Stellantis will mit der neuen Geschäftseinheit für Kreislaufwirtschaft 2030 einen Umsatz von zwei Milliarden Euro erzielen. Bereits 2038 soll der Konzern Netto-Null bei CO2 erreichen. Mit der Mammutaufgabe betraut wurde Alison Jones. Mit ihr sprach die Automobilwoche über die wichtigsten Etappen.
Frau Jones, Sie haben eine Aufgabe, die quer durch den Konzern verläuft. Jeder Abteilung müssen Sie sozusagen auf die Füße treten. Ist das konfliktreich?
Es gibt sehr viele Menschen bei uns, die schon lange an Nachhaltigkeitsthemen arbeiten, etwa an der Wiederaufbereitung von Hochspannungsbatterien. Bei ihnen rennen wir offene Türen ein. In manchen Bereichen müssen wir zwar noch Überzeugungsarbeit leisten, aber das ist kein Konflikt. Dort geht es um die Setzung von Prioritäten. Es gibt zum Beispiel Diskussionen darüber, ob eine langjährige Haltbarkeit Priorität haben sollte oder eine einfache Wiederverwendbarkeit. Da geht es auch um Kosteneffekte. Ich beobachte aber, dass sich die Prioritäten in Richtung Nachhaltigkeit verändern.
Wie sehen die Etappen von Stellantis auf dem Weg zu Zero Emission im Jahr 2038 aus?
Wir wollen 2030 einen Anteil von 40 Prozent Gewicht an grünen Materialien - also recycelt oder biologisch hergestellt - in jedem neuen Fahrzeug erreicht haben. Schritt für Schritt werden wir die vier Bereiche Remanufacturing, Repair, Reuse und Recycling, unsere 4R-Strategie, auf alle Bereiche ausweiten. Ziel ist es, bis 2030 den Umsatz mit aufbereiteten Teilen zu vervierfachen und den Umsatz mit Recyclingmaterialien gegenüber 2021 zu verzehnfachen.
Welche Rolle spielt das Ende 2022 gezeigte Konzeptauto Citroën Oli für Ihre Kreislauf-Zukunft?
Der Oli ist ein besonders leichtes und zudem langlebiges Fahrzeug, das zum Großteil aus recycelten Materialien besteht. Bereits beim Design wurde der Oli für die Kreislaufwirtschaft konzipiert. Auch in der Produktion erhalten nachhaltige Prozesse einen immer größeren Stellenwert.
Wo erwarten Sie die höchsten Kosteneinsparungen durch nachhaltige Prozesse?
Wir verkaufen bereits erfolgreich aufbereitete Teile als Ersatzteile. In Brasilien werden zum Beispiel Anlasser und Lichtmaschinen von Fahrzeugen der Stellantis-Marken wiederaufbereitet, vertrieben und über rund 1000 lokale Händler verkauft. Kosteneinsparungen ergeben sich durch Teile, die recycelt werden können. Ein wichtiger Baustein ist etwa das Recyceln von Abfall - wobei Abfall der falsche Begriff ist, denn es sind werthaltige Rohstoffe, die etwa in den Presswerken anfallen.
Müssen die neuen Kreislauf-Lieferketten vom ersten Tag an profitabel funktionieren oder sind auch Verluste erlaubt?
Wir starten auf jeden Fall dort, wo man schnell in die Gewinnzone gelangen kann. Und da geht es in der Regel um die größten Mengenanteile. In einer Gruppe mit 14 Marken lohnt es sich oft schneller als in kleineren Unternehmen. Unprofitable Kreisläufe sind solche, wo die Volumina gering und der Weiterverarbeitungsaufwand hoch ist. Solche Aktivitäten haben dann zunächst einmal keine Priorität für uns.
Net Zero in allen Lieferketten ist ohne intensive Kooperation mit sämtlichen Lieferanten nicht erreichbar. Haben Ihre Zulieferer das verstanden?
Die allermeisten ja. Tier-1- und Tier-2-Zulieferer auf jeden Fall. Unterschiedlich beurteilt wird allerdings noch vielfach das erforderliche Tempo dieses Wandels. Einige Partner meinen, man könne noch abwarten, bis es gesetzliche Regelungen über dies oder das gibt. Wir aber sagen, wir wollen schneller vorankommen, als es die Regulierung erfordert. Wir sprechen mit unseren Partnern darüber, dass wir nicht auf die Regulierung warten wollen. Die Weichen dafür werden jetzt gestellt. Der schnellste Hersteller gibt das Tempo vor.
Was erwarten Sie von Ihren Handelspartnern?
Um unser Net-Zero-Ziel 2038 auch bei unseren Handelspartnern zu erreichen, reicht es sicher nicht aus, Solarpanels auf die Dächer zu schrauben. Allerdings haben viele unserer Partner ihre eigenen CSR-Ziele, insbesondere in Deutschland. Ein erster und wichtiger Schritt ist: Wenn etwas kaputtgeht, gebt es uns zurück, insbesondere während der Garantiephase. Wir haben dazu eine Rückgabeprozedur entwickelt, wir nennen sie "back in the boxservice". Dieses Prinzip werden wir nach und nach auf mehr Komponenten und Länder ausweiten.
Das Interview führte Michael Knauer
Aus dem Datencenter:
Modellvorschau Stellantis (Plattform STLA Medium) 2024 bis 2026