Keine Agentur in Sicht

Ende April trafen sich Deutschlands Toyota-Händler in Hamburg zur ihrer jährlichen Händlertagung. Dabei kamen alle Themen, die die Händler derzeit umtreiben auf den Tisch: Lieferprobleme, strengere Vertriebsvorgaben, die geplante Reduzierung der Händlerpartner sowie der Branchen-Dauerbrenner Agenturmodell. Trotz klarer Worte wurde deutlich, dass das Verhältnis zwischen Toyota und seinen Händlern intakt ist.

Herr Levy und Herr Köhler, zwischen Toyota und seinen Händlern gibt es nach Ihrer Aussage eine „gesunde Streitkultur“. Wo erfährt diese aktuell ihre Belastungsproben?

Frank Levy: Toyota stellt bisweilen Anforderungen an uns Händler, die wir nicht für gerechtfertigt halten oder die das Maß sprengen, beispielsweise bei der Leadbearbeitung. Würde der Hersteller die gleichen Anforderungen an sich selbst stellen, würde er diese nicht erreichen. Ein anderer Punkt ist die aktuelle Situation mit den Lieferengpässen und den unklaren makroökonomischen Perspektiven. Da wünschen wir uns eine absolute Transparenz und Ehrlichkeit, auch und gerade bei der Übermittlung von schlechten Botschaften. Viele der Pläne, die wir für 2022 aufgestellt haben, waren schon nach kurzer Zeit hinfällig. Daran trägt Toyota keine Schuld. Wir vermissen aber einen Matchplan, wie Toyota mit den sich verändernden Rahmenbedingungen umgehen will.

Mario Köhler: Eine Belastungsprobe aus meiner Sicht ist, dass wir uns entschieden haben, Leasing und Finanzierung konsequent in den Fokus zu rücken. Das Tempo, mit dem wir das tun, ist für viele Händler in der Fläche herausfordernd. Da bekommen wir aus einigen Regionen durchaus die Rückmeldung, dass einige Kunden einfach nicht leasen, sondern bar kaufen wollen. Ich glaube aber, dass wir langfristig erfolgreicher sind, wenn wir an dem eingeschlagenen Weg festhalten. Das ist der eine Punkt. Der zweite ist, dass wir noch mehr das Warum und die Vorteile erläutern müssen.

Haben Sie dafür ein Beispiel?

Köhler: Nehmen wir die Diskussion, warum wir zu Leadgewinnung so stark auf Online-Kommunikation setzen. Damit haben wir beim Launch des Aygo X hervorragende KPIs erzielt. Der Handel misst aber den Erfolg einer Kampagne daran, ob am Wochenende das Haus voll ist. Umgekehrt stellen aber auch wir die Frage: Was macht der Händler mit dem Lead, wenn wir ihn einmal haben? Darum gibt es das Audit-Kriterium wie schnell und wie gut Leads bearbeitet werden. Dieses ist zugegeben durchaus fordernd für den Handel.

Levy: Das ist extrem anstrengend! Und oftmals ist der Handel in der Lage, die Dinge besser und effizienter zu lösen. Bleiben wir beim Thema Lead. Mein Vorstandskollege Carsten Schulz vom Autohaus S+K berichtet, dass seine Leads nur ein Drittel dessen kosten, was die Leads über den Hersteller kosten. Aber der Hersteller zwingt uns, trotzdem über ihn das Geld zu investieren. Darüber müssen wir sprechen. Wenn uns Toyota schon zwingt, etwas zu tun, dann muss das auch mindestens so effizient sein wie die Alternativen.

Angesichts der engeren Steuerung der Vertriebsaktivitäten – Stichwort Leasing und Finanzierung – gibt es unter Händlern den Verdacht, dass Toyota langfristig auf den Agenturvertrieb umstellen möchte. Ist die Vermutung berechtigt?

Levy: Ich bin überzeugt, dass Toyota niemals in die Agentur wechseln wird. Dazu ist der Konzern viel zu risikoavers. Sprich: Toyota will nicht das damit verbundene Finanzrisiko, das Absatzrisiko und das Marktrisiko tragen. Irgendwann wird sich der derzeitige Verkäufermarkt wieder in einen Käufermarkt wandeln und es werden viele Autos aus den Fabriken herauskommen, die irgendwie in den Markt müssen. Toyota war bisher immer sehr froh, dafür ein Handelsnetz zu haben, das die Autos abnimmt und den Konzern so aus dem Risiko nimmt. Ich glaube aber durchaus, dass Toyota die Rahmenbedingungen für uns noch enger setzen und die Margen noch weiter reduzieren will. Gleichzeitig sollen aber sämtliche Kosten und Risiken weiter beim Handel verbleiben. Das missfällt uns sehr.

Köhler: Es ist natürlich legitim, wenn der Handel es als engeren Rahmen wahrnimmt, wenn wir bei der Angebotsgestaltung Vorgaben machen, die Absatzförderung akzentuieren und die Mediamaßnahmen zentralisieren. Mit Blick auf das Agenturmodell muss man das Für und Wider bewerten. Und da haben wir eine differenziertere Meinung als unsere Wettbewerber. Unser Erfolg in den vergangenen Jahren ist ja kein Zufall, sondern das Ergebnis unserer Fähigkeiten in Kombination mit der Verkaufsleistung unseres Händlernetzes. Wir beobachten natürlich, was der Wettbewerb macht. Toyota hat aber im Gegensatz zu vielen Wettbewerbern weltweit nicht eine Niederlassung. Das ist ein klares Zeichen.

Levy: Beim Thema Agentur gibt es kein einheitliches Bild. Wir sehen alles – von der echten Agentur über die unechte bis hin zur generellen Ablehnung. Was aber auffällt: Vor allem Volumenimporteure sind eher…

Köhler: …vorsichtig.

Levy: Genau. In die Agentur gehen vor allem deutsche Premiummarken.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat angekündigt, die Förderung für Plug-in-Hybride 2022 auslaufen lassen zu wollen. Was glauben Sie, wird es so kommen?

Levy: Am Ende wird es darauf hinauslaufen, dass sich Herr Habeck mit den deutschen Herstellern auf eine Lösung einigt. Wir als Importmarke werden dann sehen, was wir daraus machen können. Offen gestanden sehe ich bei Plug-ins wenig Nutzen für das Klima. Die meisten werden als reine Benziner oder Diesel gefahren…

Träfe es Toyota und seine Händler, wenn der Förderstopp kommt?

Köhler: Vorerst nicht. Alle Plug-in-Bestellungen, die im Mai oder Juni eingehen, werden noch dieses Jahr geliefert. Wir werden das jetzt in den Mittelpunkt unserer Marketingaktivitäten stellen. Das gleiche gilt für unseren neuen, rein elektrischen BZ4X. Wer im Juli bestellt, bekommt im Oktober sein Auto. Ich denke, dass wir sogar noch bis Ende August eine Lieferung in diesem Jahr zusagen können. Das wird ein großer Wettbewerbsvorteil. Wir sehen allein durch die Diskussion bereits eine Kaufbeschleunigung.

Levy: Spannend wird es bei uns erst in zwei bis drei Monaten, wenn wir nicht mehr jedes Fahrzeug garantiert 2022 ausliefern können und die Kunden plötzlich merken, dass sie unter Umständen nicht mehr in den Genuss der Förderung kommen könnten.

Könnte dann das Ziel von drei Prozent Marktanteil in Gefahr geraten?

Köhler: Im Gegenteil. Wenn man zum Wettbewerb blickt, ist schon jetzt absehbar, dass man dort mit einer gewissen Orderbank ins Jahr 2023 gehen wird. Wenn wir nun gleichzeitig unsere gute Lieferfähigkeit aufrechterhalten, schaffen wir vielleicht sogar noch eine eins hinter dem Komma. Die Ambition bei uns und unseren Partnern ist da und ich merke, dass hier gerade eine positive Dynamik entsteht.

Levy: Wenn die Förderung für Plug-in-Hybride wegfällt ist das für uns zudem die Chance, wieder stärker mit unseren Vollhybriden zu punkten. Am Ende spielt uns also ein Förderstopp vielleicht sogar in die Karten.

Wie steht es in diesem Zusammenhang um Ihre CO2-Flottenziele?

Köhler: Wir haben europaweit den mit Abstand besten Flottenverbrauch. Insofern sind wir in einer sehr privilegierten Situation. Für andere Marken ist das aber sicher ein sehr relevantes Thema, Andere Hersteller beispielsweise haben zuletzt ihre Plug-ins nach Deutschland gebracht, um über die Förderung hierzulande ihre CO2-Werte zu erreichen… Wenn das wegfällt, gibt es 2023 große Herausforderungen.

Toyota will die Zahl seiner Händler von 220 auf 180 reduzieren und die Zahl der Standorte von 315 auf 350 steigern. Warum ist es nötig, die Zahl der Toyota-Vertragspartner zu senken?

Köhler: Weil wir glauben, dass die weitere Digitalisierung künftig unheimlich hohe Anforderungen an die Betriebe stellen wird. Vor allem kleine Unternehmen werden im Hinblick auf Investitionen und Systeme nicht mehr Schritt halten können. Unser Ziel ist aber, alle Standorte und Märkte zu erhalten. Das geht am besten über Kooperationen und Übernahmen innerhalb der Toyota-Organisation. Das muss aber beidseitig gewollt sein.

Herr Levy, ist das der richtige Ansatz?

Levy: Als Verband sind wir hier neutral. Solange gewährleistet ist, dass kein Zwang ausgeübt wird, können wir diesen Weg gemeinsam gestalten. Es gibt zahlreiche Beispiele, wo Händlerkollegen sich zusammengesetzt haben und interne Lösungen gefunden haben. Ich persönlich beobachte auch, dass die Komplexität steigt und glaube, dass größere Gruppen das besser stemmen können als Standalone-Betriebe.

Von einem subtilen Druck ist im Händlernetz aber durchaus zu hören…

Köhler: Sie haben Recht, wir haben 2021 mit jedem Partner einen Zukunftsdialog geführt. Dabei haben wir offen das Thema Zukunftsfähigkeit angesprochen. Das hat im Handel eine gesunde Unruhe aber auch eine Reflexion über die Unternehmensnachfolge und anstehende Investitionen ausgelöst. Es kommen mittlerweile oft Betriebe auf uns zu und stellen ihre Konzepte vor oder fragen, welche Konzepte wir empfehlen können. Der Impuls, sich zusammenzuschließen muss aber von den Unternehmern kommen. Wir wollen keine Zwangsehen. Denn den Preis, wenn das nicht funktioniert, zahlen am Ende auch wir.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Armin Wutzer.