Teslas Autopilot gehört zu den bekanntesten und umstrittensten Extras der Marke. Seit Jahren macht Firmenchef Elon Musk vollmundige Versprechungen, das autonome Fahren nach Level 4 kündigte er einst für 2017 an. Seit September 2014 gibt es das Assistenzsystem mit dem Namen Autopilot, das Tesla zunächst gemeinsam mit dem israelischen Unternehmen Mobileye entwickelt hat. 2016 beendete Mobileye die Kooperation, wenige Monate nach Bekanntwerden des ersten tödlichen Unfalls mit einem Tesla unter Autopilot. Die Israelis waren der Meinung, Musk verspreche mehr, als das System halten könne. Das sei zu gefährlich für die Kunden und überdies schädlich für die Reputation des autonomen Fahrens.
Die Trennung warf Tesla weit zurück, das Unternehmen brauchte über ein Jahr, um wieder auf das Niveau zu kommen, welches das Mobileye-System hatte. Nach der Trennung entwickelte Tesla die Software selbst, der Chip kam zunächst von Nvidia. Seit April 2019 stammen auch die Prozessoren von Tesla. Mit kontinuierlichen Updates entwickelt Tesla die Software weiter.
Bei der Bewertung der Leistungen gehen die Meinung auseinander, allerdings muss man unterscheiden, ob dabei der Autopilot als Assistenzsystem bewertet oder Teslas Fähigkeiten beim autonomen Fahren beurteilt werden. Der Autopilot ist ein gutes Assistenzsystem, vom autonomen Fahren ist er aber noch weit entfernt.
Vergleichstests etwa von Consumer Reports oder Euro NCAP bescheinigen dem Assistenzsystem durchweg gute Leistungen. Beim Test von zehn Assistenzsystemen durch Euro NCAP zeigte sich beispielsweise, dass Tesla das am weitesten entwickelte Assistenzsystem hatte. Die Prüfer bescheinigten dem System einen "sehr hohen technischen Reifegrad" sowie "enorme Stärken" bei der Kollisionsvermeidung und nannten seine Fähigkeit, bei verschiedenen Geschwindigkeiten durch eine S-förmige Kurve zu fahren, "absolut überragend". Sie störten sich jedoch daran, dass das Auto die Korrekturen des Fahrers nicht schnell genug annahm und sie bemängelten die Bezeichnung Autopilot, die suggeriere, dass das Fahrzeug autonom fahren könne.
Die Kritik ist nicht neu, sie wird sowohl in den USA als auch in Europa immer wieder geäußert. In Deutschland ging die Wettbewerbszentrale im Juli 2020 deshalb juristisch gegen Tesla vor. Das Gericht untersagte dem Hersteller die Nutzung des Begriffs, was Elon Musk zu der Bemerkung veranlasste, dann müsse auch die Bezeichnung Autobahn verboten werden, schließlich führen die Autos dort auch nicht autonom. Dass in der Tat viele Kunden die Möglichkeiten des Systems überschätzen, zeigen im Internet kursierende Videos, in denen Fahrer während der Fahrt auf die Rückbank geklettert sind und den leeren Fahrersitz filmen.
Trotz der Unvorsichtigkeit der Fahrer kommt es vergleichsweise selten zu schweren Unfällen. Die wenigen tödlich verlaufenen Unfälle schlugen hohe Wellen in den Medien. Statistiken belegen, dass Tesla-Fahrzeuge unter dem Einsatz den Systems weniger Unfälle verursachen als menschliche Fahrer. Daten von Tesla zeigen, dass ein Fahrzeug mit Autopilot erst nach rund 7,4 Millionen Kilometern einen Unfall baut, während menschliche Fahrer durchschnittlich alle 770.000 Kilometer einen Unfall verursachen.
Unabhängig davon hat Tesla immer darauf hingewiesen, dass der Autopilot lediglich ein Assistenzsystem ist. Selbst das neuste Update FSD City Streets (FSD steht für Full Self Driving, Vollständig autonomes Fahren), das seit Herbst 2020 in den USA von Beta-Testern erprobt wird, bietet trotz seines Namens lediglich teilautomatisiertes Fahren nach Level 2, wie Tesla selbst in einer Stellungnahme gegenüber kalifornischen Behörden zugegeben hat. Das System kann Tesla zufolge
- navigieren
- bremsen und beschleunigen
- die Spur halten und wechseln
- auf Parkplätzen ein- und ausparken
- Ampeln und Stoppschilder erkennen
Bei der Technik geht Tesla wie so oft einen eigenen Weg: Lidar-Sensoren und hochpräzise Karten, die bei der Konkurrenz als unverzichtbar gelten, lehnt Musk ab, im Frühjahr verkündete er sogar, auf Radar verzichten zu wollen. Stattdessen will er eine Künstliche Intelligenz entwickeln, die das Auto allein anhand der Kameras steuern kann. Schon seit Herbst 2016 werden alle Teslas mit acht Kameras, Ultraschallsensoren und Radar ausgeliefert. Diese Ausstattung soll Musk zufolge als Hardware für das autonome Fahren ausreichen. Die Software verbessert Tesla kontinuierlich und liefert sie als Updates over the air an die Kunden aus – für saftige Aufpreise, versteht sich. Allein das letzte Update City Streets kostet 10.000 Dollar.
Von der Automobilwoche befragte Experten haben Zweifel, dass die aktuelle Hardware für volles autonomes Fahren ausreicht, zudem denken sie nicht, dass vollständig autonomes Fahren nach Level 5 überall innerhalb der kommenden zehn oder 15 Jahre kommen wird. Zwar schaffen es Firmen wie Waymo schon heute, Roboterautos ohne Sicherheitsfahrer fahren zu lassen, allerdings immer nur in eng begrenzten und bekannten Gebieten.
Bei der Frage, welche Firma beim autonomen Fahren vorn liegt, fällt der Name der Google-Tochter Waymo besonders häufig – zum Beispiel in einem Ranking der Unternehmensberatung Guidehouse, die Waymo auf dem ersten und Tesla auf dem letzten Platz verortete. Zudem waren die Berater der Ansicht, Tesla werde mit seiner Strategie niemals Level 5 erreichen. Weitere hoch gehandelte Kandidaten sind Mobileye und Cruise.
Während John Krafcik und Amnon Shashua, die Chefs von Waymo und Mobileye, bezweifeln, dass Tesla mit seinem Ansatz jemals Level 5 erreichen wird, ist Andrej Karpathy davon überzeugt, auf dem richtigen Weg zu sein. Tesla werde zwar länger brauchen, auf lange Sicht werde die Herangehensweise von Tesla jedoch erfolgreicher sein, weil das System selbstständiger agieren könne als die auf hochpräzise Karten angewiesenen Systeme der Konkurrenten. Wer am Ende recht behält, wird die Zeit zeigen.
Denn auch die Konkurrenz ist noch nicht am Ziel. Waymo beispielsweise fährt bisher nur in einem eng begrenzten und gut kartografierten Gebiet und zwar in der Stadt Phoenix. Momentan erscheint es fantastisch, was Musk verspricht. "Selbst wenn die Straße völlig falsch markiert ist und ein Ufo mitten auf der Straße landet, darf das Auto keinen Unfall bauen", sagte er Anfang 2021 in einem Interview. Momentan erscheint das unrealistisch. Aber gerade Elon Musk hat schon oft Dinge versprochen, die als unmöglich galten und sie wahr gemacht – wenn auch manchmal mit Verspätung.
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