Das Beste aus Pest oder Cholera

Stellantis und seine Vertriebspartner sind auf der Zielgeraden bei der Einführung ihrer neuen Verträge. Bei den Verhandlungen mussten die Händler die eine oder andere Kröte schlucken, scheinen aber mit dem Ergebnis nicht unzufrieden: „Wer 2023 einen neuen Vertrag bekommt, der kann zwischen Pest und Cholera wählen. Wir haben das Beste rausgesucht“, sagte Ubbo Latajka, Vorstand beim Verband Deutscher Citroen-, DS- und Peugeot-Vertragspartner (VCDP), im Rahmen eines Pressegesprächs, das im Nachgang einer Händlertagung in Mainz stattfand.

Am Dienstag (23. Mai) stellte der Verband seinen Mitgliedern erstmals die neuen Verträge vor. Das Interesse war groß: Rund 700 Vertragspartner, die etwa 80 bis 90 Prozent des Zulassungsvolumens repräsentieren, waren demnach anwesend. "Es ist schon eine Katastrophe, dass man noch immer nichts Konkretes hat", sagte ein Händler nach der Veranstaltung. Erst Mitte Juni sollen die Partner die Verträge erhalten.

Anfang Juli treten dann in Deutschland die neuen Händler- (Volumenmarken) und Serviceverträge (alle Marken) in Kraft. Während die Serviceverträge unbefristet sind, sind die Händlerverträge bis Ende 2026 befristet. Dann folgt für die Volumenmarken der Agenturvertrag. Für die Premiummarken (DS, Alfa und Lancia) sowie Nutzfahrzeuge führt Stellantis bereits Anfang 2024 den neuen Agenturvertrag ein.

Anwalt Uwe Brossette bezeichnete den künftigen Agenturvertrag im Vergleich zu anderen Regelwerken als Sonderfall. Es handle sich um einen sogenannten Kommissionsagentenvertrag. Der Händler verkauft in diesem Fall die Fahrzeuge im eigenen Namen auf Rechnung des Herstellers. Während bei der echten Agentur die Verträge zwischen Kunde und Hersteller geschlossen werden.

Seit Anfang Juni 2021 haben sich Vertreter von Hersteller und Händler insgesamt 80 Mal getroffen, meist auf europäischer Ebene. Weitere Treffen stehen an.

Zu den offenen Punkten gehört laut Brossette die Kostenerstattung im Rahmen des Agenturmodells. Er äußerte sich nicht zur erwarteten Höhe. Den anwesenden Händlern scheint allerdings eine Größe genannt worden zu sein: Sie berichten, dass der Hersteller künftig eine fixe Marge von vier Prozent zahlen will. Hinzukommt eine flexible Vergütung in Höhe von einem Prozent. Damit erhalten die Stellantis-Partner künftig noch weniger als ihre Wettbewerber: So zahlt Volkswagen bei der Vermittlung von Elektroautos eine fixe Vergütung von vier Prozent plus zwei Prozent flexible Marge (unechte Agentur).

Dabei scheint auch die Verteilung der Kosten noch nicht endgültig geregelt. Laut Agenturvertrag muss der Hersteller vertragsspezifische Risiken tragen, also die Kosten im Zusammenhang mit den Fahrzeugen zum Beispiel für Vorführwagen. Hinzu kommen die Risiken im Zusammenhang mit Investitionen.

Konkret heißt das für Immobilien: Allgemeine Kosten müssen die Händler selbst tragen. Für Aspekte, die im Zusammenhang mit dem Verkauf stehen, muss der Hersteller aufkommen. Dazu gehören beispielsweise die Kosten für die Ausstattung mit der CI inner- und außerhalb des Gebäudes. Wer welchen Anteil künftig zu tragen hat, ist noch offen.

Klar erscheint dafür, dass die Händler nicht mit Einsparungen bei ihren Personalkosten rechnen können. Denn „bis auf eine Position hat das Personal die gleiche Arbeit“, sagte Latajka. Demnach fällt lediglich die reine Bestellung des Fahrzeugs für die Mitarbeiter im Handel weg. Entweder der Kunde bestellt online oder der Verkäufer gibt den Auftrag direkt mit ihm ein. Wobei der Hersteller natürlich die Kosten für Schulungen und ähnliches tragen muss.

Das Gebrauchtwagengeschäft, ein strittiger Punkt bei Volkswagen und seinen Partner, bleibt bei den Händlern. „Wir bekommen Gebrauchtwagen zurück, wenn wir sie wollen“, sagte Latajka. Doch beim Hersteller scheint es eine große Skepsis gegenüber seinen Partnern zu geben. Denn laut Händler soll die Inzahlungnahme der Fahrzeuge nicht über die Autohäuser laufen, sondern über Dritte. Im Gespräch sei, dass der Prozess über Wirkaufendeinauto.de (Auto 1 Group) abgewickelt werde. „Es ist schon enttäuschend, dass der Hersteller Dritten mehr vertraut als seinen Vertriebspartner“, sagte ein Händler, der nicht genannt werden will.

Ein Vorteil für den Hersteller ist, dass er bei Agenturvertrag die Preishoheit hat. Egal ob online oder offline, der Kunde muss künftig den von Stellantis festgesetzten Preis zahlen. Dabei ist das Verkaufsgebiet der Händler Deutschland. Ein Händler mit Standort München kann also einem Flensburger Kunden ein Fahrzeug verkaufen, nicht jedoch einem Kunden aus Wien. Diesen muss er abweisen. Über die Landesgrenzen hinweg dürfen die Händler keine Fahrzeuge verkaufen.

Die Kartellbehörden werden mit Argusaugen darauf achten, dass Hersteller und Händler nicht gegen gesetzliche Vorgaben verstoßen. Beide Seiten haben vereinbart, dass bei wichtigen Themen ein Konsens herbeigeführt werden muss. Im sogenannten Governance Gremium finden regelmäßige Gespräche zwischen Vertreter des Herstellers und der Verbände auf europäischer Ebene statt. Viermal im Jahr wollen sich die beiden Parteien über Vertragsprodukte, Retailstandards, Vergütung und ähnliches unterhalten. Ziel sei ein faires und effizientes System. Kommt es zu Unstimmigkeiten, soll das Steering Committee schlichten, das aus Mitgliedern des Governance Gremium besteht. Gelingt dies nicht, wird Adhoc ein Sachverständigenausschuss bei der Handelskammer Mailand einberufen.

Aus dem Datencenter:

Zeitplan von Stellantis für das Agenturmodell in Deutschland 2021 bis 2027