So sieht die Audi-Vision eines Luxus-Vans aus

Von wegen Kastenwagen und Kleinbus für kinderreiche Familien: Bei uns sind Vans mittlerweile zwar nur noch Autos für Pragmatiker. Doch am anderen Ende der Welt haben die Großraumlimousinen einen dicken Premium-Anstrich und Modelle wie der Alphard oder der Elgrand spülen Marken wie Toyota oder Nissan dicke Gewinne in die Kassen. 

Darauf spekuliert nun auch Audi: Während Nasa & Co wieder mehr Raketen ins All schießen, wollen ausgerechnet die Bayern auch auf der Straße in die Raumfahrt einsteigen und liebäugeln deshalb öffentlich mit einem Luxus-Van, der Autos wie den VW Bulli und die Mercedes V-Klasse endgültig an Laderampe und Bushaltestelle verbannen soll: Urban Sphere heißt das Concept Car dieses allerersten Vans im Zeichen der Ringe. Gemeinsam entwickelt im engen Dialog mit asiatischen Kunden und eigentlich für die mittlerweile verschobene Motorshow in Peking geplant, feiert es diese Woche seine digitale Weltpremiere und könnte zur Mitte der Dekade an den Start gehen. "Damit wir E-Mobilität noch attraktiver machen, denken wir sie ganzheitlich und von den Kundenbedürfnissen her", sagt Audi-Chef Markus Duesmann und lenkt den Blick auf einen Hightech-Koloss von mehr als fünf Metern, der selbst die beiden Studien Sky Sphere und Grand Sphere aus dem letzten Jahr vergleichsweise filigran und zierlich aussehen lässt. Dabei waren die als Entwürfe für einen Luxusroadster und den Nachfolger des A8 beileibe keine Kleinwagen.

Weil es bei dem Dritten im Bunde vor allem um den Raum geht, hat Audi den Urban Sphere von innen nach außen gezeichnet. Und von hinten nach vorne. Denn die erste Geige spielen die Personen in der zweiten Reihe. Die betreten die Kabine über einen roten Teppich aus Licht, schreiten erhobenen Hauptes durch zwei gegenläufig angeschlagene Portaltüren ohne B-Säule und gleiten fast automatisch in zwei Loungeliegen, die sich ihnen ein paar Grad entgegen drehen. Danach reichen zwei, drei Gesten, die Blicksteuerung oder der Griff zum handschmeichelnden Drehsteller im Tür-Paneel und es beginnt ein Verwöhnprogramm, wie es selbst der gerade für China präsentierte Audi A8 Horch nicht bieten kann. Erstens, weil der nur 3,26 statt 3,40 Meter Radstand hat und deshalb entsprechend, nun ja, beengt wirkt. Und zweitens, weil die auf den ersten Blick eher zierlichen Sessel neben Liegelehne und Beinauflage auch noch ein Dutzend Massage- und Meditationsprogramme bieten – einen Zengarten im Fußraum und eine elektrisch drehbare Kopfmuschel zur Steigerung der Privatsphäre inklusive. Dazu gibt’s für die Erfrischung einen Wasserspender in der Mittelkonsole und zur Unterhaltung eine transparente Leinwand, die sich auf Wunsch über die gesamte Fahrzeugbreite durch den Innenraum spannt.

Während es im Fond also ziemlich feudal zugeht, sind die anderen Insassen nur Nebendarsteller: Die bei Großraumlimousinen irgendwie obligatorische dritte Reihe taugt allenfalls für Kinder oder Koffer und die erste ist lediglich fürs Personal gedacht - und selbst auf das kann der Urban Sphere zumindest teilweise verzichten. Denn natürlich fährt die Studie in der Vision der Vordenker weitgehend autonom, so dass Lenkrad und Pedale nur bei Bedarf aus dem Armaturenbrett surren. Oder eben, wenn dem Besitzer der Sinn nach individuellem Fahrspaß steht.

Zwar haben diesmal die Interieur-Designer den Ton angegeben. Doch die größere Kunst war das Exterieur-Design. Denn da musste das Team um Marc Lichte das Kunststück schaffen, den Koloss nicht wie einen Kasten aussehen zu lassen - was bei 5,50 Metern Länge, über zwei Metern Breite und vor allem fast 1,80 Metern Höhe wahrlich keine leichte Übung ist. Zumindest halbwegs gelungen ist das den Stilführern mit sportlichen 23-Zoll-Rädern, einer für Vans ziemlich stark geneigten Front- und einer früh angesetzten Heckscheibe, mit einer chromglänzenden Sinnestäuschung zwischen der eigentlichen Dachlinie und der Fensterkante an der Flanke und mit einem riesigen digitalen Kühlergrill und einem ebenso imitierten wie irritierenden Diffusor am Heck, den man in dieser Größe nicht mal bei einem Supersportwagen erwartet hätte.

Während sich Audi beim Aufbau in die Dimensionen wagt, bewahren die Bayern beim Antrieb Bodenhaftung. Denn die Basis für den Urban Sphere bildet die PPE-Plattform für die elektrische Oberklasse, die gerade gemeinsam mit Porsche entwickelt wird und im nächsten Jahr mit dem E-Macan, dem neuen Q6 und dem A6 in Serie gehen soll. Von ihr übernimmt das Showcar den dank 800 Volt-Technik betont schnell ladenden 120 kWh-Akku für bis zu 750 Kilometer Reichweite und die beiden E-Motoren für den obligatorischen Quattro-Antrieb, die mit gut 400 PS selbst so einen Koloss relativ flott in Fahrt bringen sollten.

Bislang ist der Urban Sphere zwar nur eine Studie und auf die Publikumsreaktionen aus Peking werden die Bayern der Pandemie wegen wohl erst einmal verzichten müssen. Doch schon die "Co-Creation" mit der Zielgruppe hat die Designer derart elektrisiert, dass sie sehr ernsthaft über eine Serienfertigung nachdenken und in vier bis fünf Jahren tatsächlich ihr Raumfahrtprogramm starten könnten. Dass Konkurrent Mercedes mit ganz ähnlichen Plänen 2005 eine Bruchlandung namens R-Klasse hingelegt hat, sollte sie dabei nicht stören. Denn binnen zwei Jahrzehnten hat sich Welt weitergedreht und vor allem Asien ist stärker in den Focus gerückt. Und während die Nasa vor fast genau zehn Jahren das letzte Space Shuttle eingemottet hat, wollen die Raumfahrer jetzt sogar auf den Mars.

Aus dem Datencenter:

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