutung.

„Für die deutschen Hersteller sind die Ergebnisse alarmierend“, sagt Willy Wang, Managing Direktor, Berylls Strategy Advisors China. „Denn die chinesischen Wettbewerber liegen in der Kundenwahrnehmung in sehr vielen Punkten klar vorn.“

Was können die deutschen Hersteller nun tun? Berylls empfiehlt die Konzentration auf autonomes Fahren, Assistenzsysteme sowie Infotainmentsysteme. Doch damit allein ist es nicht getan. Auch im Marketing müssen die Deutschen besser werden und die Maßnahmen gezielt auf die Besonderheiten der chinesischen Kunden abstimmen. Momentan dominieren die chinesischen Hersteller den einheimischen Markt für Premium-Elektroautos mit einem Anteil von 80 Prozent. Der einzige ausländische Hersteller ist Tesla. Die Manager von Audi, BMW und Mercedes müssten deshalb schnell handeln, fordern die Experten. Das Zeitfenster für Änderungen sei klein.

Aus dem Datencenter:

Absatz der deutschen Premiummarken in China von 2012 bis 2022