Die Situation für die Autozulieferindustrie bleibt angespannt. Nach Analyse der Unternehmensberatung Berylls wird sich die Situation in den nächsten Monaten nicht verbessern. Im Jahr 2023 sah die Lage noch anders aus.
Die Zahlen der weltweit TOP 25 Zulieferer waren mehr als solide. Im Mittel wuchsen der Umsatz um 10,7 Prozent und die Marge immerhin um einen Prozentpunkt. Aber bereits im vierten Quartal änderte sich die Situation, die Möglichkeiten im Umfeld der Automobilindustrie verschlechterten sich. Alexander Timmer, Partner bei Berylls Strategy Advisors: „Es zeigt sich, dass neben allgemeinen Herausforderungen in einem sich eintrübenden Geschäftsumfeld, insbesondere drei Themen die übergeordneten Entscheidungen von Suppliern in der ersten Jahreshälfte 2024 beeinflussen werden.“ Für ihn sind es China, Osteuropa und die multiplen Krisen, mit denen die Industrie konfrontiert ist.
Worauf sich Autozulieferer einstellen müssen
Die Aussichten für die Automobilzulieferindustrie bleiben 2024 angespannt. Das Geldverdienen in China wird schwieriger und die Standortwahl komplizierter. Aber es gibt auch positive Entwicklungen.
„Die Rolle Chinas als größter Absatzmarkt und Produktionsstandort bleibt unangefochten und damit auch die Relevanz für die gesamte Zulieferindustrie,“ sagt Stefan Schneeberger, Project Manager bei Berylls. Das Geldverdienen in China werde jedoch schwieriger. So bestehen nach Einschätzung der Unternehmensberatung beispielsweise nicht unerhebliche Währungsrisiken, weil der Yuan gegen über dem Euro im Jahr 2023 um sieben Prozent verloren hat. Daraus resultiert für die deutschen Zulieferer, die 30 Prozent ihres Umsatzes in China erwirtschaften, ein erhebliches Risiko.
Ein schwächeres Wachstum der Produktion lokaler Hersteller bringe weiteren Druck auf die Geschäftspläne der Branche. Die Unternehmensberatung prognostiziert bis zum Jahr 2030 ein Stückzahlenwachstum in China von nur noch 17 Prozent. Damit liege die chinesische Industrie hinter dem Wachstum für die Produktionsmengen, die in Deutschland (plus 24 Prozent bis 2030) im Vergleichszeitraum erwartet werden.
Die geopolitische Situation sorgt für weitere Hürden. Strafzölle zwischen der EU und China, die immer wieder diskutiert werden, erschweren die Planungssicherheit für die Industrie, heißt es in der Analyse weiter. Dennoch bleibe China der Fokusmarkt der Branche, auch wenn das Geschäftsfeld China zunehmend schwieriger wird.
Osteuropa behalte ebenfalls seine wichtige Rolle für die Branche. In dieser Region sind rund 3500 Automobil-Industrie-Unternehmen angesiedelt. Die Tage, in denen der Osten Europas die verlängerte und billige Werkbank der automobilen Welt war, sind allerdings vorbei. In Folge des industriellen Wachstums sind die Arbeitslosenzahlen stark gesunken. Vor zehn Jahren lagen sie in einigen Staaten bei 15 Prozent, mittlerweile werden fünf Prozent unterschritten.
Parallel zu erhöhten Beschäftigtenzahlen gingen die Lohnkosten nach oben. Seit 2012 sind sie im Mittel um 80 Prozent angehoben worden, während der europäische Durchschnitt im Vergleichszeitraum bei lediglich 25 Prozent Steigerung lag, so die Analyse. Jürgen Simon, Associate Partner bei Berylls: „Mittlerweile sind in einigen Staaten Osteuropas kaum noch zusätzliche geeignete Mitarbeiter für die Zulieferer zu finden, keine gute Voraussetzung für eine Expansion oder Neugründung eines Standorts.“ Dazu kommt die politische Situation in einigen Staaten, die sich zunehmend als Standortnachteil entpuppt.
Als Konsequenz fallen mittlerweile einige Investitionsentscheidungen zugunsten von Nordafrika. Mit niedrigen Steuern, umfangreichen Subventionen oder geringen Lohnkosten seien nordafrikanische Staaten wie Marokko oder Tunesien ähnlich attraktiv wie der Osten Europas. Verlagerungen seien allerdings ohnehin ein probates Mittel der Industrie. In der aktuellen Situation jedoch vornehmlich, um Stabilität zu gewinnen und nicht unter ökonomischen Gesichtspunkten, wie dies noch vor wenigen Jahren der Fall war.
Dass sich die beschriebenen Effekte im Jahr 2024 abschwächen werden, erwarten die Experten von Berylls nicht. Steigende Zinsen und hohe Energiekosten würden es vor allem den in Deutschland angesiedelten Unternehmen schwermachen. Währungsrisiken betreffen nahezu alle Zulieferer. Auch der beginnende Preiskampf bei den Elektrofahrzeugen bedrohe Umsatz und Marge der Branche. Ein Stellenabbau und Insolvenzen werden in der Zuliefererindustrie in diesem Jahr weiter auf der Tagesordnung stehen.
Positiv sieht Timmer die Entspannung im Bereich der Lieferketten. „Der FED-Supply Chain Pressure Index, ein sehr wichtiger Indikator für unsere Industrie, befindet sich wieder nahe seinem langjährigen Durchschnitt von vor 2020.“ Vergleichsweise unproblematisch sei auch die Blockade der Handelsroute durch das Rote Meer. Sie wird die Lieferketten deutscher Zulieferer und Hersteller aller Voraussicht nach nicht dramatisch beeinträchtigen. Die Mehrzahl der Komponenten für den heimischen Fahrzeugmarkt werde heute bereits lokal in der EU produziert. Die Verlängerung der Handelsroute um das Kap der Guten Hoffnung treffe deshalb vor allem asiatische Hersteller, zu denen selbstverständlich auch die neuen chinesischen OEMs zählen.
Dazu aus dem Datencenter: